Der BGH (BGHSt 16,321) musste sich mit folgendem Sachverhalt befassen: Provisionsvertreter P verkaufte an verschiedene Bauern Melkmaschinen. Um seinen Verkaufserfolg zu steigern spiegelte er diesen vor, dass die nur für kurze Zeit angebotene Melkmaschine ein „Schnäppchen“ sei. Wolle man sich diesen wirtschaftlichen Vorteil sichern, müsse man sofort zuschlagen. Tatsächlich entsprach die Melkmaschine dem normalen Listen- und Marktpreis. Bei 2 Kunden, denen er auf diese Art und Weise die Maschine aufschwatze, wusste P, dass diese für den Erwerb Kredite aufnehmen mussten und sich dadurch in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten brachten, nicht zuletzt deswegen, weil sie noch andere finanzielle Verpflichtungen hatten. Bei einem Kunden war ihm darüber hinaus bewusst, dass die Melkmaschine für dessen Bedürfnisse nicht ausreichend dimensioniert war.
Die für § 263 StGB zunächst erforderliche Täuschung liegt sicherlich unproblematisch in dem unwahren Vorspiegeln einer wirtschaftlich günstigen Gelegenheit („Schnäppchen“). Entsprechend irren sich auch die Kunden, die daraufhin einen Vertrag schließen und schließlich das vereinbarte Entgelt entrichten. Bereits im Abschluss des Vertrages liegt eine Vermögensverfügung, die sich durch die Zahlung weiter fortschreibt.
Problematisch ist nun allerdings der Schaden. Grundsätzlich wird der Schaden ökonomisch im Wege der Gesamtsaldierung ermittelt und kann nur dann angenommen werden, wenn das Ausscheiden einer vermögenswerten Position infolge der Vermögensverfügung nicht durch den gleichzeitigen Zugang einer wirtschaftlich gleichwertigen Position ausgeglichen wird.
Bei objektiv wirtschaftlicher Betrachtung muss man einen solchen Ausgleich vorliegend jedoch zunächst bejahen und infolge dessen den Schaden verneinen, da die Melkmaschine dem üblichen Markt-und Listenpreis entsprach. Zwar erfüllte sich die Erwartung des getäuschten Kunden, ein „Schnäppchen“ machen zu können, nicht. Derartige Gewinnerwartungsabsichten werden aber über § 263 StGB nicht geschützt. Auch reicht es für die Bejahung eines Schadens nicht aus, dass der Getäuschte die Verfügung nicht getroffen hätte, wenn er die Wahrheit gekannt hätte. Aus §§ 240, 253 StGB ergibt sich, dass Angriffe gegen die Willensentschließungsfreiheit nur dann erfasst werden sollen, wenn sie mittels Gewalt oder Drohung erfolgen.
Gleichwohl hat der BGH (und ihm folgende Teile der Literatur) mit dem „subjektiven Schadenseinschlag“ eine Korrektur der objektiven Schadensermittlung vorgenommen. In Einzelfällen soll für die Bemessung von Leistung und Gegenleistung nicht nur der Verkehrs- oder Marktwert maßgeblich sein sondern auch die individuellen wirtschaftlichen Besonderheiten des Getäuschten.
Demnach soll ein Schaden auch dann vorliegen, wenn
a) Der Erwerber die angebotene Leistung nicht oder nicht in vollem Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise (z.B. durch Weiterverkauf) verwenden kann oder
b) Der Erwerber durch die eingegangene Verpflichtung zu vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt wird (z.B. durch Aufnehmen eines hoch verzinslichen Darlehns) oder
c) Der Erwerber infolge der Verpflichtung nicht mehr über Mittel verfügen kann, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Verbindlichkeiten oder sonst für eine seinen persönlichen Verhältnissen angemessen Wirtschafts- oder Lebensführung unerlässlich sind.
Zu den letzten beiden Punkten führt der BGH allerdings einschränkend aus, dass mit berücksichtigt werden müsse, ob die wirtschaftlichen Opfer nicht durch besondere wirtschaftliche Vorteile aus der Nutzung der Sache ausgeglichen werden können. Es könne nämlich durchaus im Rahmen einer vernünftigen Wirtschaftsführung liegen, wenn jemand freiwillig wesentliche Einschränkungen seines Bedarfs für eine gewisse Zeit auf sich nehme, um einen hochwertigen Gegenstand zu erwerben, der eine Mehrung des Vermögens in Zukunft ermögliche.
Zwar ist die subjektive Korrektur des objektiven Schadensbegriffs aus kriminalpolitischen Gründen nachvollziehbar, sie widerspricht jedoch den Grundsätzen der freien Marktwirtschaft. Nach den vom BGH aufgestellten Prinzipien müsste ein Verkäufer nun eigentlich erst einmal überprüfen, ob der Käufer die zu erwerbende Sache auch wirklich benötigt – aber was braucht man schon außer den Grundnahrungsmitteln und wärmender Kleidung? Zudem müsste er zugleich mit dem Käufer einen Businessplan aufstellen, um abschätzen zu können, welche weiteren wirtschaftlichen Auswirkungen der Kauf hat (lesen Sie dazu auch Joecks, StGB, § 263, Rn. 110 ff).
In Anbetracht der berechtigten Einwände können Sie in einer Klausur von daher selbstverständlich den „subjektiven Schadenseinschlag“ ablehnen. Wichtig ist wie immer, dass Sie das Problem erkennen und plausibel darstellen.
Problematisch ist i.ü. noch die Stoffgleichheit, da die Verfügung des Opfers nicht unmittelbar zur Vermögensmehrung des Täters führt (der Kaufpreis wird an den Hersteller gezahlt). Hier behilft man sich aber, indem man einen Betrug zulasten des Erwerbers und zugunsten des Herstellers annimmt.
Weitere erhellende Ausführungen dazu finden Sie in unserem GuKO SR III sowie in den ExO`s. Einen Einblick in das darin befindliche Skript zu den Vermögensdelikten finden Sie hier: Vermögensdelikte.