Wie schon dem Begriff zu entnehmen ist, werden bei der tatbestandlichen Handlungseinheit auf der Ebene des Tatbestandes mehrere Handlungen zu einer Einheit = Tat zusammengefasst. Es gibt also im Ergebnis nur eine einzige Tat. Damit stellt sich die Frage nach der Konkurrenz nicht, da eine Konkurrenz immer voraussetzt, dass 2 Taten miteinander konkurrieren.
Einige Delikte setzen schon vom Wortlaut her voraus, dass mehrere Handlungen innerhalb des Tatbestands zusammengefasst werden. So setzt sich der Raub gem. § 249 StGB zum einen aus der Wegnahmehandlung und zum anderen aus der Nötigungshandlung (Gewalt oder Drohung) zusammen (zweiaktiges Delikt).
Bei der Urkundenfälschung liegt nach h.M. nur eine Tat gem. § 267 StGB vor, wenn der Täter eine unechte Urkunde herstellt bzw. eine echte Urkunde verfälscht und diese dann später gebraucht, sofern er zum Zeitpunkt des Herstellens / Verfälschens bereits Vorsatz hatte, diese später entsprechend zu gebrauchen. Dies gilt selbst dann, wenn der Täter die von ihm hergestellte, unechte Urkunde mehrfach gebraucht.
Expertentipp
In einer Klausur machen Sie das deutlich, indem Sie im Obersatz die infrage kommenden Varianten benennen und alsdann auch die jeweiligen Tathandlungen aufführen, also z.B. „Der Täter könnte sich wegen Urkundefälschung gem. 267 I Var. 1 und 3 StGB strafbar gemacht haben, indem er das Kennzeichen an seinem Fahrzeug anbrachte und danach an 3 Tagen dieses Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr bewegte.“
So hat der BGH (NStZ 2022, 227) in einem Fall, in welchem der Täter ein zu einem anderen Fahrzeug gehörendes Kennzeichen an seinem Fahrzeug angebracht hat (= Herstellen einer unechten zusammengesetzten Urkunde) und danach mehrfach im öffentlichen Straßenverkehr gefahren ist (= Gebrauchen dieser Urkunde), nur auf eine Urkundenfälschung gem. § 267 I Var. 1 und 3 StGB erkannt.
Hinweis
Begeht der Täter während dieser einen Urkundenfälschung auch noch andere Straftaten, so kann § 267 StGB sämtliche Taten auf Ebene der Konkurrenzen zu einer Handlungseinheit gem. § 52 StGB verklammern. Das hat der BGH (NStZ 2022, 480) in einem Fall angenommen, bei welchem der Täter unter Vorlage gefälschter Fahrzeugdokumente und Nummernschilder ein gestohlenes Auto an 2 verschiedenen Tagen unterschiedlichen Käufern angeboten hat. Der neben der Urkundefälschung verwirklichte Betrug gem. § 263 StGB in 2 Fällen wird zusammen mit der Urkundenfälschung zu einer Tateinheit gem. § 52 StGB verklammert. Voraussetzung der Verklammerung ist, "dass dass die Ausführungshandlungen zweier an sich selbständiger Delikte zwar nicht miteinander, wohl aber mit der Ausführungshandlung eines dritten Tatbestandes (teil-)identisch sind und zwischen wenigstens einem der beiden an sich selbständigen Delikte und dem sie verbindenden Delikt zumindest annähernde Wertgleichheit besteht oder die verklammernde Tat die schwerste ist....Als Maßstab hierfür dient die Abstufung der einzelnen Delikte nach ihrem Unrechtsgehalt unter Orientierung an den Strafrahmen, wobei der Wertevergleich nicht nach einer abstrakt-generalisierenden Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen ist."
Problematischer wird es, wenn der Täter denselben Erfolg mit mehreren unmittelbar aufeinanderfolgenden Tathandlungen (Handlungskomplex) herbeiführt. Hier könnte es sich um mehrere Taten handeln, die zueinander in Tateinheit (juristische Handlungseinheit) stehen oder nur um eine einzige Tatbestandsverwirklichung.
Teilweise hilft auch hier der Gesetzeswortlaut, wenn pauschalisierende Handlungsbeschreibungen verwandt werden: so sind mehrere Schläge nur eine Beteiligung an einer Schlägerei gem. § 231 StGB und verschiedene Nachstellungshandlungen sind nur einmal § 238 I StGB, da der Täter hier „wiederholt“ vorgehen muss. (Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, vor §§ 52 Rn. 16)
Auch bei einem "Quälen" gem. § 225 I StGB werden mehrere Handlungen zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst, da das "Quälen" tatbestandlich das Verursachen länger dauernder oder sich wiederholender Schmerzen oder Leiden voraussetzt (BGH BeckRS 2022, 20244). Verwirklicht der Täter beim Quälen seines Opfers zugleich das Tatbestandsmerkmal des "rohen Misshandelns", dann wird auch diese Handlung zusammen mit den quälenden Handlungen zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst (BGH BeckRS 2022, 20244). Voraussetzung der tatbestandlichen Handlungseinheit ist aber stets, dass ein einheitlicher, sie verbindender Vorsatz vorliegt und keine relevante zeitliche oder örtliche Zäsur angenommen werden kann.
Im einzelnen muss durch Auslegung ermittelt werden, ob der Tatbestand auch durch einen Handlungskomplex (einmal) verwirklicht werden kann. Das gilt vor allem, wenn der Täter durch mehrere Einzelhandlungen einen einheitlichen Deliktserfolg herbeiführt, von denen jede an sich den Tatbestand erfüllt, die jedoch als Teilstücke eines einheitlichen Ganzen erscheinen (quantitative Steigerung von Unrecht und Schuld) und daher zu einer rechtlichen Einheit zusammengefasst sind (Bewertungseinheit). (Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, vor §§ 52 Rn. 17)
Zu unterscheiden ist die iterative (=wiederholte) und die sukzessive (=fortlaufende) Tatbestandsverwirklichung.
So sind mehrere aufeinanderfolgende, von einem einheitlichen Vorsatz umfasste Schläge nur eine Körperverletzung gem. § 223 I StGB und mehrere Schimpfworte nur eine Beleidigung gem. § 185 StGB (iterative Tatbestandsverwirklichung). Würgt der Täter zunächst sein Opfer in Tötungsabsicht und wechselt er dann das Mittel, indem er auf das Opfer einsticht, so liegt nur eine (versuchte) Tötung vor sukzessive Tatbestandsverwirklichung).
Bei welchen Delikten eine Bewertungseinheit in Betracht kommt und welche Anforderungen dann konkret an sie zu stellen sind, kann nur anhand von Rechtsgut und Deliktscharakter der jeweiligen Vorschrift entwickelt werden (näher dazu Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, vor §§ 52 Rn. 16ff)