Insolvenzrecht

Ablauf eines Insolvenzplanverfahrens im Überblick

B. Eröffnungsantrag

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Mit dem Eröffnungsantrag beginnt das sog. Eröffnungsverfahren. Es ist in zwei (interne) Verfahrensabschnitte eingeteiltUhlenbruck/Wegener InsO § 13 Rn. 141. und dauert bei Unternehmensinsolvenzen typischerweise drei Monate. Zunächst prüft das Gericht ob der Insolvenzantrag zulässig ist (d.h. die formgerechte Einreichung, die Antragsberechtigung, die Partei- und Prozessfähigkeit, die Insolvenzfähigkeit des Schuldners sowie die Zuständigkeit des Gerichts).Becker Insolvenzrecht § 2 Rn. 2; Foerste Insolvenzrecht Rn. 99. Dieser Abschnitt wird als Zulassungsverfahren bezeichnet; der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 InsO) gilt noch nicht.BGH NJW 2003, 1187; Uhlenbruck/Wegener InsO § 13 Rn. 142. Im zweiten Schritt prüft das Gericht die Begründetheit des Antrags (d.h. das Bestehen eines Eröffnungsgrunds und eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse).

I. Antrag des Schuldners

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Nach § 13 Abs. 1 S. 1 InsO, der Ausdruck der Dispositionsmaxime ist, wird das Insolvenzverfahren nur auf Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind der Schuldner (Eigenantrag) und jeder Gläubiger (Fremdantrag).

1. Antragsrecht

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Nach § 13 Abs. 1 S. 2 InsO ist jeder insolvenzfähige Schuldner (§ 11 InsO) berechtigt, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Bei einem Eigenantrag ist die Glaubhaftmachung eines Eröffnungsgrunds (§§ 17, 18, 19 InsO) entbehrlich. Dies folgt im Umkehrschluss aus § 14 InsO. Es genügt, wenn der Schuldner Tatsachen benennt, welche die wesentlichen Merkmale eines Eröffnungsgrunds erkennen lassen, indem er seine Finanzlage beschreibt oder eine Vermögensübersicht übermittelt.BeckOK InsR/Wolfer InsO § 13 Rn. 25. Ist ihm das gelungen, wird sein Antrag (formlos) zugelassen; die Zulassung setzt das Eröffnungsverfahren mit der Pflicht des Gerichts zur Amtsermittlung (§ 5 InsO) und zur Sicherung des Vermögens (§§ 21 ff. InsO) in Gang. Der Eigenantrag muss ernsthaft auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerichtet sein und darf nicht sachfremde Zwecke verfolgen. So fehlt dem Antrag das Rechtsschutzinteresse, wenn der Schuldner seine Vermögensverhältnisse bewusst verschleiert oder Vermögenslosigkeit vortäuscht, um eine Abweisung mangels Masse nach § 26 InsO ( „Firmenbestattung“) zu erreichen.BGH NZI 2020, 679 Rn. 7 ff. Indizien für eine Firmenbestattung sind der Austausch des Geschäftsführers, die Veräußerung aller Gesellschaftsanteile sowie der Verlust der Geschäftsunterlagen. Das Gericht hat diese Umstände von Amts wegen (§ 5 InsO) zu ermitteln.BGH NZI 2020, 679 Rn. 13.

2. Juristische Personen und Personengesellschaften

a) Grundsatz

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Ist der Schuldner eine Personengesellschaft (z.B. OHG, KG, GbR, PartG) oder eine juristische Person (z.B. AG, GmbH, UG, SE), regelt § 15 InsO, wer berechtigt ist, den Schuldner bei der Stellung des Eröffnungsantrags zu vertreten. Nach § 15 Abs. 1 S. 1 InsO steht bei juristischen Personen jedem einzelnen Mitglied des Vertretungsorgans (Vorstand, Geschäftsführer) das Antragsrecht zu. Es handelt sich um eine besondere gesetzliche Vertretungsmacht.Steffek in: Kübler/Prütting/Bork InsO § 15 Rn. 1. Hat eine GmbH mehrere Geschäftsführer, kann jeder Geschäftsführer namens der GmbH den Eröffnungsantrag stellen, auch wenn er laut Satzung nicht einzelvertretungsberechtigt ist.Vgl. BGH NZI 2016, 702 Rn. 14; Braun/Sorg InsO § 15 Rn. 6. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass jedes Mitglied des Vertretungsorgans insolvenzantragspflichtig ist (§ 15a InsO).Uhlenbruck/Hirte InsO § 15 Rn. 1. Bei einer Personengesellschaft ist neben dem geschäftsführenden Gesellschafter jeder persönlich haftende Gesellschafter antragsberechtigt (§ 15 Abs. 1 S. 1 InsO).BGH NZI 2018, 442 Rn. 33 (kein Antragsrecht für Kommanditisten). Stellt nur ein Teil der Mitglieder des Vertretungsorgans den Eröffnungsantrag, ist eine Glaubhaftmachung des Eröffnungsgrunds erforderlich (§ 15 Abs. 2 S. 1 InsO). Grund ist, dass ein Einzelner nicht in die Lage versetzt werden soll, das Unternehmen übereilt in die Insolvenz zu führen. Das Insolvenzgericht muss den übrigen Mitgliedern des Vertretungsorgans Gelegenheit zur Stellungnahme geben (§ 15 Abs. 2 S. 3 InsO).

Beispiel

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Geschäftsführer der MODEHAUS GmbH sind Gloria (G) und Serkan (S); es besteht Gesamtvertretung (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Nach § 15 Abs. 1 S. 1 InsO sind sowohl (G) als auch (S) berechtigt, den Eröffnungsantrag zu stellen. Reicht nur (G) den Antrag ein, kommt § 15 Abs. 2 InsO zur Anwendung. (G) muss den Eröffnungsgrund (Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung) mit Tatsachen belegen. Zudem muss das Insolvenzgericht den (S) anhören (§ 15 Abs. 2 S. 3 InsO).

b) Besonderheiten bei drohender Zahlungsunfähigkeit

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Wird der Eröffnungsantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt, gilt für juristische Personen und Personengesellschaften die Norm des § 18 Abs. 3 InsO, die den Grundsatz des § 15 Abs. 1 InsO verdrängt.HambKomm-InsR/Schröder InsO § 18 Rn. 20. Der Antrag ist nur zulässig, wenn er von einem kraft Gesellschaftsvertrag zur Einzelvertretung berechtigten Organmitglied gestellt wird; andernfalls muss der Antrag von allen Mitgliedern des Vertretungsorgans (z.B. allen sieben Vorständen der AG) bzw. allen persönlich haftenden Gesellschaftern gemeinsam gestellt werden (§ 18 Abs. 3 InsO). Damit soll verhindert werden, dass ein einzelnes Mitglied willkürlich über die Insolvenz des Schuldners entscheidet. Ist der Antrag (zulässig) ohne Mitwirkung der anderen Organmitglieder gestellt worden, sind die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 InsO zu beachten.Steffek in: Kübler/Prütting/Bork InsO § 18 Rn. 4. Insbesondere sind die übrigen Organmitglieder anzuhören (§ 15 Abs. 2 S. 3 InsO).

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Umstritten ist, ob die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft in die Antragstellung nach § 18 InsO eingebunden werden müssen. Hierfür spricht, dass das Insolvenzverfahren für die Gesellschafter einschneidende Folgen hat. So führt das Regelverfahren zur Auflösung der Gesellschaft (z.B. § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). Im Insolvenzplanverfahren sind Eingriffe in die Gesellschafterrechte gegen den Willen der Gesellschafter möglich (§ 225a i.V.m. § 245 InsO). Demzufolge sind die Vertretungsorgane im Innenverhältnis verpflichtet, die vorherige Zustimmung der (GmbH-)Gesellschafter zur Einreichung des Eröffnungsantrags einzuholen,Vgl. HambKomm-InsR/Schröder InsO § 18 Rn. 23. wobei allerdings ein ohne die Zustimmung gestellter Antrag im Außenverhältnis zulässig bleibt.OLG München NZI 2013, 542, 543 f. Aktuell wird diskutiert, ob die Einleitung eines StaRUG-Restrukturierungsverfahren der vorherigen Zustimmung der Gesellschafter bedarf. Die überwiegende Ansicht lehnt dies ab.Mulert/Steiner NZG 2021, 673, 677; De Bruyn/Ehmke NZG 2021, 661 f. Argumentiert wird, dass das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren dem Unternehmensinteresse dient und nicht zur Auflösung der Gesellschaft führt. Dies beinhalte kein Grundlagengeschäft, sondern sei klassische Geschäftsführungsaufgabe. Die Gegenansicht verlangt hingegen aufgrund der Eingriffsmöglichkeit in die Gesellschafterrechte (§ 7 Abs. 4 StaRUG) deren vorherige Zustimmung.Ristelhuber NZI 2021, 417, 419.

3. Form und Inhalt

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Nach § 13 Abs. 1 S. 1 InsO ist der Eröffnungsantrag schriftlich zu stellen. Der Antrag muss vom Schuldner eigenhändig unterzeichnet sein (§ 4 InsO i.V.m. § 130 ZPO). Zulässig ist ein elektronisches Dokument (§ 130a ZPO). Der Eröffnungsantrag setzt die Prozessfähigkeit des Antragstellers voraus, so dass für juristische Personen deren organschaftliche Vertreter handeln müssen. Der Antrag muss alle relevanten Angaben zum Schuldner (Rechtsform, ladungsfähige Anschrift) sowie Angaben zur örtlichen Zuständigkeit (Satzungssitz, COMI) enthalten.Braun/Sorg InsO § 13 Rn. 11; BeckOK InsR/Wolfer InsO § 13 Rn. 21 f.

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Darüber hinaus müssen die in § 13 Abs. 1 S. 3 bis S. 7 InsO geregelten speziellen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sein. Nach § 13 Abs. 1 S. 3 InsO muss der Schuldner seinem Eigenantrag ein Gläubigerverzeichnis und ein Forderungsverzeichnis beifügen. Im Gläubigerverzeichnis sind sämtliche Gläubiger möglichst genau zu bezeichnen (Name, Adresse, Rechtsform, Vertretung).Zur Diskussion über den konkreten Umfang der Angaben LG Frankenthal NZI 2017, 895 f. Ist der Geschäftsbetrieb noch nicht eingestellt, d.h. ist der Schuldner noch werbend tätig, kommt mit § 13 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 bis 5 InsO eine Soll-Bestimmung zur Gläubigerstruktur dazu. Danach soll der Schuldner im Gläubigerverzeichnis die höchsten Forderungen (Nr. 1), die höchsten gesicherten Forderungen (Nr. 2), die Forderungen der Finanzverwaltung (Nr. 3), die Forderungen der Sozialversicherungsträger (Nr. 4) und schließlich die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung (Nr. 5) kenntlich machen. Aus dem Soll wird ein Muss, wenn der Schuldner die Eigenverwaltung beantragt oder die Merkmale des § 22a InsO erfüllt oder die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt (§ 13 Abs. 1 S. 6 Nr. 1 bis 3 InsO). Bei laufendem Geschäftsbetrieb muss der Schuldner zudem zwingend Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen sowie zur Anzahl der Arbeitnehmer machen (§ 13 Abs. 1 S. 5 InsO). Zweck der Norm ist es, dem Gericht die sofortige Entscheidung zu ermöglichen, ob ein vorläufiger Gläubigerausschuss nach § 22a InsO einzusetzen ist.Uhlenbruck/Wegener InsO § 13 Rn. 108. Zudem muss der Schuldner versichern, dass seine Angaben richtig und vollständig sind (§ 13 Abs. 1 S. 7 InsO). Für Anträge nach § 3a InsO, mit denen ein Gruppen-Gerichtsstand begründet wird, stellt § 13a InsO weitere Anforderungen auf.

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Die Stellung eines korrekten Eröffnungsantrags ist für den Schuldner von erheblicher Bedeutung. Denn schon bei fahrlässigen Falschangaben kann ein „nicht richtig“ gestellter Antrag eine Strafbarkeit begründen (§ 15a Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 InsO). Die Strafbarkeit ist allerdings an die objektive Bedingung geknüpft, dass das Gericht den Antrag rechtskräftig als unzulässig zurückweist (§ 15a Abs. 6 InsO). Die Zurückweisung als unzulässig darf wiederum nur erfolgen, wenn das Gericht den Schuldner auf die inhaltlichen Mängel seines Antrags hingewiesen und ihm eine Frist zur Behebung der Mängel gesetzt hat (§ 13 Abs. 3 InsO). Die Dauer der Frist ist im Gesetz nicht genannt und beträgt in der Regel maximal zwei Wochen.BeckOK InsR/Wolfer InsO § 13 Rn. 32. Erst nach Verstreichen der Frist darf das Gericht den Antrag als unzulässig zurückweisen.BGH NJW 2003, 1187.

4. Rücknahme des Eigenantrags

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Nach § 13 Abs. 2 InsO kann der Eröffnungsantrag bis zur Entscheidung des Gerichts über die Eröffnung des Verfahrens (§ 27 InsO) oder die Abweisung mangels Masse (§ 26 InsO) jederzeit zurückgenommen werden. Nach Eröffnung des Verfahrens ist eine Rücknahme aus Gründen der Rechtssicherheit nicht mehr erlaubt.BGH NZI 2017, 75 Rn. 13. Im Gesetz findet sich keine Regelung, wer bei juristischen Personen oder Personengesellschaften berechtigt ist, den Eröffnungsantrag wieder zurückzunehmen, da § 15 InsO nur für die Einreichung und nicht für die Rücknahme gilt. Grundsätzlich sind die gesellschaftsrechtlichen Vertretungsregelungen zu beachten. Ist das antragstellende Organmitglied zwischenzeitlich abberufen worden, ist der neu bestellte (oder übrig gebliebene) Geschäftsführer zur Rücknahme des Antrags berechtigt, da die Gesellschaft handlungsfähig bleiben muss.BGH NZI 2008, 550, 551; HambKomm-InsR/Linker InsO § 13 Rn. 57.

5. Weitere Anträge

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Mit dem Eröffnungsantrag kann der Schuldner weitere Anträge verbinden. So kann er einen Antrag auf Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses (§ 22a Abs. 2 InsO) oder einen Antrag auf Begründung eines Gruppengerichtsstands (§ 3a InsO) stellen. Beabsichtigt der Schuldner die Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens, kann er seinen Eröffnungsantrag mit einem Antrag auf Eigenverwaltung gem. §§ 270b Abs. 1 InsO, 270f Abs. 1 InsO verbinden. Ist der Schuldner eine natürliche Person, wird er seinem Eröffnungsantrag zugleich einen Antrag auf Restschuldbefreiung (§ 287 InsO) beifügen. Auch ein Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten ist möglich (§ 4a InsO).

II. Antrag eines Gläubigers

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Nach § 13 Abs. 1 S. 2 InsO ist auch jeder Gläubiger berechtigt, einen Eröffnungsantrag (Fremdantrag) zu stellen, wozu auch absonderungsberechtigte und nachrangige Gläubiger gehören.Braun/Sorg InsO § 13 Rn. 6. Im Fall des § 111i Abs. 2 StPO ist auch die Staatsanwaltschaft zur Antragstellung berechtigt. In der Praxis werden vor allem Finanzämter und Sozialversicherungsträger aktiv. Die Voraussetzungen eines Fremdantrags sind in § 14 Abs. 1 InsO näher geregelt. Der Gläubiger muss ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft machen. Mittel der Glaubhaftmachung sind Urkunden oder die eidesstattliche Versicherung (§ 294 ZPO). Dem Schuldner ist rechtliches Gehör zu gewähren (§ 14 Abs. 2 InsO). Gegen den Fremdantrag als solchem steht dem Schuldner kein Rechtsmittel zu.Bei Insolvenzantrag der Staatsanwaltschaft nach § 111i StPO gilt § 23 EGGVG (BGH NZI 2020, 812 Rn. 28 ff.). In der COVID-19-Pandemie waren Anträge seitens der Gläubiger für kurze Zeit eingeschränkt (§ 3 SanInsKG).

1. Glaubhaftmachung des Eröffnungsgrunds

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Ein Fremdantrag ist nur zulässig, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass ein Eröffnungsgrund besteht, der Schuldner also zahlungsunfähig (§ 17 InsO) oder überschuldet (§ 19 InsO) ist. Die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) spielt bei einem Fremdantrag keine Rolle. Ein Mittel der Glaubhaftmachung, um die Zahlungsunfähigkeit zu belegen, ist die Fruchtlosigkeitsbescheinigung des Gerichtsvollziehers (§ 63 Abs. 2 S. 2 GVGA). Der Gläubiger kann aber auch Indizien nennen, die einzeln oder in ihrer Häufung den hinreichend sicheren Schluss auf das Vorliegen der Zahlungseinstellung zulassen.BGH NZI 2013, 594 Rn. 10; Pape in: Kübler/Prütting/Bork InsO § 14 Rn. 136. Soll der Eröffnungsgrund aus einer einzigen Forderung des antragstellenden Gläubigers abgeleitet werden, genügt deren Glaubhaftmachung nicht; die Forderung muss bewiesen sein (z.B. durch einen Vollstreckungstitel).BGH NZI 2016, 950 Rn. 12; NZI 2016, 732 Rn. 12 ff. In der Praxis gelingt es am ehesten den Sozialversicherungsträgern, die Zahlungsunfähigkeit glaubhaft machen. So stellt das Ausbleiben von sechs Monatsbeiträgen nach der Rechtsprechung des BGH ein starkes Indiz für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit dar.BGH NZI 2020, 1043 Rn. 25; NJW 2015, 1388, 1389; Braun/Sorg InsO § 14 Rn. 31. Der Eröffnungsgrund der Überschuldung spielt bei Gläubigeranträgen keine Rolle, da es für sie als Außenstehende nahezu unmöglich ist, die Überschuldung ohne Zugang zu den Unterlagen des Rechnungswesens (Buchführung, Sanierungsgutachten, Jahresabschluss) glaubhaft zu machen.Vgl. Pape in: Kübler/Prütting/Bork InsO § 14 Rn. 134. Die Vorlage der Handelsbilanz, die eine bilanzielle Überschuldung des Schuldners ausweist (abrufbar unter www.bundesanzeiger.de), ist wenig aussagekräftig, da die Handelsbilanz stets vergangenheitsbezogen ist.

2. Glaubhaftmachung der Forderung

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Der Gläubiger muss zudem seine Forderung durch die Vorlage von Verträgen, Rechnungen, Lieferscheinen oder Kontoauszügen glaubhaft belegen. Die Forderung muss nicht tituliert sein.HambKomm-InsO/Linker InsO § 14 Rn. 14. Bestreitet der Schuldner den Bestand der Forderung substantiiert und hängt von der Forderung der Eröffnungsgrund ab, muss der Gläubiger den Bestand seiner Forderung beweisen, die Glaubhaftmachung genügt in diesem Fall nicht. Der Beweis kann durch Vorlage eines Vollstreckungstitels geführt werden.BGH NZI 2021, 266 Rn. 7. Ist die Forderung nicht tituliert, gehen Zweifel zu Lasten des Gläubigers.

3. Rechtliches Interesse

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Die Zulässigkeit eines Fremdantrags setzt ein rechtliches Interesse des Gläubigers an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus. Grundsätzlich ist dem Gläubiger allein wegen des staatlichen Vollstreckungsmonopols ein rechtliches Interesse zuzusprechen.BGH NZI 2021, 268 Rn. 58; NZI 2020, 1043 Rn. 17; NZI 2016, 732 Rn. 17. Das rechtliche Interesse fehlt, wenn dem Gläubiger ein einfacherer, schnellerer und günstigerer Weg zur vollständigen Befriedigung seiner Forderung zur Verfügung steht. Das ist der Fall, wenn der Gläubiger über eine werthaltige dingliche Sicherheit verfügt, die eine Befriedigung durch Einzelzwangsvollstreckung in angemessener Frist ermöglicht.BGH NZI 2021, 182 Rn. 10 ff. (Suizidgefährdung); NZI 2008, 182, 183. Ein weiteres Beispiel ist die Verfolgung insolvenzwidriger Zwecke. So ist der Antrag rechtsmissbräuchlich, wenn der Gläubiger diesen als Druckmittel einsetzt, um die Erfüllung der Forderung zu erzwingen.BGH NZI 2021, 268 Rn. 58; NZI 2020, 1043 Rn. 17; LG Berlin NZI 2021, 632 Rn. 4. Allein die Tatsache, dass der Gläubiger seinen Antrag zurücknimmt, nachdem der Schuldner die Forderung bezahlt hat, erlaubt nicht den Rückschluss, dass es sich um einen rechtsmissbräuchlichen „Druckantrag“ handelt.BGH NZI 2020, 1043 Rn. 18 ff.; a.A. noch AG Köln NZI 2019, 617 Rn. 7 ff., 24 ff. Stellt ein Gläubiger einen Eröffnungsantrag über das Vermögen einer politischen Partei, ist im Hinblick auf Art. 21 Abs. 1 GG zu prüfen, ob die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einhergehenden Einschränkungen verhältnismäßig sind.BGH NZI 2021, 268 Rn. 59 (bei Antrag eines öffentlich-rechtlichen Gläubigers).

4. Ausgleich der Forderung

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Erfüllt der Schuldner nach Zustellung des Fremdantrags die Forderung, müsste der Eröffnungsantrag, da keine Forderung mehr besteht (§ 362 BGB), als unzulässig abgewiesen werden. Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 S. 2 InsO gesteht dem Gläubiger jedoch ein Wahlrecht zu. Er kann das Verfahren durch Antragsrücknahme (§ 13 Abs. 2 InsO) oder Erledigungserklärung (§ 91a ZPO) beenden. Er kann aber  auch seinen Eröffnungsantrag aufrechterhalten,BGH NZI 2020, 1043 Rn. 11; Pape in: Kübler/Prütting/Bork InsO § 14 Rn. 221. da in § 14 Abs. 1 S. 2 InsO ausdrücklich festgelegt ist, dass die Zahlung nicht zur Unzulässigkeit des Antrags führt. Damit bleibt der Gläubiger antragsberechtigt und kann den Eröffnungsantrag „weiterlaufen“ lassen.BGH NZI 2022, 25 Rn. 13. Die Norm soll Gläubiger (insbesondere Sozialversicherungsträger, Finanzämter) davor schützen, mit ansehen zu müssen, dass der Schuldner den Insolvenzantrag durch Zahlung der aktuellen Forderung erledigt, um anschließend sogleich wieder neue Verbindlichkeiten zu begründen.Pape in: Kübler/Prütting/Bork InsO § 14 Rn. 189. Wird der aufrechterhaltene Eröffnungsantrag des Gläubigers später als unbegründet abgewiesen, weil ein Gutachten ergibt, dass der glaubhaft gemachte Eröffnungsgrund doch nicht besteht, gilt die spezielle Kostenregel des § 14 Abs. 3 S. 1 InsO, wonach der Schuldner die Verfahrenskosten tragen muss.MünchKomm-InsO/Vuia § 14 Rn. 152.

5. Kostentragung einer StaRUG-Stabilisierungsanordnung

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Einen weiteren Fall, dass der Schuldner die Verfahrenskosten tragen muss, obwohl der Gläubigerantrag abgewiesen wird, regelt § 14 Abs. 3 S. 2 InsO. Danach hat der Schuldner die Verfahrenskosten zu tragen, wenn der Eröffnungsantrag des Gläubigers deshalb abgewiesen wird, weil vor Antragstellung eine nichtöffentliche Stabilisierungsanordnung (§§ 29 Abs. 2 Nr. 3, 49 StaRUG) erlassen worden war, die der Gläubiger nicht kennen konnte. Wird die Stabilisierungsanordnung nach dem Gläubigerantrag erlassen, wird der Antrag nach § 58 StaRUG ausgesetzt.

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