Sachverhalt
Die Klägerin betrieb eine als Kellerlokal beschriebene Gaststätte, für welche sie erstmals am 5. Dezember 1988 eine Baugenehmigung erhalten hatte. Diese hatte eine Nutzung im Umfang von maximal 40 Sitzplätzen gestattet.
Am 23. September 2010 war der Klägerin durch eine zweite Baugenehmigung der Umbau und die Instandsetzung der Gaststätte gestattet worden.
Eine gaststättenrechtliche Genehmigung vom 5. Mai 2011 gestattete der Klägerin schließlich den Betrieb einer „Schankwirtschaft mit regelmäßigen Musikaufführungen.“
In der Folgezeigt erschienen verschiedene Zeitungsartikel, die über rauschende Partys im Kellerlokal berichteten, welche zum Teil von über 100 Gästen besucht wurden. Daraufhin erließ die Bauaufsicht gegenüber der Klägerin einen Bescheid, welcher der Klägerin die Nutzung des Lokals durch mehr als 50 Personen untersagte.
Gegen diese Nutzungsuntersagung ging die Klägerin gerichtlich vor. Das VG Trier wies die Klage als unbegründet ab.
Daraufhin erhob die Klägerin einen Antrag auf Zulassung zur Berufung nach § 124a Abs. 4 VwGO. Über diesen hatte das OVG Rheinland-Pfalz zu entscheiden.
Entscheidung des Gerichts
Das OVG Rheinland-Pfalz lehnte den Antrag der Klägerin auf Zulassung zur Berufung ab, da keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 VwGO vorlag.
1. Keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des VG (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO)
Zunächst untersuchte das OVG, ob ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des VG Trier bestanden. Damit läge der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vor.
Das VG Trier hatte in seinem erstinstanzlichen Urteil festgestellt, die angegriffene bauordnungsrechtliche Nutzungsuntersagung sei rechtmäßig. Die im Lokal zulässige Personenzahl hatte auf 50 begrenzt werden dürfen, weil die Nutzung formal illegal erfolgte.
Zwar verfügte die Klägerin über eine gaststättenrechtliche Erlaubnis i.S.d. § 2 Abs. 1 GastG, welche den Betrieb einer „Schankwirtschaft mit regelmäßigen Musikaufführungen“ gestattete. Das ändere aber nichts daran, dass bauordnungsrechtlich lediglich die Nutzung der Räumlichkeiten als Gaststätte genehmigt worden war.
Die tatsächlich ausgeübte Nutzung weiche aber von dieser baurechtlich genehmigten Nutzung als Gaststätte ab. Tatsächlich werde das Kellerlokal als Diskothek betrieben. Zu dieser Überzeugung gelangte das VG Trier, nachdem es den Internetauftritt des Lokals bei Facebook genauer untersucht hatte. Danach sprächen die dort gewählte Bezeichnung als „Club“, die verfügbaren Veranstaltungshinweise und „Lichtbilder, die typische Szenen eines Diskothekenbetriebs zeigten“ für die Einordnung als Diskothek. „Bestätigt werde dies dadurch, dass eine Küche nicht betrieben werde und Eintrittspreise erhoben würden.“
An den Betrieb einer Diskothek, welche eine „Vergnügungsstätte“ i.S.d. BauNVO darstelle, seien aber andere öffentlich-rechtliche Anforderungen zu stellen als an den Betrieb einer gewöhnlichen Gaststätte, welche nach den Vorschriften der BauNVO als „Schank- und Speisewirtschaft“ zu beurteilen sei. Die Diskothekennutzung habe Auswirkungen auf die Umgebung, die sich von den Anforderungen einer Gaststätte unterschieden und einer besonderen Beurteilung bei Erteilung der Genehmigung bedürften.
Das VG Trier hatte daraufhin angenommen, die Nutzung des Kellerlokals als Diskothek erfolge mangels einer entsprechenden, diese Nutzung abdeckenden Baugenehmigung formell illegal. Die Untersagungsverfügung sei auch nicht ermessensfehlerhaft ergangen: Weil eine bauordnungsrechtliche Genehmigung nicht bereits ganz offensichtlich erteilt werden müsse, sei die Nutzungsuntersagung verhältnismäßig. Insbesondere sei die Verfügbarkeit der „erforderlichen Stellplätze […] bislang nicht nachgewiesen, überdies bestünden Probleme zum Beispiel bezüglich des Brandschutzes.“
Einschätzung des OVG:
Dieser Einschätzung schloss sich das OVG an.
Insbesondere lehnte es das Argument der Klägerin ab, wonach die regelmäßig stattfindenden Musikaufführungen lediglich zu einer „Nutzungsintensivierung innerhalb der durch Baugenehmigungen legalisierten Nutzung als Gaststätte“ geführt hätten. Vielmehr sei eine musikalische Untermalung gerade „wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen einer Schank- und Speisegaststätte und einer Vergnügungsstätte.“ Der Betrieb einer Diskothek unterscheide sich daher seiner Natur nach grundlegend vom Betrieb einer Gaststätte.
Das werde etwa daran deutlich, dass Gaststätten regelmäßig über eine bestimmte Zahl von Sitzplätzen verfügen und in Abhängig davon auch die Zahl der zu Verfügung zu stellenden Kfz-Stellplätze festgesetzt wird.
Eine Diskothek werde aber typischerweise daneben auch durch eine Vielzahl von Gästen ohne Sitzplatz genutzt. Hier bezog sich das Gericht auf Berichte lokaler Zeitungen, wonach das in Frage stehende Kellerlokal der Klägerin sogar mehr als 200 Besucher gehabt habe.
Es sei schon vor diesem Hintergrund nicht von einer Intensivierung der Nutzung, sondern von einer Nutzungsänderung auszugehen. Die Musikaufführungen führten demnach zu einer „Umnutzung des Gebäudes zur Diskothek,“ welche „neben der gaststättenrechtlichen Genehmigung auch der Genehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde mit je eigenen Prüfungspflichten“ bedurft hätte. Der Betrieb des Kellerlokals als Diskothek sei mithin formell illegal erfolgt.
Anschließend prüfte das OVG Rheinland-Pfalz, ob die bauordnungsrechtliche Anordnung nicht ermessensfehlerhaft war. Ein Ermessensfehler läge vor, wenn die Nutzungsuntersagung mangels Erforderlichkeit als unverhältnismäßig zu beurteilen wäre. Dies wäre zu bejahen, wenn der Betrieb der Disko im Kellerlokal offensichtlich genehmigungsfähig gewesen wäre und die Erteilung der entsprechenden Baugenehmigung das mildere Mittel dargestellt hätte.
Das OVG stellte aber fest, dass eine solche offenkundige Genehmigungsfähigkeit nicht vorlag. Dies scheide schon aus dem Grund aus, dass die Klägerin die erforderliche Mehrzahl an Stellplätzen nicht nachgewiesen habe. „Selbst wenn die Erteilung der Baugenehmigung letztlich nicht ausgeschlossen [sei], durfte die Beklagte die Nutzungsbeschränkung aussprechen, da eine baldige Genehmigung nicht absehbar ist und der Klägerin durch weitere Duldung der nicht genehmigten Nutzung ein wettbewerbswidriger Vorteil gegenüber gesetzestreuen Konkurrenten gewährt würde, die vor der Aufnahme einer Nutzung die erforderlichen Genehmigungen einholen.“
Schließlich untersuchte das OVG Rheinland-Pfalz, ob die Nutzungsbeschränkung auf 50 Personen angemessen war. Da die Begrenzung der zulässigen Besucherzahl an der Zahl der bauordnungsrechtlich genehmigten Sitzplätze orientiert war, war die Anordnung verhältnismäßig.
2. Keine rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO)
Im Anschluss untersuchte das OVG, ob die Rechtssache rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten aufwies, wodurch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vorläge.
Die Klägerin hatte es als besondere tatsächliche Schwierigkeit gewertet, dass nicht geklärt sei, in welcher Nutzungsform sie das Kellerlokal betreibt. Dies lehnte das OVG aber ab, da sich aus der Untersuchung des Facebook-Auftritts mit hinreichender Klarheit ergebe, dass es sich um eine Diskothek handele.
3. Ergebnis
Mangels Vorliegen eines Zulassungsgrunds nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 VwGO wies das OVG Rheinland-Pfalz den von der Klägerin erhobenen Antrag auf Zulassung zur Berufung als unbegründet ab.
Bedeutung für ExamenskandidatInnen
Anhand dieses Urteils lassen sich die Voraussetzungen einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung wiederholen. Neben der formellen oder materiellen Baurechtswidrigkeit der Nutzung ist die Verhältnismäßigkeit der Anordnung zu prüfen.
Auch wird von ExamenskandidatInnen– v.a. im Rahmen der mündlichen Prüfung – erwartet, dass sie das Verhältnis unterschiedlicher verwaltungsrechtlicher Genehmigungspflichten kennen.
Schließlich eignet sich dieses Urteil gut dazu, den für das Berufungsverfahren nach §§ 124 ff VwGO zu wählenden Prüfungsaufbau zu wiederholen.