Auf über 150 Seiten hat der Erste Senats des BVerfGs die Befugnisse des bayerischen Verfassungsschutzes überprüft. Das wegweisende Urteil beanstandet mehrere Bereiche: Handyortung, der Einsatz von verdeckten Mitarbeitern und Informanten (V-Leute), Wohnraumüberwachung, Online-Durchsuchung, Observationen. Hierbei werden praktisch alle relevanten Methodiken des Verfassungsschutzämter erfasst und Grenzen aufgezeigt. Grundsätzlich lässt sich sagen: alle Maßnahmen dürfen zur Anwendung kommen - aber nur in Stufen, begrenzt und kontrolliert. Keine Befugnis aber wird völlig untersagt, so dass sich beide Seiten als Sieger bezeichnen.
Das Urteil bringt rechtliche Klarheit in einen Bereich, der bislang von Lücken, internen Anweisungen und Vorgaben sowie Einzelfallprüfungen geprägt war. Ins Auge springt, wie der Senat Befugnisse des Verfassungsschutzes immer wieder mit denen der Polizei vergleicht und abgrenzt. Das Trennungsgebot kommt auch hier klar zum Ausdruck. Z.B. wird erläutert, dass der aus polizeirechtliche Gefahrenbegriff nicht für den Beginn der frühzeitigeren und breiter angelegten Beobachtungstätigkeit des Verfassungsschutzes passt. Der Senat spricht von einem „hinreichenden verfassungsschutzspezifischen Aufklärungsbedarf“ als Bedingung für den Einsatz geheimdienstlicher Instrumente - eine niederschwelligere, aber auch spezifischere Hürde. Je stärker der Eingriff sich einer polizeilichen Folgemaßnahme annähert, so näher an den polizeirechtlichen Voraussetzungen müsse geprüft werden: „Das ist dann der Fall, wenn durch eine Überwachungsmaßnahme besonders umfangreiche Informationen gewonnen werden und dies eine weitestgehende Erfassung der Persönlichkeit zulässt, wie etwa durch eine Online-Durchsuchung“.
Eben diese Online-Durchsuchung und auch die wird besonders kritisch betrachtet. Beide Maßnahmen sollen nur noch subsidiär und damit in begründeten Ausnahmefällen vom Verfassungsschutz eingesetzt werden können, etwa wenn eine polizeiliche Maßnahme nicht rechtzeitig käme. Drüber hinaus regt der Senat eine Vorabkontrolle dieser einschneidenden Maßnahmen durch eine unabhängige Stelle an: „In dem hier zu entscheidenden Verfassungsbeschwerdeverfahren konnte aber letztlich nicht plausibel erklärt werden und es ist auch sonst nicht ersichtlich, warum die Verfassungsschutzbehörde die (verfassungsschutzspezifischen) Tatbestandsvoraussetzungen ihrer Tätigkeit nicht trotz ihrer Besonderheiten vor Beginn der Maßnahme einer externen Stelle sollte darlegen können“ und führt weiter aus „Dass es dem Gesetzgeber von vornherein unmöglich wäre, den Geheimhaltungserfordernissen entsprechende, unabhängige Stellen zu schaffen, ist nicht erkennbar; dies belegt beispielsweise die gesetzliche Vorkehrung zur Geheimhaltung der Tätigkeit der G-10-Kommission.“ Statt einer derartigen parlamentarischen Kontrollstelle könnte die externe Kontrolle aber auch durch eine unabhängige Behörde oder ein Gericht übernommen werden.
Der Einsatz von V-Leuten ist auch strikter zu prüfen und rechtfertigen, dazu soll auch diesbezüglich eine Vorabkontrolle durch eine externe Stelle eingerichtet werden. Die Datenübermittlung wird ebenfalls als wichtiger und schwieriger Bereich betrachtet. Das BVerfG spricht hier vom „informationellen Trennungsprinzip“. Es gilt das Prinzip der hypothetischen Neuerhebung, d.h.: Dürfte die Polizei diese Informationen im Zeitpunkt der Übermittlung selbst erheben?
Des Weiteren muss auch die Datenübermittlung in andere Länder rechtsstaatlich besser gesichert werden, hier müssen die Geheimdienste sicher stellen, dass auch Nicht-EU-Staaten die Grund- und Menschenrechte wahren. Deutsche Geheimdienstinformationen sollen im Ausland keine Menschenrechtsverstöße in Bewegung bringen oder Verfolgungen begründen.