I Einleitung
Hat man es in künftigen Klausuren mit dem Kauf von Waren zu tun, bei der auch digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen angeboten werden, muss sauber differenziert werden. Nach den Neuregelungen im Gesetz kommen verschiedene Mängelbegriffe in Betracht. Hier muss der Anwendungsbereich der jeweiligen Vorschriften – so §§ 434, 475b, 475c, 327e ff. – sauber voneinander abgegrenzt werden.
Vorliegend wollen wir uns mit § 434 – insbesondere Abs. 2 – beschäftigen.
II Mangelkategorien nach § 434 I
Zunächst stellt § 434 Abs. 1 klar:
„Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.“
Dabei gibt die Vorschrift selbst kein Rangverhältnis der einzelnen Mangelkategorien vor. Es gilt damit formal der Gleichrang der Mangelkategorien.
III Subjektiver Mangelbegriff nach § 434 Abs. 2
Wie bereits aus § 434 Abs. 1 Satz 1 a.F. bekannt, stellt § 434 Abs. 2 n.F. u.a. auch auf die vereinbarte Beschaffenheit ab.
„Die Sache entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn sie
- die vereinbarte Beschaffenheit hat,
- sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und
- mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird.“
1 Vereinbarte Beschaffenheit nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift konkretisiert dabei die Beschaffenheit nach Satz 1 Nummer 1. Zur Beschaffenheit im Sinne von Abs. 2 Nummer 1
„gehören Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale der Sache, für die die Parteien Anforderungen vereinbart haben.“
Hinweis
Die Aufzählung ist nicht abschließend. Die Parteien können ausdrücklich oder konkludent auch andere Eigenschaften vereinbaren.
Bei der Definition der ausdrücklich genannten Begriffe aus Abs. 2 Satz 2 gilt es zu berücksichtigen, dass die in § 327e II 2 – 4 enthaltenen Definitionen stets mit gewisser Zurückhaltung zur Anwendung zu bringen sind. Dies liegt daran, dass beide Vorschriften verschiedenen Richtlinien entstammen. § 434 beruht auf der „Warenkaufrichtlinie“ (WKRL) und § 327e auf der „Digitale-Inhalte-Richtlinie“ (DIRL). Dabei enthält die WKRL in Art. 2 eigene Definitionen für die in der auf der WKRL basierenden Vorschrift enthaltenen Begriffe.
Hinweis
Artikel 2 der WKRL enthält in seinen Nrn. 1-15 sehr viele wichtige Begriffsdefinitionen. Insoweit lohnt ein Blick in den Artikel auch über die hier behandelten Inhalte hinaus.
Nr. 8
„Kompatibilität“: Die Fähigkeit der Waren, mit der Hardware oder Software zu funktionieren, mit der Waren derselben Art in der Regel benutzt werden, ohne dass die Waren, die Hardware oder die Software verändert werden müssen;“
Nr. 9
„Funktionalität“: Die Fähigkeit der Waren, ihre Funktionen ihrem Zweck entsprechend zu erfüllen;
Nr. 10
„Interoperabilität“: Die Fähigkeit der Waren, mit einer anderen Hardware oder Software zu funktionieren als derjenigen, mit den Waren derselben Art in der Regel benutzt werden;
Nach bisheriger herrschender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur war mit Blick auf die Privatautonomie ein sehr weiter Begriff der Beschaffenheit anzulegen. Der sogenannte enge Beschaffenheitsbegriff wurde nach der Schuldrechtsreform 2002 (überwiegend) aufgegeben und ein weiter Beschaffenheitsbegriff angelegt. Demnach ändert sich durch die (Neu-)Regelung insoweit nichts. Vielmehr ergibt sich nun unmittelbar aus dem Gesetz (siehe Abs. 2 S.2), dass der – vereinzelt in der Rechtsprechung noch fehlerhaft vertretene (vgl. insoweit zuletzt das Urteil des OLG München welches durch Urteil des BGH vom 15.6.2016 VIII ZR 134/15 entsprechend korrigiert wurde) – enge Beschaffenheitsbegriff nun Geschichte ist (so auch BT-Drs. 19/27424 S. 23.).
2 Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
Die neue Regelung bringt eine Neuerung im Hinblick auf das Verhältnis zwischen der Beschaffenheitsvereinbarung und der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung. Nach der früheren Rechtslage wurde auf § 434 I 1 Nr. 1 a.F. nur dann abgestellt, wenn keine bestimmte Beschaffenheit vereinbart worden ist.
Wie sich aus der Formulierung in § 434 Abs. 1 ergibt, stehen die jeweiligen Mangelkategorien im Verhältnis der formalen Gleichordnung. Damit kann ein Mangel auch dann vorliegen, wenn die Sache die Anforderungen an die vereinbarte Beschaffenheit erfüllt, jedoch nicht für den vereinbarten Zweck geeignet ist.
Zu klären bleibt sodann noch welche Anforderungen an die Vereinbarung einer bestimmten Verwendung zu stellen sind. Im Hinblick auf den relevanten Zeitpunkt stellt Art. 6 lit. b WKRL klar, dass
„der Verbraucher dem Verkäufer spätestens bei Abschluss des Kaufvertrags zur Kenntnis gebracht und dem der Verkäufer zugestimmt hat.“
Sodann gilt es noch die bisher streitige Frage zu beantworten, ob es ausreicht, wenn die Parteien übereinstimmend eine bestimmte Verwendung unterstellen oder ob eine ausdrückliche Vereinbarung über die Verwendung erfolgen muss.
Es genügt für die Zustimmung, wenn der Verkäufer in Kenntnis der vom Käufer angestrebten Verwendung den Kaufvertrag abschließt, ohne dem Käufer mitzuteilen, dass die Kaufsache sich nicht für diese Verwendung eignet. Der Verkäufer gibt dadurch zu erkennen, dass er der ihm zur Kenntnis gebrachten Verwendung zustimmt (BT-Drs. 19/27424 S. 23).
3 Vereinbartes Zubehör und vereinbarte Anleitungen einschließlich Montage- und Installationsanleitungen gem. § 434 II 1 Nr. 3
Die Nummer 3 stellt sodann deutlich klar, dass auch ein Fehlen von vertraglich vereinbartem Zubehör oder vereinbarten Anleitungen einen Sachmangel begründet. Zu diesen Anleitungen gehören insbesondere Montageanleitungen und Installationsanleitungen. Damit entfallen früher vorhandene Unsicherheiten bei der Behandlung solcher Konflikte im Kaufrecht unter Zuordnung zu einer bestimmten Mangelkategorie.
Der Begriff der Installationsanleitungen bezieht sich hierbei auf digitale Elemente.
Beim Kauf von Waren mit digitalen Elementen im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs gilt es ergänzend insb. die Aktualisierungspflicht aus § 475b Abs. 2 zu berücksichtigen.