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Polizei- und Ordnungsrecht NRW - Ordnungsbehördliche Gefahrenabwehrverordnungen - Überblick

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Polizei- und Ordnungsrecht NRW

Ordnungsbehördliche Gefahrenabwehrverordnungen - Überblick

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Inhaltsverzeichnis

A. Überblick

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In den Teilen 3 und 4 dieses Skripts wurden die im Polizei- und Ordnungsrecht sehr praxis- und prüfungsrelevante Handlungsform der Gefahrenabwehrverfügung und ihre zwangsweise Durchsetzung behandelt. Neben der Gefahrenabwehrverfügung kann die Ordnungsverwaltung (nicht die Polizei; dazu unten Rn. 427 f.) für die Wahrnehmung ihrer gesetzlich zugewiesenen Aufgaben auf ein weiteres Handlungsinstrument zurückgreifen, nämlich den Erlass von Rechtsverordnungen. Geregelt ist der Erlass ordnungsbehördlicher Verordnungen insbesondere in §§ 25 ff. OBG.

 

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Expertentipp

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Lesen Sie § 25 S. 1 OBG!

§ 25 S. 1 OBG definiert ordnungsbehördliche Verordnungen im Anschluss an § 24 pr.PVG, der die damals sog. Polizeiverordnungen regelte, wie folgt:

Definition

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Definition: Ordnungsbehördliche Verordnungen

Ordnungsbehördliche Verordnungen sind die auf Grund der Ermächtigung in §§ 26 und 27 erlassenen Gebote oder Verbote, die für eine unbestimmte Anzahl von Fällen an eine unbestimmte Anzahl von Personen gerichtet sind.

Hinweis

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In der Normierung von Geboten oder Verboten muss sich der Regelungsinhalt ordnungsbehördlicher Verordnungen jedoch nicht erschöpfen. Darüber hinausgehend können im Falle einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Zuwiderhandlung Geldbußen und die Einziehung der durch die Zuwiderhandlung gewonnenen oder erlangten Gegenstände angedroht werden (vgl. § 31 Abs. 1 OBG).

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Damit enthalten ordnungsbehördliche Verordnungen abstrakt-generelle Regelungen, d.h. sie gelten für eine unbestimmte Vielzahl von Gefahrensituationen (abstrakte Geltung) und eine unbestimmte Anzahl von Personen (generelle Geltung).

Beispiel

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Die Stadt H erlässt eine Hundeverordnung. Danach werden alle Hundebesitzer (generelle Geltung) dazu verpflichtet, innerhalb des Stadtgebiets von H ihre Hunde außerhalb des befriedeten Besitztums anzuleinen (abstrakte Geltung). – Jeder Hundehalter, der seinen Hund unter Verstoß gegen die Anleinpflicht der Hundeordnung unangeleint herumlaufen lässt, verwirklicht bereits durch das unangeleinte Laufenlassen des Hundes eine abwehrfähige Gefahr.

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Hierdurch unterscheiden sich die ordnungsbehördlichen Verordnungen von den anderen polizei- und ordnungsrechtlichen Handlungsformen: Verwaltungsakte i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG NRW ergehen als konkret-individuelle Maßnahmen, d.h. sie gelten für eine bestimmte Gefahrensituation (konkrete Geltung) und für bestimmte Personen (individuelle Geltung).

Beispiel

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Anders als in der Stadt H (s.o. Rn. 415) gibt es in der Stadt B keine Hundeverordnung. K geht dort mit seinem Hund im Stadtpark spazieren und lässt ihn unangeleint herumlaufen. Als K zwecks Abkürzung seines Heimweges mit seinem Hund eine als Liegewiese ausgewiesene Fläche überqueren will, wird ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes auf die beiden aufmerksam und fordert K auf (individuelle Geltung), seinen Hund sofort an die Leine zu nehmen (konkrete Geltung).

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Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen (§ 35 S. 2 VwVfG NRW) ergehen als konkret-generelle Maßnahmen, d.h. sie gelten für eine bestimmte Gefahrensituation (konkrete Geltung) und eine unbestimmte Anzahl von Personen (generelle Geltung).

Beispiel

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Wie Beispiel oben (Rn. 416). Allerdings hat die Stadt B Schilder an den seitlichen Begrenzungen der als Liegewiese ausgewiesenen Fläche aufgestellt, auf denen alle Hundehalter (generelle Geltung) aufgefordert werden, beim Betreten der Liegewiese die Hunde an die Leine zu nehmen (konkrete Geltung).

Beispiel

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Nach BVerwGE 12, 87 – Endiviensalatentscheidung.In der Stadt S und Umgebung sind knapp In der Stadt S und Umgebung sind knapp 400 Personen epidemisch erkrankt. Mit großer Wahrscheinlichkeit – so ergibt eine Untersuchung – ist Endiviensalat die Ansteckungsquelle. Der zuständige Regierungspräsident verbietet den Verkauf von Endiviensalat in allen Städten und Kreisen seines Bezirks und lässt diese Anordnung über Rundfunk und Fernsehen verbreiten. – Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner sog. Endiviensalatentscheidung die Anordnung des Regierungspräsidenten als Allgemeinverfügung qualifiziert. Sie diente der Eindämmung der bereits aufgetretenen Epidemie und somit der Abwehr einer konkreten Gefahr, die aufgrund eines bestimmten Sachverhalts entstanden war (konkrete Geltung). Die Adressaten der Anordnung können nach allgemeinen Merkmalen bestimmt werden (generelle Geltung).

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Diese Abgrenzung der verschiedenen Handlungsformen ist in zweifacher Hinsicht von Bedeutung: Zum einen im Hinblick auf die Fehlerfolgen: Insoweit gilt, dass rechtswidrige Verwaltungsakte i.S.d. § 35 VwVfG NRW grundsätzlich wirksam, wenngleich aufhebbar sind, während rechtswidrige Rechtsverordnungen grundsätzlich mit Wirkung ex tunc nichtig sind. Zum anderen in prozessualer Hinsicht: Insoweit gilt bei Verwaltungsakten i.S.d. § 35 VwVfG NRW, dass sie – soweit nach § 110 JustG NRW überhaupt noch vorgesehen – mit Widerspruch und im Übrigen mit Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO angegriffen werden müssen. Die Rechtmäßigkeit ordnungsbehördlicher Verordnungen kann in Nordrhein-Westfalen über die Feststellungsklage nach § 43 VwGO

Vgl. Dietlein in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen § 3 Rn. 236a. ooder inzident im Rahmen des Rechtsschutzes gegen eine sog. „unselbständige Verfügung“, d.h. eines Verwaltungsaktes i.S.d. § 35 VwVfG NRW, der auf eine ordnungsbehördliche Verordnung gestützt ist,Vgl. Dietlein in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen § 3 Rn. 230. überprüft werden. Zudem kommt neuerdings eine direkte Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Betracht, denn im Jahr 2018 hat der nordrhein-westfälische Gesetzgeber von der Ermächtigung in § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht und  § 109a neu in das Justizgesetz Nordrhein-Westfalen eingefügt. Eine direkte Normenkontrolle ist allerdings nur und erst für solche ordnungsbehördlichen Verordnungen relevant, die ab dem 1.1.2019 bekannt gemacht worden sind bzw. werden, weil § 133 Abs. 3 S. 2 JustG NRW bestimmt, dass § 109a JustG NRW nicht anzuwenden ist auf Rechtsvorschriften, die vor dem 1.1.2019 bekannt gemacht worden sind.

Expertentipp

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In der Fallbearbeitung werden Sie regelmäßig mit einer Konstellation konfrontiert werden, in der Sie nicht allein die Rechtmäßigkeit einer Gefahrenabwehrverordnung, sondern auch die einer unselbständigen Verfügung zu prüfen haben werden. Die Rechtmäßigkeit der Gefahrenabwehrverordnung ist dann inzident im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit der unselbständigen Verfügung zu untersuchen.

Beispiel

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Entgegen der verordneten Anleinpflicht geht K mit seinem Hund Gassi. Ein Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamtes fordert ihn unter Hinweis auf die geltende Anleinpflicht auf, den Hund umgehend an die Leine zu nehmen. – Die an K gerichtete Aufforderung, seinen Hund anzuleinen, konkretisiert die nach der Hundeverordnung geltende Anleinpflicht. Bei der Aufforderung handelt es sich demnach um eine sog. „unselbständige Verfügung“.
Sind Sie aufgefordert, in der Fallbearbeitung die Rechtmäßigkeit der behördlichen Aufforderung, eines Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG NRW, zu prüfen, orientieren Sie sich bei Ihrer Falllösung in erster Linie am Prüfungsschema für die Rechtmäßigkeit einer Gefahrenabwehrverfügung (s.o. Rn. 58). Unter dem Prüfungspunkt „Materielle Rechtmäßigkeit der behördlichen Aufforderung“ beginnen Sie Ihre Prüfung mit der Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage (Anleingebot in der Hundeverordnung) vorliegen. Im Rahmen dieser Untersuchung ist bei entsprechenden Anhaltspunkten im Sachverhalt darauf einzugehen, ob die Hundeverordnung selbst auf einer wirksamen formell-gesetzlichen Grundlage beruht und ob die Hundeverordnung selbst rechtmäßig ist. Hier sind also mehrere Inzidentprüfungen (Verfassungsmäßigkeit der formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die Gefahrenabwehrverordnung; Rechtmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage in der Gefahrenabwehrverordnung als Rechtsgrundlage für die unselbständige Verfügung) angezeigt.

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Beim Erlass ordnungsbehördlicher Verordnungen handelt es sich wesensmäßig um „delegierte Normsetzung“,

Vgl. Dietlein in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen § 3 Rn. 230. denn nicht die nach der Aufteilung der Staatsgewalt an sich hierfür zuständige Legislative, sondern die Exekutive wird mit dem Erlass ordnungsbehördlicher Verordnungen rechtsetzend tätig. Weil aber nicht die Legislative, sondern die Exekutive mit den ordnungsbehördlichen Verordnungen abstrakt-generelle Normen erlässt, handelt es sich bei diesen (lediglich) um materielle Gesetze.

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Expertentipp

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Lesen Sie Art. 70 LVerf. NRW und sodann zum Vergleich Art. 80 GG! Denken Sie daran, dass Art. 80 GG ausschließlich die Verordnungsgebung auf bundesgesetzlicher Grundlage regelt!

Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit ordnungsbehördlicher Verordnungen folgt aus Art. 70 LVerf. NRW.

Landesverfassung Nordrhein-Westfalen. Im Gegensatz zu Art. 80 GG, der allein die Bundesregierung, die Bundesminister oder die Landesregierungen (sog. Gubernative) zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt, ist Art. 70 LVerf. NRW hinsichtlich der zum Erlass von Verordnungen zuständigen Organe nach seinem Wortlaut nicht beschränkt. Das bedeutet, dass – anders als auf Bundesebene – nicht nur die Gubernative, sondern auch untergeordnete Behörden Verordnungen erlassen können. De lege lata haben jedoch allein die Ordnungsbehörden in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit, ordnungsbehördliche Verordnungen zu erlassen. Den Polizeibehörden als den „vor Ort“ tätigen Behörden ist diese Handlungsform nach geltendem Landesrecht verwehrt.Vgl. Dietlein in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen § 3 Rn. 231.

Hinweis

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Die praktische Relevanz ordnungsbehördlicher Verordnungen sollte nicht überschätzt werden, denn der parlamentarische Gesetzgeber hat zahlreiche Materien, die früher Gegenstand ordnungsbehördlicher Verordnungen waren, mittlerweile selbst geregelt,

Vgl. dazu näher Götz/Geis Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht § 19 Rn. 21 ff. so z.B. das Landeshundegesetz NRWLHundG NRW. (früher: Kampfhundeverordnung) und das Bestattungsgesetz NRWBestG NRW. (früher: Leichenverordnung).

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