Besondere Fragen der Goa
In vielen Konstellationen stellt sich die Frage, ob die Geschäftsführung ohne Auftrag überhaupt Anwendung finden kann. Einige dieser Fallgruppen können auch in der Fremdheit bzw. im Rahmen des Fremdgeschäftsführungswillens geprüft werden. Die Fallgruppen haben häufig eine Gemeinsamkeit: die Geschäftsführung ohne Auftrag darf und soll als allgemeines Instrument besondere Regelungsgebiete nicht umgehen.
1 Die Geschäftsführung ohne Auftrag darf unter anderem keine vertraglichen Grundsätze umgehen. Folgende typische Probleme sollten für die Klausur bekannt sein:
a) P!: Pflichtgebundener Geschäftsführer
Die Rechtsprechung verneint hier die Anwendbarkeit der Geschäftsführung ohne Auftrag, da die Entgeltfrage schon abschließend vertraglich geregelt ist. In der Literatur wird teilweise die Fremdheit und teilweise der Fremdgeschäftsführungswille verneint.
b) P!: Aufwendungen zur Selbsthilfe
Insoweit die Parteien durch ein besonderes vertragliches Verhältnis verbunden sind und besondere Vorschriften für den Aufwendungsersatz (Gewährleistungsrechte) existieren, ist die Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag grundsätzlich ausgeschlossen.
c) P! Freiwillige Leistungen
Erbringt eine Person freiwillige Leistungen, um einen späteren Vertragsschluss zu begünstigen und macht sie hierfür Aufwendungen, so können diese mit Blick auf die Vertragsordnung grundsätzlich nicht über die Geschäftsführung ohne Auftrag geltend gemacht werden. Die Vertragsordnung sieht vor, dass ohne rechtsverbindlichen Vertrag gerade kein Entgelt bzw. Aufwendungsersatz geschuldet wird (Erbensucherfall u.a.).
d) P! § 241a
Die Wertung aus § 241a darf ebenfalls nicht durch die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag umgangen werden.
2 Auch gesetzliche Schuldverhältnisse dürfen durch die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht umgangen werden.
Hier sei insbesondere auf die sogenannten Selbstaufopferungsfälle hingewiesen. Besonders klausurrelevant ist hier die Selbstaufopferung im Straßenverkehr.
Hier gilt es den Grundsatz zu berücksichtigen, dass wer im Falle eines hypothetisch gedachten Unfalls die fremden Schäden hätte tragen müssen, erst recht die Unfallvermeidungskosten tragen muss. Daher muss in der Klausur im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag eine Inzidentprüfung aller deliktischen Ansprüche erfolgen.
3 Häufig ergeben sich auch Probleme beim Zusammentreffen von Geschäftsführung ohne Auftrag und einer Handlung aus öffentlich rechtlicher Verpflichtung.
Die Geschäftsführung ohne Auftrag ist in diesen Fällen nicht generell unanwendbar. Allerdings kommt die Anwendung dann nicht in Betracht, wenn die öffentlich rechtlichen Vorschriften abschließend sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Vorschriften die streitgegenständliche Geschäftsbesorgung abschließend bzw. ausschließlich der öffentlichen Hand zuordnen. So beispielsweise dann, wenn die Polizei einen Raser durch Ausübung unmittelbaren Zwangs zum Anhalten bringt.
4 Bei Zahlung auf fremde Schulden ist die Anwendbarkeit der Geschäftsführung ohne Auftrag insbesondere vom Willen des Geschäftsherrn abhängig.
Grundsätzlich kann die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag in solchen Fällen angenommen werden. Problematisch ist die Anwendbarkeit jedoch dann, wenn der andere Teil mit dem Gläubigerwechsel nicht einverstanden ist, dies insbesondere dann, wenn ihm durch den Gläubigerwechsel etwaige Einreden abgeschnitten werden. In diesen Fällen muss in der Klausur besonders aufgefasst werden.
5 Fälle des Appellsuizids
Die Anwendbarkeit der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ist auch im Fall des Suizids problematisch. Auch hier ist der Wille des Geschäftsherrn besonders problematisch. Durch seine Handlung bringt der Geschäftsherr zum Ausdruck sterben zu wollen. Der ausdrückliche Wille ist im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag - als vertragsähnliches Schuldverhältnis - grundsätzlich maßgeblich. Eine Korrektur kann hier nur durch einen Kunstgriff erfolgen.
So werden hier verschiedene Lösungsansätze vertreten. Teilweise wird mit § 679 argumentiert oder die Geschäftsfähigkeit - und damit die Fähigkeit einen wirklichen Willen verbindlich zu äußern – hinterfragt. Auch wird teilweise eine Korrektur nach den §§ 134, 138 bzw. § 242 vorgenommen. Alle diese Ansatzpunkte haben ihre Schwächen. Dennoch ist dies der wohl vorzugswürdige, wenn auch nicht zwingende Lösungsweg in der Klausur. Insbesondere dann, wenn im Rahmen der Rechtsfolge noch besondere Probleme angelegt sind. So zum Beispiel die Frage nach der Ersatzfähigkeit der Arbeitszeit.