Inhaltsverzeichnis
C. Kommunale Unternehmen
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Das Gesetz nimmt in den Art. 86 ff. GO keine Definition des Begriffs des gemeindlichen Unternehmens vor. Art. 86 GO bestimmt lediglich, dass die Gemeinde Unternehmen außerhalb der allgemeinen Verwaltung in den Rechtsformen eines Eigenbetriebs (Nr. 1), eines selbstständigen Kommunalunternehmens (Nr. 2) aber auch in den Rechtsformen des Privatrechts (Nr. 3) betreiben kann.
I. Organisationsformen
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Zunächst hat die Gemeinde die Wahl, ob sie Aufgaben organisatorisch verselbstständigt durch ein eigenes gemeindliches Unternehmen wahrnehmen will („außerhalb der allgemeinen Verwaltung“) oder aber die Aufgabenerfüllung rechtlich und organisatorisch im Rahmen der allgemeinen Verwaltungstätigkeit wahrnehmen will.
Lissack § 7 Rn. 2. Im letztgenannten Fall besteht die Möglichkeit der Schaffung von Regiebetrieben, die nach Art. 86 GO (Gegenschluss), 88 Abs. 6 GO keine gemeindlichen Unternehmen darstellen und in erster Linie der eigenen Bedarfsdeckung der Gemeinde dienen (z.B. Bauhof, Stadtgärtnerei, Kfz-Reparaturbetrieb).1. Öffentlich-rechtliche Organisationsformen
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Als solche kommt zunächst der rechtlich unselbstständige Eigenbetrieb in Betracht, Art. 86 Nr. 1 GO, Art. 88 GO. Eigenbetriebe sind gemeindliche Unternehmen, die außerhalb der allgemeinen Verwaltung als Sondervermögen ohne eigene Rechtspersönlichkeit geführt werden. Handlungen des Eigenbetriebs werden daher zwangsläufig der Gemeinde zugerechnet. Eigenbetriebe sind organisatorisch in der Weise verselbstständigt, als der Gemeinderat eine Werkleitung und einen Werkausschuss bestellen muss, Art. 88 Abs. 2 GO. Art. 88 Abs. 3, Abs. 4 GO folgend tritt die Werkleitung an Stelle des ersten Bürgermeisters der Gemeinde, der Werkausschuss an die Stelle des Gemeinderats.
Hölzl/Hien/Huber Art. 88 Anm. 4. Dabei hat der Gemeinderat nach Art. 88 Abs. 4 S. 1 GO das Recht Angelegenheiten des Werkausschusses allgemein vorzubehalten oder im Einzelfall an sich zu ziehen.253
Öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen können darüber hinaus mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet werden. Art. 89 GO sieht diese Möglichkeit vor. Nach Art. 89 Abs. 1 GO kann die Gemeinde selbstständige Unternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts errichten oder aber bestehende Regie- und Eigenbetriebe in Kommunalunternehmen umwandeln. Mit Einrichtung eines Kommunalunternehmens wird ein neuer Zurechnungsträger von Rechten und Pflichten neben der Gemeinde geschaffen (siehe Rn. 215). Die erforderlichen Organe des Kommunalunternehmens lassen sich Art. 90 GO entnehmen.
2. Privatrechtliche Organisationsformen
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Daneben steht es der Gemeinde frei, ein gemeindliches Unternehmen in privatrechtlicher Rechtsform zu betreiben, Art. 86 Nr. 3 GO. Als Organisationsformen kommen insbesondere GmbH und AG in Betracht.
Zugmaier BayVBl. 2001, 233 ff.; Lissack § 7 Rn. 14. Eine Einschränkung erfährt die Gründung gemeindlicher Unternehmen in Privatrechtsform durch die Zulässigkeitsvoraussetzungen in Art. 92 Abs. 1 S. 1 GO. Relevant ist hier insbesondere die Nr. 2 von Art. 92 Abs. 1 S. 1 GO, wonach die Gemeinde angemessenen Einfluss im Aufsichtsrat bzw. im entsprechenden Gremium erhalten muss.II. Zulässigkeitsanforderungen an gemeindliche Unternehmen
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Neben den besonderen Voraussetzungen zur Schaffung von Eigenbetrieben, Kommunalunternehmen und gemeindlichen Unternehmen in Privatrechtsform, kommen allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen, die in Art. 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–4 GO aufgeführt sind.
Vgl. zum Ganzen: Köhler BayVBl. 2000, 1 ff. Eine Gemeinde darf demnach Unternehmen nur errichten bzw. erweitern, wenn• | ein öffentlicher Zweck dieses Unternehmen erfordert, insbesondere die Gemeinde mit dem Unternehmen eine Aufgabe nach Art. 57 GO, Art. 83 Abs. 1 BV erfüllt (Daseinsvorsorge). Hier gilt es Art. 87 Abs. 1 S. 2 GO zu beachten, wonach die bloße Gewinnerzielung keinen öffentlichen Zweck darstellt. Ein öffentlicher Zweck kann jedoch dann nicht von vornherein verneint werden, wenn die Gemeinde mit dem Unternehmen auch Gewinne erzielen möchte, Köhler BayVBl. 2000, 1 ff.; Ehlers DVBl. 1998, 497 ff. |
• | das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht, |
• | die dem Unternehmen zu übertragenden Aufgaben für eine Erfüllung außerhalb der Gemeindeverwaltung geeignet sind, |
• | der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen Privaten erfüllt wird bzw. werden kann (Subsidiaritätsklausel). Diese Voraussetzung ist aber nur zu verlangen (Art. 83 BV, Art. 57 GO), wenn die Gemeinde ein Unternehmen außerhalb des Bereiches der Daseinsvorsorge schafft. Lissack § 7 Rn. 19. |
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Daneben gilt es als allgemeine Vorschrift des Art. 95 Abs. 2 GO zu beachten, wonach gemeindliche Unternehmen keine wesentliche Schädigung und keine Aufsaugung selbstständiger Betriebe in Landwirtschaft, Handwerk, Handel und Gewerbe und Industrie bewirken dürfen.
III. Rechtsschutz Dritter gegen gemeindliche Unternehmen (Konkurrentenklage)
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Die Schaffung eines gemeindlichen Unternehmens nach Art. 86 GO unterliegt den strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen in Art. 87 Abs. 1 GO, sowie der gesetzlichen Einschränkung des Art. 95 Abs. 2 GO. Es stellt sich damit die Frage, ob ein durch Einrichtung eines gemeindlichen Unternehmens betroffener Privater (Konkurrent), verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz gegen die kommunale Unternehmenstätigkeit („Ob“ der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde betroffen, daher jedenfalls Verwaltungsrechtsweg, § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO, eröffnet) in Form einer allgemeinen Leistungsklage als Unterlassungsklage (gerichtet auf Einstellung der gemeindlichen Konkurrenz) geltend machen kann.
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Da auch die allgemeine Leistungsklage, um Popularklagen auszuschließen, eine Klagebefugnis in Analogie zu § 42 Abs. 2 VwGO verlangt, stellt sich die zentrale Frage, ob die Vorschriften des Art. 87 Abs. 1 Nr. 4, 95 Abs. 2 GO Drittschutz vermitteln, d.h. ob es sich hierbei um drittschützende Normen handelt.
Beispiel
Die Gemeinde beschließt ein kommunales Wellness-Center mit Schwimmbad, Sauna und Gastronomiebetrieb in der Form einer Wellness-Center GmbH zu errichten, um das Angebot für Einheimische und Touristen attraktiver zu gestalten. In der Gemeinde existiert aber bereits ein privater Schwimmbadbetreiber, der durch die gemeindliche Konkurrenz Umsatzeinbußen befürchtet. Er beruft sich darauf, dass die Schaffung der gemeindlichen Konkurrenz ungesetzlich sei. Rechtlich muss er im Wege der Unterlassungsklage (Unterfall der allgemeinen Leistungsklage) gegen das gemeindliche Konkurrenzunternehmen vorgehen. Die Zulässigkeit einer solchen Klage hängt vom Bejahen einer entsprechenden Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog, ab. Wenn man die Zulässigkeit einer solchen Klage vertretbar bejaht, ist letztlich entscheidend, ob die Konkurrenzsituation für den privaten Betreiber ruinös ist.
Hinweis
Erinnern Sie sich in diesem Zusammenhang daran, dass auch für eine allgemeine Leistungsklage eine Klagebefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO zu verlangen ist. Dies gilt selbstverständlich auch für die Unterlassungsklage als Unterform der allgemeinen Leistungsklage.
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Die Rechtsprechung verneint diesen Drittschutz aus Art. 87 Abs. 1 Nr. 4, 95 Abs. 2 GO, mit dem Argument, dass die Art. 86 ff. GO ausschließlich der Wahrung des öffentlichen Wohls dienten, nicht aber dem Schutz privater Individualinteressen einzelner Konkurrenten.
BayVGH BayVBl. 1976, 628 ff.; BVerwG BayVBl. 1978, 375; VG Würzburg Urteil vom 5.9.2012, Az: W 2 K 10.1204 – juris; Bauer/Böhle/Ecker Art. 87 Rn. 7; Hölzl/Hien/Huber Art. 87 Anm. 4; Köhler BayVBl. 2000, 1 ff. Normzweck der Art. 86 ff. GO sei es, zu gewährleisten, dass sich die Gemeinde in erster Linie ihren eigenen kommunalen Aufgaben der Daseinsvorsorge (Art. 7, 57 GO, Art. 83 Abs. 1 BV) widme und die Wahrnehmung „fachfremder“ Aufgaben nicht die Oberhand gewinne. Zwar besage Art. 95 Abs. 2 GO darüber hinaus, dass durch gemeindliche Unternehmen generell keine Vernichtung bzw. wesentliche Schädigung privater Betriebe einher gehen dürfe, doch handele es sich hierbei um einen bloßen Rechtsreflex für den einzelnen Betroffenen.Bauer/Böhle/Ecker Art. 87 Rn. 7 ff.; VG Ansbach Urteil vom 7.7.2005, Az: AN 4 K 04.03378 – juris; Jungkamp NVwZ 2010, 546 ff.260
Auch aus Art. 12, 14 GG lässt sich kein Drittschutz ableiten, da insbesondere Art. 12 GG weder vor Konkurrenz, noch bloße Gewinnchancen schützt.
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An dieser Stelle ist es jedoch ebenso vertretbar, in der Privatschutzklausel des Art. 95 Abs. 2 GO eine drittschützende Norm zu sehen, die insbesondere dann verletzt sein dürfte, wenn die Konkurrenzsituation ruinös ist, d.h., dass die Gemeinde bewusst einen Verdrängungswettbewerb betreibt.