Es war ein vielbeachtetes Versprechen im Koalitionsvertrag: Der Konsum von Cannabis zu Genusszwecken und auch der eigene Anbau sollte legalisiert bzw. zumindest dekriminalisiert werden. Die Bundesregierung hat sich im Sommer auf die Eckpunkte zur Legalisierung von Cannabis geeinigt. Die bisher illegale Droge Cannabis soll unter bestimmten Bedingungen für den privaten Konsum legalisiert werden. Vorgesehen sind der legale Besitz und Konsum von Cannabis für Erwachsene. Ermöglicht werden der private Eigenanbau, der gemeinschaftliche nichtgewerbliche Eigenanbau und die kontrollierte Weitergabe von Cannabis durch Anbauvereinigungen. Mit dem Gesetzentwurf werde ein verantwortungsvoller Umgang mit Cannabis erleichtert, heißt es in der Vorlage der Bundesregierung. Das Gesetz zielt den Angaben zufolge darauf ab, zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, Aufklärung und Prävention zu stärken, den illegalen Markt für Cannabis einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu verbessern. Die aktuelle Entwicklung zeige, dass der Konsum von Cannabis trotz der bestehenden Verbotsregelungen weiter ansteige. Das vom Schwarzmarkt bezogene Cannabis sei oft mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden, da der Gehalt des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) unbekannt sei und giftige Beimengungen, Verunreinigungen sowie synthetische Cannabinoide enthalten sein könnten.
Die drei zentralen Ziele sind: Jugendliche besser schützen, den Konsum sicherer machen sowie Justiz und Polizei entlasten. Nach Ansicht der Bundesregierung stößt die bisherige Drogenpolitik zum Cannabiskonsum an ihre Grenzen. Denn trotz Verboten steigt der Konsum von Cannabis gerade bei jungen Menschen an. Cannabis vom Schwarzmarkt ist häufig mit Gesundheitsrisiken verbunden. Es kann verunreinigt sein und einen unbekannten THC-Gehalt enthalten, dessen Wirkstärke Konsumentinnen und Konsumenten nicht abschätzen können. Das Eckpunktepapier ist nach Beratungen mit der EU-Kommission entstanden. Daran mitgearbeitet haben die Ministerien der Justiz, dem Inneren, der Landwirtschaft und der Wirtschaft sowie das Auswärtige Amt. Federführend war das Bundesgesundheitsministerium. Mit dem Zwei-Säulen Modell CARe („Club Anbau & Regional-Modell“) soll nun mehr Sicherheit im Konsum von Cannabis erreicht werden. Kinder und Jugendliche sollen besser geschützt und der Schwarzmarkt zurückgedrängt werden. Ziel ist eine progressive präventionsorientierte Cannabispolitik.
Man wolle die kontrollierte Abgabe an Erwachsene und gleichzeitig den maximalen Schutz der Kinder und Jugendlichen, sagte Landwirtschaftsminister Özdemir. „Cannabis ist ein weit verbreitetes Genussmittel. Es wird in Deutschland oft illegal angeboten und genutzt. Damit gefährdet es häufig die Gesundheit,“ so Bundesgesundheitsminister Lauterbach. Daher müssten wir neue Wege in der Cannabis-Politik gehen.
In einem ersten Schritt sollen der Anbau in nicht-gewinnorientierten Vereinigungen und der private Eigenanbau bundesweit ermöglicht werden. Man wolle von Verboten wegkommen und die Möglichkeit bieten, sich legal mit Cannabis zu versorgen, so Lauterbach. In den Vereinen oder Clubs ist die Abgabe des geernteten Cannabis ausschließlich an Mitglieder erlaubt. Diese müssen volljährig sein. Pro Tag dürfen maximal 25 Gramm Cannabis, pro Monat 50 Gramm abgegeben werden. Die Abgabe an Heranwachsende von 18 bis 21 Jahren ist begrenzt auf eine Menge von 30 Gramm pro Monat. Die Vereinigung müssen zudem Auflagen zu Jugendschutz und Prävention erfüllen: Beispielsweise müssen sie Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte ernennen, die über nachgewiesene Sachkenntnisse verfügen. Auch sind die Vereine verpflichtet mit der lokalen Suchtpräventions- oder Beratungsstelle zusammenzuarbeiten.
An die Mitglieder darf neben dem geernteten Genusscannabis auch von der Vereinigung erzeugte Samen und Stecklinge für den Eigenanbau abgegeben werden. Pro Monat jedoch maximal sieben Samen oder fünf Stecklinge. Auch der private Eigenanbau soll nun legal werden. Allerdings sollen maximal drei Pflanzen zulässig sein.
In einem zweiten Schritt soll über fünf Jahre ein wissenschaftlich konzipiertes regionales Modellvorhaben umgesetzt werden. Dabei wird Unternehmen – in einem lizensierten und staatlich kontrollierten Rahmen – die Produktion, der Vertrieb und die Abgabe von Genusscannabis ermöglicht. Die Abgabe soll dabei lediglich an Erwachsene in Fachgeschäften erfolgen. Das Modell wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Die Auswirkungen einer kommerziellen Lieferkette auf den Gesundheits- und Jugendschutz sowie den Schwarzmarkt sollen dadurch genauer untersucht werden.
Für den Konsum soll es detaillierte Bestimmungen geben: In der Öffentlichkeit darf man seinen Joint nicht rauchen, wenn man weniger als 200 Meter Abstand zu Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Spielplätzen und öffentlichen Sportplätzen hat. Ebenso ist der Konsum in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr tabu. Um insbesondere Kinder und Jugendliche vor der Droge zu schützen, gilt ein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot für Konsumcannabis und Anbauvereinigungen. Geplant ist außerdem eine Stärkung der Prävention durch eine Aufklärungskampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) über die Wirkung und Risiken von Cannabis. Die Novelle soll nach vier Jahren auf ihre gesellschaftlichen Auswirkungen hin evaluiert werden. Es bleibt bei der Verschreibungspflicht für Medizinalcannabis.
Der nunmehr in 1. Lesung beratene Gesetzentwurf setzt die erste Säule um – zum privaten und gemeinschaftlichen, nicht-gewerblichen Eigenanbau für Erwachsene zum Eigenkonsum. In einem zweiten Schritt soll die Abgabe in lizensierten Fachgeschäften angegangen werden. Geplant ist dies im Rahmen eines Modellvorhabens, das wissenschaftlich konzipiert, regional begrenzt und zeitlich befristet sein soll. Der Bundestag hat am Mittwoch, 18. Oktober in 1. Lesung diesen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften beraten. Nach der Debatte im Plenum überwiesen die Abgeordneten die Initiative gemeinsam mit einem CDU/CSU-Antrag mit dem Titel „Cannabislegalisierung stoppen, Gesundheitsschutz verbessern – Aufklärung, Prävention und Forschung stärken“ und einem AfD-Antrag mit dem Titel „Die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken aufgeben und eine wissenschaftliche Nutzenbewertung von Medizinalcannabis analog zum Arzneimittelrecht einleiten“ in die Ausschüsse, wobei der Gesundheitsausschuss federführend sein wird.
Der Bundesrat hat die Bundesregierung zu Nachbesserungen beim Gesetzesentwurf zur Cannabis-Legalisierung aufgefordert. In der aktuellen Fassung sei „ein strukturelles Vollzugsdefizit“ bei der Kontrolle der Bestimmungen zu erwarten, heißt es in einer mehrheitlich verabschiedeten Stellungnahme der Länder. Diese fordern den Bund unter anderem auf, die Kontroll- und Vollzugsaufgaben so zu regeln, dass für sie kein zusätzlicher Personal- und Finanzbedarf entsteht. Verlangt werden zudem Maßnahmen der Verkehrsunfallprävention, die Festlegung von Standards für die Sicherung von Anbaueinrichtungen und gesetzlich vorgeschriebene Mindeststandards für die Erstellung von Gesundheits- und Jugendschutzkonzepten. Ausschank, Abgabe und Konsum alkoholischer Getränke soll in Anbauvereinigungen - den Cannabis-Clubs - untersagt werden. Die Länder wollen außerdem, dass die jugendschutzrelevanten Regelungen auf ihre Praxistauglichkeit und Umsetzbarkeit hin überprüft werden. Ebenfalls angemahnt wurde „die Schließung von Strafbarkeitslücken“. Keine Mehrheit fand hingegen das Vorbringen, das Cannabis-Gesetz für zustimmungsbedürftig zu erklären.
Kritik kam auch von der Polizei: Für Dirk Peglow, Chef des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, ist das Cannabisgesetz ein „Regelungsmonster“, dessen Umsetzung „in der Praxis kaum möglich sein wird“. Er erwartet besonders mit Blick auf die Abstandsregeln beim Konsum deutlich kompliziertere Kontrollen als bisher. Das Modell nach „Anzeige und fertig“ falle weg. „Künftig wird man dann erst einmal Abstandsmessungen vornehmen müssen.“ Das sei gerade in größeren Städten kompliziert – „übrigens auch für die Menschen, die Cannabis konsumieren“. Schwer vorstellbar, dass Polizisten mit Messgeräten kontrollieren, ob man nun 150 Meter oder 210 Meter von einer Schule entfernt steht.
Auch Rainer Wendt, Chef der deutschen Polizeigewerkschaft, hält die Regeln für praxisfern. Städte wie Berlin mit hunderten Schulen und Kitas müsste man laut ihm de facto „zur Cannabis-freien Zone erklären“. Hinzu kämen weitere Schwierigkeiten, etwa bei der Kontrolle der Freimengen bis 25 Gramm oder der Verbotszeiten in Fußgängerzonen. „Da tun sich völlig absurde Szenarien auf, und der Gesundheitsminister hat schlicht keine Ahnung davon, welche Kapazitäten die Polizei hat und wie wir das alles händeln wollen.“ Der Polizeichef fragt spöttisch: „Was haben die geraucht im Ministerium, als sie das aufgeschrieben haben?“ Die Bundesregierung verkenne, dass die Kontrolle durch Beamte erfolgen müsse, die schlicht nicht vorhanden seien. Kein Personal, keine Zeit. „Da wird eine Kontrolle als Vision an die Wand gemalt, die in Wahrheit nicht stattfindet.“ Auch Suchtmediziner warnen.