Grundsätzlich hatten alle Bundesländer bereits 2020 beschlossen, den Rundfunkbeitrag zum Jahreswechsel von 17,50 Euro um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Monat zu erhöhen. Dem entsprechenden Staatsvertrag hatten sodann 15 Landtage zugestimmt, zum Schluss fehlte nur noch die Zustimmung aus Sachsen-Anhalt.
Dort gab es jedoch keine Mehrheit für die geplant Erhöhung, weil die Fraktionen von CDU und AfD dagegen waren. Damit seine CDU nicht mit der AfD gemeinsam mit „Nein“ stimmen musste, zog Ministerpräsident Reiner Haseloff Anfang Dezember den Entwurf zurück (siehe auch den Beitrag hierzu im Clubbereich - Recht interessant). Dadurch bewahrte die CDU zwar ihre Kenia-Koalition mit SPD und Grünen. In der Sache wirkte es aber wie ein Veto aus Sachsen-Anhalt; die Beitragserhöhung war damit politisch gescheitert.
ARD, Deutschlandradio und ZDF wandten sich umgehend an das BVerfG, das ihrer Beschwerde nun stattgab. Die Sender argumentierten, die Entscheidung aus Sachsen-Anhalt verletze die Rundfunkfreiheit. Zu dieser gehöre ein Anspruch auf „funktionsgerechte Finanzierung“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das Gericht solle den Landtag verpflichten, der Beitragserhöhung doch noch zuzustimmen.
Die Karlsruher Richterinnen und Richter lehnten zwar einen Eilentscheid ab, da keine schweren unabwendbaren Nachteile zu erkennen wären, gaben aber nun recht schnell der Verfassungsbeschwerde statt. Wie der Erste Senat entschied, hat Sachsen-Anhalt den verfassungsmäßigen Anspruch der öffentlich-rechtlichen Sender auf „funktionsgerechte Finanzierung“ verletzt. Denn, so die Ausführung, das Land habe die Beitragserhöhung „ohne tragfähige Begründung“ blockiert.
Zu Beginn nutzte der Senat den Beschluss, um erneut die Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu bekräftigen. Dieser sei angesichts der großen und weiter steigenden Meinungsvielfalt im Internet nicht überflüssig geworden, sondern im Gegenteil wichtiger denn je. Angesichts von einseitigen „Filterblasen“, „Deep Fakes“ und „Fake News“ im Netz sei qualitativ hochwertiger Journalismus als „vielfaltsicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht“ absolut notwendig.
Die Richterinnen und Richter bestätigten auch das in früheren Urteilen von 1994 (Urteil vom 22.02.1994, Az.: 1 BvL 30/88) und 2007 (Urteil vom 11.09.2007, Az.: 1 BvR 2270/05) vorgegebene, dreistufige Verfahren für Beitragserhöhungen: Nach Anmeldung des Bedarfs durch die Sender wird dieser durch die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) geprüft. Diese KEF-Empfehlung ist dann Grundlage für die eigentliche Entscheidung durch die Länder. Hierbei dürfen die Länder zwar von der KEF-Empfehlung abweichen, so der Beschluss. Zulässig seien dabei aber nur sozialpolitische Argumente, etwa eine drohende Überforderung der Beitragszahler. Kritik an Programminhalten oder Senderstrukturen dürfe bei der Beitragsfestsetzung jedoch keinerlei Rolle spielen. Die Sender seien so zu finanzieren, wie sie derzeit rechtlich vorgesehen sind.
Dies ist ein deutlicher Fingerzeig Richtung Magdeburg, wo zurzeit der Koalitionsvertrag für eine neue CDU-SPD-FDP-„Deutschland“-Koalition ausgehandelt wird. Der Koalitionsvertrag sieht derzeit vor, dass Sachsen-Anhalt künftigen Beitragserhöhungen nur zustimmen werde, wenn es „strukturelle Reformen“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gebe; etwa die Zusammenlegung paralleler Klassik- und Jugendwellen oder an die Integration von Radio Bremen und Saarländischem Rundfunk in größere Sendeanstalten. Derartige Bestrebungen hat Karlsruhe nun als eindeutig unzulässig eingestuft. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darf somit nicht als Druckmittel benutzt werden, um rundfunkpolitische Forderungen durchzusetzen.
Des Weiteren stellte der Senat fest, dass nur alle Länder gemeinsam von der KEF-Empfehlung abweichen können. Falls nur einzelne Länder sozialpolitische Einwände haben, müssten diese dennoch zustimmen, wenn sie nicht die Gesamtheit aller Länder überzeugen können. Es gäbe eine „föderale Verantwortungsgemeinschaft“ für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Verbunden ist der Beschluss mit einer Vollstreckungsanordnung gem. § 35 BVerfGG, d.h. die Richterinnen und Richter erhöhten den Rundfunkbeitrag nun selbst ab dem 20.07. 2021 (Zeitpunkt der internen Schlussabstimmung des Senats) auf die geplanten 18.36 Euro. Diese Zwischenregelung wird nun gelten, bis die Länder per Staatsvertrag einen neuen Beitrag festsetzen.