Am 21. April debattierte der Bundestag abschließend über die Neufassung des Infektionsschutzgesetz (IfSG). In namentlicher Abstimmung votierten 342 Abgeordnete für den Entwurf bei 250 Nein-Stimmen und 64 Enthaltungen. Im Vorfeld stimmten in zweiter Lesung CDU/CSU und SPD dem Entwurf zu, während FDP, AfD und Die Linke dagegen stimmten, Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich. Im Vorfeld standen auch zahlreiche Änderungsanträge zur Abstimmung, die jedoch allem abgelehnt wurden Die Linksfraktion forderte grundlegend in einem ihrer Anträge, dass die Maßnahmen nicht per Rechtsverordnung, sondern wegen der Wesentlichkeit der Entscheidungen vom Bundestag getroffen werden müssen. Die bereits geltenden Rechtsverordnungen müssten somit als Gesetzentwurf vorgelegt werden. Zudem fordert die Linksfraktion mehr Schnelltests und Selbsttests vor allem in Schulen und Kitas. Die Fraktion der Grünen forderte in ihrem Änderungsantrag, eine ebenfalls in dem Gesetzentwurf vorgesehene Änderung des Arbeitsschutzgesetzes zu verschärfen. Eine Angebotspflicht zum Testen reiche nicht aus, die Test müssten auch verpflichten durchgeführt werden. Die FDP reichte insgesamt sechs Änderungsanträge ein: Unter anderem wollte sie erreichen, dass nicht mehr einzig und allein der Inzidenzwert als Maßstab für die Maßnahmen gilt. Auch weitere Werte müssten hinzugezogen werden. Zudem beantragt sie eine gänzliche Streichung der Ausgangssperren und kündigte ansonsten Verfassungsbeschwerde an. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland verurteilte den Gesetzentwurf grundsätzlich scharf und bezeichnete ihn als Missachtung von Grundrechten.
Auch der Bundesrat hat das geänderte Infektionsschutzgesetz (IfSG) mit der Corona-Notbremse trotz massiver Kritik passieren lassen. Das vom Bundestag am Mittwoch beschlossene Gesetz ist ein Einspruchsgesetz, eine Zustimmung des Bundesrates war somit nicht nötig. Die Länderkammer hätte aber den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag anrufen und das Gesetz damit zeitlich noch etwas hinauszögern können. In einer Sondersitzung verzichtete die Länderkammer am Tag nach der Bundestagsdebatte jedoch darauf, den anzurufen. Eine förmliche Abstimmung fand nicht statt. Alle sechs Ministerpräsidenten, die sich in der Aussprache zu Wort meldeten, äußerten zwar erhebliche Bedenken. Sie verwiesen aber auf den weiter vorliegenden Handlungsbedarf und wollten das Verfahren daher nicht aufhalten. Die Ministerpräsidenten äußerten verfassungsrechtliche Bedenken und Probleme bei der praktischen Umsetzung. Bundesratspräsident Reiner Haseloff (CDU) kritisierte die Kompetenzverlagerung auf den Bund: „Der heutige Tag ist für mich ein Tiefpunkt in der föderalen Kultur der Bundesrepublik Deutschland“, sagte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Die Länderkammer berate über ein Gesetz, „dessen Entstehung, Ausgestaltung und Ergebnis unbefriedigend sind“. Der Bundesrat monierte zudem, der Bund habe die Erfahrungen der Länder in der Pandemiebekämpfung nicht berücksichtigt. Der saarländische Regierungschef Tobias Hans (CDU) betonte: „Ob diese Kompetenzverlagerung auf die Bundesebene eine wirkungsvollere Art der Pandemiebekämpfung darstellt, dieser Beweis, der ist noch nicht erbracht. Und der muss erbracht werden“. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier nannte die starren Ausgangsbeschränkungen „verfassungsrechtlich problematisch“. Es stelle sich aber auch die Frage, wie zum Beispiel die vorgesehenen Schulschließungen umgesetzt werden sollten. Bouffier bedauerte „dass der Bundestag die Chance hat verstreichen lassen, viele Erfahrungen der Länder, die wir aus einem Jahr praktischem Krisenmanagement gesammelt haben, mehr und intensiver aufzunehmen“.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warb hingegen in der Sitzung nochmals für das Gesetz: "Seit Anfang März sind die Instrumente ja alle benannt, aufgeschrieben, eigentlich vereinbart und geeint, inklusive der Ausgangsbeschränkungen“, sagte er. Das einheitliche Handeln sei – so der Eindruck - verloren gegangen. Das Gesetz sei „das Ergebnis all dieser Entwicklungen“. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnete das Gesetz anschließend, es muss jetzt nur noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden.
Die nun beschlossenen Änderungen der Koalitionsfraktionen haben zum Ziel, dem Bund mehr Handlungsmöglichkeiten bei der Corona-Pandemie einzuräumen. So heißt es konkret, dass „eine bundesweit einheitliche Steuerung des Infektionsschutzes“ sichergestellt werden soll. Als Maßstab für die jeweils aufgelisteten Infektionsschutzmaßnahmen soll der Inzidenzwert gelten, also die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen.
Zum 24. April traten die neuen, verschärften Regelungen in Kraft. Wenn die Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen die Marke von 100 überschreitet, gelten dort ab dem übernächsten Tag schärfere Maßnahmen. Diese bleiben so lange in Kraft, bis der Wert an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen unter die Schwelle von 100 sinkt. Die strengeren Auflagen werden dann am übernächsten Tag wieder außer Kraft gesetzt. Besonders umstritten sind dabei die Ausgangsbeschränkungen: Diese sollen von 22 – 5 Uhr gelten. In diesem Zeitraum darf man eine Wohnung oder ein Grundstück nicht mehr verlassen. Ausnahmen sind die „Abwendung einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum“, also gesundheitliche Notfälle für Mensch und Tier oder dringende medizinische Behandlungen. Dazu kommen in der Regel die Ausübung eines Berufs oder Mandats, die Wahrnehmung von Sorge- oder Umgangsrecht, die unaufschiebbare Betreuung Unterstützungsbedürftiger oder Minderjähriger oder die Begleitung Sterbender, Versorgung von Tieren oder „ähnlich gewichtige und unabweisbare Zwecke“. Weitere Befreiungen gelten zudem für Bewegung an der frischen Luft, also Spazierengehen oder Joggen: Das soll bis Mitternacht erlaubt bleiben, jedoch nur alleine und nicht in Sportanlagen.
Ebenfalls verpflichten die neuen Regelungen die Arbeitnehmer dazu, Angebot ihres Arbeitgebers ins Homeoffice zu gehen anzunehmen. Lediglich bei bestimmten Voraussetzungen soll es Ausnahmeregelungen geben, etwa wenn es zuhause keinen adäquaten Arbeitsplatz gibt. Zudem verschärft werden soll die Pflicht für Unternehmen, Corona-Tests anzubieten: Anstatt eines Tests pro Woche sind künftig zwei anzubieten.
Beim BVerfG gingen zahlreiche Verfassungsbeschwerden und Eilanträge gegen die Regelungen ein. Noch bevor der Bundesrat mit seiner Sitzung begann, war bereits der erste Eilantrag gegen das IfSG beim eingegangen. Auch die FPD-Spitze strebt eine Entscheidung in Karlsruhe an. Zweifel an der Wirksamkeit von Ausgangssperren seien ein Argument für die Befürchtung, dass diese unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig seien, schrieb FDP-Chef Christian Lindner am Donnerstag auf Twitter. „Das muss nun in Karlsruhe beurteilt werden, damit alle Rechtssicherheit haben“. FDP-Generalsekretär Volker Wissing schrieb: „Grundrechte gelten auch in Corona-Zeiten. Der Staat muss sein Handeln an unserer Verfassung ausrichten“. Die FDP werde daher den Nachweis dieser Verhältnismäßigkeit einfordern, auch vor dem BVerfG.