Der allgemeine Sprachgebrauch versteht unter Befangenheit gemeinhin Voreingenommenheit. Ist aber - wie im ordnungsgemäßen öffentlich-rechtlichen Verfahren - unvoreingenommene Ausübung einer Entscheidungskompetenz gefragt, so gefährdet die Befangenheit potentiell diese Zielsetzung. Ist jemand von einem Verfahren selbst betroffen, so steigt aufgrund der persönlichen Betroffenheit die Gefahr, dass die Entscheidung nicht mehr ausschließlich auf das öffentliche Wohl bezogen ist und zudem droht ein Ansehensverlustes der öffentlichen Verwaltung, wenn Betroffene an Sachentscheidungen mitwirken und damit der „böse Schein“ einer voreingenommenen, aus individueller Betroffenheit geprägten Auffassung besteht. Darüber hinaus gerät der Amts- oder Mandatsträger möglicherweise in eine persönliche Konfliktsituation, von der es ihn zu befreien gilt.
Bei § 20 und § 21 VwVfG handelt es sich um die einfach-gesetzliche Ausprägung des Gebots der „Lauterkeit und Unparteilichkeit der Amtsträger“ als Teil des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerfG NVwZ 2009, 1217 [1219]). § 20f. VwVfG ist wesentlicher Bestandteil eines rechtsstaatlichen, also objektiven, unparteiischen, fairen und allein an Recht und Gesetz orientiertem Verwaltungsverfahren. Es gilt sicherzustellen, dass nur solche Bedienstete tätig werden, bei denen keine Umstände vorliegen, die objektiv geeignet sind Misstrauen gegen ein solches rechtsstaatliches, sachgemäßes und unparteiisches Verhalten aufkommen zu lassen.
In einem Verwaltungsverfahren darf daher nach § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VwVfG nicht tätig werden, wer selbst Beteiligter ist (oder in einer vergleichbaren Position nach den Nr. 2-6); dem sind gemäß Satz 2 Personen gleichgestellt, welche durch die Tätigkeit oder durch die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen können. Dies gilt allerdings nach Satz 3 nicht, wenn der Vor- oder Nachteil nur darauf beruht, dass jemand einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe angehört, deren gemeinsame Interessen durch die Angelegenheit berührt werden. Die Begriffe des Vor- und Nachteils sind grundsätzlich weit auszulegen. Dies folgt schon aus dem Schutzzweck der Norm, bei dem bereits der mögliche „böse Schein“ einer aufgrund persönlicher Betroffenheit nicht am Gemeinwohl ausgerichteten Mitwirkung vermieden werden soll. Ein individuelles Sonderinteresse darf nicht über das Allgemeininteresse gestellt werden. Zu berücksichtigen ist zudem, dass bereits die Möglichkeit eines unmittelbaren Vor- oder Nachteils ausreicht. Es ist deshalb nicht maßgeblich, ob tatsächlich eine individuelle Betroffenheit besteht oder nicht. Erforderlich, aber auch hinreichend, ist vielmehr, ob ein Eintritt eines Vorteils oder Nachteils aufgrund der fraglichen Entscheidung aus objektiver Sicht konkret möglich und hinreichend wahrscheinlich erscheint.
Doch die Regelungen gehen weiter: Um über die in § 20 Abs. 1 VwVfG abschließend typisierten Fälle von gesetzlich unwiderlegbar vermuteten Interessenskonflikten hinaus auch ansonsten bereits den „bösen Schein“ der Befangenheit zu verhindern, trifft der gegenüber § 20 Abs. 1 VwVfG als allgemeiner Auffangtatbestand fungierende § 21 VwVfG ähnliche Regelungen. So sieht § 21 Abs. 1 VwVfG vor, dass bei Vorliegen eines Grundes, der geeignet ist, „Misstrauen“ gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen dies offengelegt werden muss. Die möglicherweise befangene Person hat sich auf Anordnung der Behördenleitung von der Mitwirkung im Verfahren zu enthalten. Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Leiter der Behörde, so trifft diese Anordnung die Aufsichtsbehörde, sofern sich der Behördenleiter nicht selbst einer Mitwirkung enthält (Satz 3). Die gleichen Regelungen finden sich in § 17 SGB X und § 83 AO.
Ein Grund i.S.d. § 21 VwVfG (vgl. auch § 83 AO, § 17 SGB X), der geeignet ist, „Misstrauen“ gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen („böser Schein“), liegt bereits vor, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen für die Beteiligten des Verfahrens nach den Gesamtumständen die subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis nicht auszuschließen ist, dass der konkrete Amtsträger in der Sache nicht unbefangen, unparteiisch oder unvoreingenommen entscheiden würde. Beispiele hierfür können belegte Freund- oder Feindschaft zu einem Verfahrensbeteiligten sein; aber auch unsachliche oder gar verletzende Äußerungen im Verfahren.
84 AO gibt die Möglichkeit ein Ausschussmitglied, dessen Befangenheit befürchtet wird, abzulehnen. Für die Entscheidung hierüber wird auf § 82 AO Bezug genommen, welcher die ausgeschlossenen Personen regelt. § 20 Abs. 4 VwVfG enthält eine vergleichbare Regelung. § 82 Abs. 1 S. 2 AO normiert, dass einem gemäß Satz 1 Nr. 1 ausgeschlossenen Beteiligten gleich steht, wer durch die Tätigkeit oder durch die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen kann. Ausnahmsweise gilt dies nach Satz 3 (wie auch schon bei § 20 Abs. 1 VwVfG) nicht, wenn der Vor- oder Nachteil nur darauf beruht, dass jemand einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe angehört, deren gemeinsame Interessen durch die Angelegenheit berührt werden. So darf also ein Hotelbetreiber an Entscheidungen mitwirken, die allgemein Steuerangelegenheiten von Hoteliers betreffen.
Im Kommunalrecht gibt es ebenso vergleichbare Regelungen, vgl. in Nordrhein-Westfalen die Ausschließungsgründe und Ausnahmen in § 31 Abs. 1 und 2 bzw. 3 GO NRW, die Offenbarungspflicht in § 31 Abs. 4 und für Ratsmitglieder in § 43 Abs. 2 Nr. 3 GO NRW und die Folgen für Abstimmungen im Rat aus § 50 Abs. 6 GO NRW.
Zu beachten ist auch § 44 Abs. 3 Nr. 2 - die Mitwirkung einer ausgeschlossenen Person führt nicht automatisch zur Nichtigkeit der Entscheidung.