Dem Beschluss des BGH (v. 18.03.2015 – VIII ZR 176/14, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de = BeckRS 2015, 07407 [beck-online]) lag folgender (vereinfachter) Sachverhalt zugrunde:
Der K erwarb von der B am 3.05.2011 für 15.000 € einen Fuchswallach der Rasse Quarter Horse. Mit Anwaltsschreiben vom 2.08.2012 erklärte der K den Rücktritt vom Kaufvertrag unter Berufung darauf, dass das Pferd an einer unheilbaren "Kissing Spines"-Erkrankung leide, die bereits bei Übergabe vorhanden gewesen sei.
Der K hatte der B im Vorfeld der Rücktrittserklärung gesagt, dass das Tier ihm zu gefährlich sei und er fürchte um die Gesundheit seiner Lebensgefährtin. Des Weiteren erklärte er wörtlich oder wortähnlich: „Entweder wird das Pferd ausgetauscht oder wir gehen rechtlich gegen Euch vor."
Hat der K gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises?
Anmerkung: Die Angaben der K sind als wahr zu unterstellen. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass K und B bei Vertragsschluss vereinbart haben, dass das Pferd zum Turnierreiten eingesetzt wird und dass dies augrund der "Kissing Spines"-Erkrankung nun nicht möglich ist. Das Tier wurde auch gerade für eine bestimmte Turnierrichtung angeschafft.
Falllösung:
K könnte gegen B ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 15.000 € nach wirksam erklärtem Rücktritt gemäß §§ 346 Abs. 1 i.V.m. 349, 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 Abs. 1 BGB Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pferdes haben.
I. Wirksamer Kaufvertrag
Hier haben K und B am 3.05.2011 einen wirksamen Kaufvertrag über einen Fuchswallach der Rasse Quarter Horse für 15.000 € geschlossen gemäß § 433 Abs. 1 BGB.
II. Mangel bei Übergabe
Das Pferd müsste auch einen Mangel bei Übergabe gemäß §§ 434, 90a i.V.m. 446 BGB gehabt haben. Gemäß § 90a S. 3 BGB finden auf Tiere grundsätzlich die für Sachen geltenden Vorschriften Anwendung, obwohl es sich nicht um Sachen handelt (§ 90a S. 1 BGB).
Gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Das Pferd hat hier eine "Kissing Spines"-Erkrankung, die auch bereits bei Übergabe vorhanden gewesen ist. Mit einer solchen Erkrankung ist ein Turnierreiten auch nicht möglich, wofür aber das Pferd nach dem Willen von K und B gerade bestimmt war. Mithin ist ein Mangel bei Gefahrübergang gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB gegeben.
III. Erfordernis einer Fristsetzung?
Aufgrund des Vorrangs der Nacherfüllung kann der Käufer nicht sofort wegen des Mangels zurücktreten. Vielmehr müsste K auch eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben gemäß § 323 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Dies gilt grundsätzlich auch beim Tierkauf.
1. Entbehrlichkeit einer Fristsetzung (§ 326 Abs. 5 BGB)
Fraglich ist aber zunächst, ob die Fristsetzung gemäß § 326 Abs. 5 BGB entbehrlich war. Dies ist der Fall, wenn Unmöglichkeit der Nacherfüllung gemäß § 275 Abs. 1 bis 3 BGB gegeben ist. Da das Pferd an einem unbehebbaren Mangel leidet, ist jedenfalls die Nachbesserung unmöglich. Fraglich ist aber, ob auch die Nachlieferung unmöglich ist. Hier lässt sich nicht erkennen, dass die Lieferung eines anderen gesunden Pferdes wegen einer bereits entstandenen Bindung an das streitgegenständliche Tier nicht in Betracht gekommen wäre. Aus den Ausführungen der K ergibt sich auch, dass seine Kaufentscheidung schwerpunktmäßig auf objektiven Gesichtspunkten – der Eignung für eine Turnierrichtung – beruht hat. Gerade in einem solchen Fall, in welchem in erster Linie objektive Qualitätsanforderungen ausschlaggebend sind, kommt eine Ersatzlieferung vielmehr ernsthaft in Betracht. Dass der B eine Nacherfüllung durch Lieferung eines Ersatzpferdes nicht möglich gewesen wäre, wurde nicht dargelegt. Somit ist eine Nachlieferung nicht unmöglich und eine Fristsetzung damit nicht entbehrlich.
2. Ordnungsgemäße Fristsetzung?
Fraglich ist aber, ob eine ordnungsgemäße Fristsetzung durch K erfolgt ist. Hier könnte daran gezweifelt werden, ob die Aussage des K, entweder werde das Pferd ausgetauscht oder er werde rechtlich vorgehen, für eine Fristsetzung genügt, da dieser keinen konkreten Termin genannt hat.
Im Ergebnis bejahte der BGH dies jedoch mit folgender Begründung:
„Für eine Fristsetzung im Sinne der vorgenannten Vorschriften genügt es, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht. Der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedarf es nicht. Weder lässt sich dem Begriff der Fristsetzung entnehmen, dass die maßgebliche Zeitspanne nach dem Kalender bestimmt sein muss oder in konkreten Zeiteinheiten anzugeben ist, noch erfordert es der Zweck der Fristsetzung gemäß § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1 oder nach § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 BGB, dass der Gläubiger für die Nacherfüllung einen bestimmten Zeitraum oder einen genauen (End-)Termin angibt. Dem Schuldner soll mit der Fristsetzung vor Augen geführt werden, dass er die Leistung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken kann, sondern dass ihm hierfür eine zeitliche Grenze gesetzt ist. Dieser Zweck wird durch eine Aufforderung, sofort, unverzüglich oder umgehend zu leisten, hinreichend erfüllt (BGH, NJW 2009, 3153 Rn. 10 f.).
Daran gemessen hat das Berufungsgericht, [...] das Vorbringen de[s] Kläger[s] [...] nicht hinreichend erfasst, [er habe] [... ] nicht nur gesagt, das Tier sei ihm zu gefährlich und er fürchte um die Gesundheit seiner Lebensgefährtin, sondern habe auch wörtlich oder wortähnlich erklärt: "Entweder wird das Pferd ausgetauscht oder wir gehen rechtlich gegen Euch vor."
Diese Äußerung trägt den Anforderungen an eine Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 1 Satz 1, § 323 Abs. 1 BGB Rechnung. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen besorgen, dass es eine ordnungsgemäße Nacherfüllungsaufforderung von der Nennung eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins abhängig machen will. Dessen bedarf es jedoch nicht. Bereits in dem Verlangen, das Pferd "auszutauschen", verbunden mit der die Ernsthaftigkeit der Erklärung verdeutlichenden Warnung, andernfalls rechtliche Schritte zu ergreifen, liegt bei verständiger Würdigung unmissverständlich die Aufforderung, umgehend Abhilfe durch Übergabe eines gesunden Pferdes zu schaffen. [...].“
Mithin ist eine ordnungsgemäße Fristsetzung erfolgt.
IV. Rücktrittserklärung (§ 349 BGB)
K hat auch gegenüber B mit schreiben vom 2.08.2012 den Rücktritt erklärt (§ 349 BGB).
V. Rechtsfolge (§ 346 Abs. 1 BGB)
Da die Voraussetzungen des Rücktritts gegeben sind, sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben, also auch den gezahlten Kaufpreis.
VI. Ergebnis
Mithin hat K gegen B ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 15.000 € gemäß §§ 346 Abs. 1 i.V.m. 349, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 440 BGB Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pferdes.
Anmerkung: Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie auch in unseren ExO`s und im GuKO ZR. Eine Leseprobe aus unserem Skript finden Sie hier: http://www.juracademy.de/web/skript.php?id=37302.