Tatherrschaft bedeutet das vom Vorsatz umfasste In-den-Händen-halten des Geschehensablaufs. Bei einer Mittäterschaft gem. § 25 II StGB besteht funktionale Tatherrschaft, wenn der Mittäter nach Ansicht aller Beteiligten einen in seiner Funktion wesentlichen Beitrag erbringt. Bei der mittelbaren Täterschaft gem. § 25 I Alt. 2 StGB besteht die Tatherrschaft in einem überlegenen Wissen und / oder Wollen des Hintermannes gegenüber dem Vordermann (siehe dazu Tofahrn, Strafrecht AT II Rn. 100 ff mit entsprechenden Nachweisen).
Besonderheiten ergeben sich bei den Straßenverkehrsdelikten, namentlich bei den §§ 315c I, 316 und 315d I Nr. 2 und 3 StGB, denn bei diesen Straftatbeständen handelt es sich um eigenhändige Delikte.
Täter kann also nur derjenige sein, der die Tathandlung eigenhändig ausführt. Eine Zurechnung der Handlung eines anderen über § 25 StGB kommt damit nicht in Betracht. Infolgedessen scheidet eine mittelbare Täterschaft von vorneherein aus.
Hinweis
Weitere eigenhändige Delikte sind die Aussagedelikte gem. §§ 153 ff StGB. Hier hat der Gesetzgeber § 160 StGB geschaffen, der eine mittelbare Täterschaft unter Strafe stellt.
Allerdings kommt unter gewissen Voraussetzungen eine Mittäterschaft in Betracht.
So hat jüngst das LG Oldenburg (JuS 2023, 275) einen auf einem E-Scooter mit 1,2 Promille mitfahrenden Sozius gem. § 316 StGB verurteilt. Dieser Sozius stand hinter dem Fahrer und hielt sich am Lenker fest. Er hatte damit die Möglichkeit, Lenkbewegungen nach rechts oder links auszuführen. Das reichte für das LG Oldenburg aus, um den Sozius zum Fahrzeugführer und damit zum Mittäter zu machen. Das LG führt dazu aus:
„Denn das Festhalten des Lenkers eines E-Scooters führt dazu, dass dieser in eine ganz bestimmte Richtung gelenkt wird: nämlich geradeaus. Dieses In-der-Spur-Halten des E-Scooters ist ein genuiner Lenkvorgang, weil ein kontrolliertes Fortbewegen des E-Scooters durch den Verkehrsraum, wenn beide Personen auf dem Roller sich am Lenker festhalten, nur durch ein Zusammenwirken durch beide Fahrer möglich ist. Das bedeutet auch, dass der E-Scooter in einer Art ‚Mittäterschaft‘ von beiden Fahrern gleichzeitig geführt wird.“
In einer Klausur müssten Sie noch klären, ob für E-Scooter zur Bestimmung der Fahruntauglichkeit die Richtwerte für Auto- und Motorradfahrer herangezogen werden können oder ob nicht jene für Fahrradfahrer gelten. Für Kraftfahrzeugführer gilt eine Grenze von 1,1 Promille, ab derer eine absolute und damit unwiderlegliche Fahruntauglichkeit angenommen wird, für Fahrradfahrer beginnt diese Fahruntauglichkeit erst bei 1,6 Promille. Nach h.M. (einen Überblick dazu finden Sie bei Kerkmann NZV 2023, 25) werden E-Scooter als Kraftfahrzeuge angesehen mit der Folge, dass der Sozius absolut fahruntauglich war.
Hinweis
Im vorliegenden Fall lag die prozessuale Besonderheit darin, dass dem Täter vorläufig die Fahrerlaubnis gem. § 111a I 1 StPO entzogen worden war und er hiergegen Beschwerde gem. § 304 I StPO einlegte. Sie müssten – sollte Ihnen diese Konstellation in einer Klausur begegnen - dann prüfen, ob die Voraussetzungen einer vorläufigen Entziehung vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn zu erwarten steht, dass dem Täter in der Hauptverhandlung gem. § 69 I, II Nr. 2 StGB die Fahrerlaubnis entzogen werden wird, was wiederum eine Strafbarkeit gem. § 316 StGB erfordert.