Inhaltsverzeichnis
- 4. Teil Das Verbraucherinsolvenzverfahren
- A. Einführung
- B. Anwendungsbereich
- I. Adressatenkreis
- II. Antrag und richtige Verfahrensart
- C. Das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren
- D. Das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren
- I. Eröffnungsantrag und Unterlagen
- II. Ruhen des Insolvenzverfahrens
- E. Das eigentliche Insolvenzverfahren
- I. Regelverfahren
- II. Insolvenzplanverfahren
- F. Wohlverhaltensperiode und Restschuldbefreiung
4. Teil Das Verbraucherinsolvenzverfahren
A. Einführung
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Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist in den §§ 304 ff. InsO geregelt. Es steht nur natürlichen Personen offen und ist Mittel zum Zweck. Es wird nur deshalb durchlaufen, um am Ende die Restschuldbefreiung zu bekommen. Da das Verbraucherinsolvenzverfahren etwas komplizierter als das Regelverfahren ist (es besteht aus vier Stufen), soll zunächst der Ablauf dieses Verfahrens im Zeitraffer dargestellt werden.
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Als erste Stufe ist zwingend ein außergerichtlicher Schuldenbereinigungsversuch zu absolvieren. Der Schuldner muss zunächst versuchen, sich mit allen Gläubigern außergerichtlich zu einigen (z.B. „biete Quote von 10 %“). Andernfalls darf er keinen Eröffnungsantrag stellen. Stimmen alle Gläubiger zu, kann sich der Schuldner freuen. Ist die erste Stufe dagegen gescheitert, weil die Gläubiger nicht zu 100 % mitmachen, kann der Schuldner jetzt einen Eröffnungsantrag stellen und zugleich einen Schuldenbereinigungsplan vorlegen. In diesem Fall wird zur nächsten Stufe, dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren, übergeleitet. Erst danach folgt das eigentliche Insolvenzverfahren, die dritte Stufe. Gab es früher einige Besonderheiten in diesem Verfahrensabschnitt, so hat die Insolvenzrechtsreform 2014 diese Eigenheiten des Verbraucherinsolvenzverfahrens beseitigt. Während früher ein Treuhänder bestellt wurde, ist nun auch im Verbraucherinsolvenzverfahren ein „echter Insolvenzverwalter“ für die Masseverwertung und Massebereinigung zuständig. Die dritte Stufe entspricht also seit 1.7.2014 dem Regelverfahren. Das eigentliche Ziel des Verbraucherinsolvenzverfahrens ist die Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO), die vierte und letzte Stufe des Verfahrens, die in diesem Lehrbuch bereits behandelt wurde (näher Rn. 387 ff.). Alternativ steht den Verbrauchern seit 2014 auch das Insolvenzplanverfahren zur Verfügung (allerdings ohne die Möglichkeit der Eigenverwaltung § 270 Abs. 1 S. 3 InsO).
B. Anwendungsbereich
I. Adressatenkreis
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Das Verbraucherinsolvenzverfahren setzt stets die (erfolglose) Durchführung eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs voraus (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Diese erste Stufe ist eine Besonderheit des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Da ein derartiges Vergleichsverfahren äußerst arbeitsintensiv ist (wofür häufig die Hilfe einer Schuldnerberatungsstelle benötigt wird), kommt der Abgrenzung zwischen Regel- und Verbraucherinsolvenzverfahren erhebliche Bedeutung zu.
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Expertentipp
Den Adressatenkreis haben Sie schon am Anfang des Skripts kennengelernt. Hier können Sie Ihr Wissen nochmals vertiefen.
Der Adressatenkreis des Verbraucherinsolvenzverfahrens ist in § 304 InsO näher geregelt (s. auch Rn. 19). Nach der Legaldefinition sind Verbraucher natürliche Personen, die keine selbstständige Tätigkeit ausüben oder ausgeübt haben (§ 304 Abs. 1 S. 1 InsO). Im Ergebnis gibt es somit drei verschiedene Personengruppen: Menschen, die nie selbstständig waren, sind nach § 304 Abs. 1 S. 1 InsO stets Verbraucher. Das sind Beamte, Arbeitnehmer, Rentner, Arbeitslose, aber auch angestellte Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung an der GmbH.
Reischl Insolvenzrecht Rn. 881. Umgekehrt gilt: Menschen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung eine selbstständige Tätigkeit ausüben („Unternehmer“), sind keine Verbraucher und bekommen das Regelverfahren. Ob Gesellschafter als aktive Unternehmer anzusehen sind, wird streitig diskutiert.Überblick bei HambKomm-InsO/Streck/Ritter § 300 Rn. 5b. Mehrheitsgesellschafter einer Kapitalgesellschaft sowie haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft sind „Profis“ und daher keine Verbraucher. Weitere Abgrenzungsprobleme gibt es nach § 304 Abs. 1 S. 2 InsO für die dritte Variante. Hier geht es um Menschen, die früher selbstständig waren, aber es zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr sind. Sie werden als „Verbraucher“ behandelt, wenn ihre Vermögensverhältnisse überschaubar sind und gegen sie keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen (§ 304 Abs. 1 S. 2 InsO). Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse liegt vor, wenn der ehemals Selbstständige weniger als 20 Gläubiger (= maximal 19 Gläubiger) hat (§ 304 Abs. 2 InsO). Trotz kleiner Gläubigerzahl können für Unüberschaubarkeit Indizien, wie komplexe Anfechtungssachverhalte, Auslandsbezug oder Absonderungsrechte, sprechen.BGH v. 12.2.2009 – IX ZB 215/08 = NZI 2009, 384, 385. Gegen den früher Selbstständigen dürfen zudem keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. Dazu gehören auch Ansprüche der Sozialversicherungsträger oder der Finanzämter, soweit sie Arbeitsverhältnisse betreffen.BGH v 22.9.2005 – IX ZB 55/04 = NJW 2006, 917, 919.II. Antrag und richtige Verfahrensart
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Für Schuldner, die nur geringfügig selbstständig sind oder früher einmal selbstständig waren, ist es gar nicht so leicht, die richtige Verfahrensart zu bestimmen. Der Antragsteller ist grundsätzlich nicht verpflichtet, eine bestimmte Verfahrensart (Regelverfahren, Verbraucherinsolvenzverfahren) anzugeben. Das Gericht muss die richtige Verfahrensart von Amts wegen anordnen.
Gottwald/Ahrens Insolvenzrechts-Handbuch § 81 Rn. 27. Die Folgen einer falsch gewählten Verfahrensart (z.B. „ich beantrage das Regelverfahren“) sind gesetzlich unzureichend geregelt.Näher Foerste Insolvenzrecht Rn. 640. Das Gericht muss auf die falsche Verfahrensart hinweisen. Zudem muss es dem Schuldner Gelegenheit geben, binnen eines Monats die fehlenden Unterlagen für das Verbraucherinsolvenzverfahren beizubringen (§ 305 Abs. 3 InsO). Hat der Schuldner noch gar kein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren durchgeführt, wird die Zeit denkbar knapp. Hält der Antragsteller dennoch an dem ursprünglichen Antrag fest, muss dieser als unzulässig abgewiesen werden (ein neuer zulässiger Antrag ist jederzeit möglich).Gottwald/Gundlach Insolvenzrechts-Handbuch § 16 Rn. 2. Gleiches gilt, wenn ein aktuell Selbstständiger aus Versehen das Verbraucherinsolvenzverfahren wählt. Unklare Anträge sind so auszulegen, dass der Antragsteller das einschlägige Verfahren anstrebt.C. Das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren
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Das Verbraucherinsolvenzverfahren beginnt stets außergerichtlich. Der Schuldner muss zunächst eine außergerichtliche Einigung mit seinen Gläubigern versuchen (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Er braucht die Zustimmung von allen. Lehnt auch nur ein Gläubiger ab, ist der Schuldenbereinigungsplan gescheitert. Die Art und Weise der Gläubigerkommunikation bleibt dem Schuldner überlassen. Es gibt keine gesetzlichen Vorgaben. Zunächst beginnt der mühsame Weg, alle Gläubiger ausfindig zu machen (Gläubigerliste erstellen). Ist das mit Hilfe einer Schuldnerberatungsstelle geschafft, sind mehrere Modelle einer außergerichtlichen Einigung denkbar. In jedem Fall muss der Schuldner einen schriftlichen Plan aufstellen. Dabei kann er den amtlichen Vordruck (Musterschuldenbereinigungsplan) verwenden, der online zur Verfügung steht. Die inhaltliche Gestaltung des Plans ist frei. Möglich sind Verzichte, Stundungen, Anpassungsklauseln (z.B. für den Fall der Arbeitslosigkeit), Schonungsklauseln für bestimmte Vermögenswerte oder Besserungsklauseln (für den Fall, dass der Schuldner später doch noch reich wird).
Foerste Insolvenzrecht Rn. 641; Bork Insolvenzrecht Rn. 485. Es müssen nur Vorschläge zu Höhe und Zeitpunkt der Zahlungen enthalten sein. Beispielsweise kann der Schuldner im Plan seinen Gläubigern eine fixe Quote (0,5 %, 5 %, 10 %, 20 %, 30 %, etc.) in Form der Einmalzahlung anbieten, die zu einem festen Stichtag bezahlt wird (z.B. ein Verwandter stellt eine Summe X zur Verfügung). Falls der Schuldner keine anderen Geldmittel als sein laufendes Arbeitseinkommen hat, kann er anbieten, den pfändbaren Teil den Gläubigern für eine gewisse Zeit zu überlassen. Lebt der Schuldner bereits am Existenzminimum, darf er nach Ansicht des BGH einen „flexiblen Null-Plan“ (= die Abtretung des pfändbaren Arbeitseinkommens für die nächsten sechs Jahre = „höchstwahrscheinlich Null“) anbieten.BGH v. 10.10.2013 – IX ZB 97/12 = NZI 2014, 34, 35. Gerade das letzte Beispiel zeigt deutlich, dass die außergerichtliche Einigung in den meisten Fällen nicht zustande kommt.Haarmeyer/Frind Insolvenzrecht Rn. 328.580
Das Scheitern des Plans muss in jedem Fall förmlich dokumentiert werden. Nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO muss eine geeignete Person oder eine geeignete Stelle das Scheitern der außergerichtlichen Einigung bescheinigen. Geeignete Stellen sind vor allem Rechtsanwälte, Steuerberater, Schuldnerberatungsstellen, Verbraucherzentrale, Diakonisches Werk und andere kirchliche Einrichtungen oder Vereine.
Bork Insolvenzrecht Rn. 483. Für die Bescheinigung gibt es ein Formular, das Teil des amtlichen Antragsvordrucks für das Insolvenzverfahren ist (§ 305 Abs. 5 InsO); es besteht Verwendungszwang.581
Zusätzliche Voraussetzung ist, dass das Scheitern „frisch“ sein muss. Nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO kann der Antrag auf die nächste Stufe (gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren) nur gestellt werden, wenn das Scheitern des Plans nicht länger als sechs Monate zurückliegt. Die Frist bezieht sich nicht auf das Datum der Ausstellung, sondern auf das endgültige Scheitern (= Zeitpunkt der Ablehnung des Vorschlags durch den letzten Gläubiger).
AG Göttingen v. 29.6.2005 – 74/IK 162/05 = NZI 2005, 510. Nach § 305a InsO gilt der Versuch kraft Gesetzes als gescheitert, wenn ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung in der Verhandlungsphase einleitet.582
Die Ausführungen zeigen, dass der außergerichtliche Einigungsversuch erhebliche administrative Anforderungen stellt, an denen einige Schuldner scheitern. Zu Recht wird dieser Teil des Verbraucherinsolvenzverfahrens – angesichts finanziell schlecht ausgestatteter Schuldnerberatungsstellen und standardisierter Ablehnungsschreiben der institutionellen Gläubiger – als unnötiger und belastender Formalismus kritisiert.
Gottwald/Ahrens Insolvenzrechts-Handbuch § 82 Rn. 2.D. Das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren
I. Eröffnungsantrag und Unterlagen
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Expertentipp
Wenn Sie die (lange) Vorschrift des § 305 InsO lesen, können Sie erahnen, dass es gar nicht so einfach ist, einen Eröffnungsantrag zu stellen und alles richtig auszufüllen.
Um die nächste Stufe des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens einzuleiten, muss der Schuldner nun einen schriftlichen Eröffnungsantrag stellen (§ 305 Abs. 1 InsO). Hierfür gibt es amtliche Vordrucke (§ 305 Abs. 5 InsO). Es besteht Verwendungszwang. Dem Antrag sind zahlreiche Unterlagen beizufügen bzw. unverzüglich nachzureichen. Beizufügen sind: die Bescheinigung des Scheiterns der außergerichtlichen Einigung (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO), der Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung (§ 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO), ein Vermögensverzeichnis nebst Vermögensübersicht sowie ein Gläubigerverzeichnis nebst Forderungen (§ 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO) sowie einen Schuldenbereinigungsplan (§ 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO). Für alle Unterlagen existieren Formulare, die im amtlichen Vordruck zum Eröffnungsantrag (Anlagen 2 bis 7 C) enthalten sind (www.justiz.de). Hier sollte der Schuldner große Sorgfalt walten lassen. Denn das fahrlässige Falschausfüllen (z.B. beim Gläubigerverzeichnis) kann dazu führen, dass die Restschuldbefreiung später versagt wird (§ 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO).
Gottwald/Ahrens Insolvenzrechts-Handbuch § 83 Rn. 10.584
Das Gericht muss zunächst die Zulässigkeit des Eröffnungsantrags prüfen. Hin und wieder sind die Unterlagen des Schuldners unvollständig, was angesichts der auszufüllenden Papierflut leicht passieren kann. Insbesondere muss das Scheitern der außergerichtlichen Einigung nachgewiesen sein. Auch der Restschuldbefreiungsantrag muss gestellt sein. Fehlt etwas, muss das Insolvenzgericht den Schuldner auffordern, die fehlenden Punkte unverzüglich zu ergänzen (§ 305 Abs. 3 S. 1 InsO). Tut der Verbraucher das nicht innerhalb eines Monats, hat er Pech gehabt. Sein Eröffnungsantrag gilt (!) als zurückgenommen (§ 305 Abs. 3 S. 2 InsO). Gegen diese Rücknahmefiktion gibt es kein Rechtsmittel.
BGH v. 16.10.2003 – IX ZB 599/02 = NJW 2004, 67, 68 f. Ein neuer Antrag ist aber möglich.Reischl Insolvenzrecht Rn. 895; Uhlenbruck/Sternal InsO § 305 Rn. 134.II. Ruhen des Insolvenzverfahrens
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Bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan ruht das Verfahren über den Eröffnungsantrag (§ 306 Abs. 1 S. 1 InsO). Das Gericht kann Sicherungsmaßnahmen (§ 21 InsO) zugunsten des Schuldnervermögens treffen (§ 306 Abs. 2 InsO).
HambKomm-InsO/Streck/Ritter § 307 Rn. 11. Parallel zum Ruhen läuft nun das gerichtliche Vermittlungsverfahren an. Dieses soll nicht länger als drei Monate dauern (§ 306 Abs. 1 S. 2 InsO). Nicht immer macht das Ruhen bzw. das gerichtliche Vermittlungsverfahren Sinn. Daher sieht das Gesetz vor, dass das Gericht ganz auf das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren (zweite Stufe) verzichten kann, indem es sogleich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (dritte Stufe) anordnet mit dem Argument, dass der Plan voraussichtlich nicht angenommen wird (§ 306 Abs. 1 S. 2 InsO). Das ist in der Praxis häufig (insbesondere bei einem Null-Plan) der Fall.Foerste Insolvenzrecht Rn. 645, 665. Gerade bei masselosen Verbraucherinsolvenzen ist das aufwändige Verfahren ohne Nutzen. Nur 2,1 % der Verfahren erledigen sich durch das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren.Haarmeyer/Frind Insolvenzrecht Rn. 318.586
Will das Gericht das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren dagegen durchführen, stellt es den Schuldenbereinigungsplan den Gläubigern mit der Bitte um Stellungnahme zu (§ 307 InsO). Die Kopien hierfür muss der Schuldner stellen (§ 306 Abs. 2 S. 2 InsO). Zugleich setzt das Gericht für die Erwiderung eine Monatsfrist. Nach Ablauf der Frist werden die positiven und die negativen Stellungnahmen ausgezählt. Für schweigende Gläubiger gibt es eine Zustimmungsfiktion (§ 307 Abs. 2 InsO). Haben nicht 100 % der Gläubiger zugestimmt, muss das Insolvenzgericht entscheiden, ob der Plan gescheitert ist oder ob es die Zustimmung der ablehnenden Gläubiger „ersetzt“ (§ 309 InsO). Die Ersetzung geht nur, wenn mehr als die Hälfte der Gläubiger mit „Ja“ gestimmt haben und diese mehr als die Hälfte der Forderungen besitzen (§ 309 Abs. 1 S. 1 InsO). Ersetzt werden kann auch bei einem Null-Plan.
BGH v. 10.10.2013 – IX ZB 97/12 = NZI 2014, 34, 36. Bei positivem Ausgang stellt das Gericht die Annahme des Plans durch Beschluss fest. Der Plan hat dann die Wirkung eines Prozessvergleichs (§ 308 Abs. 1 S. 2 InsO mit § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Er ist Vollstreckungstitel. Der Eröffnungsantrag ist erledigt, ebenso der Antrag auf Restschuldbefreiung; beide Anträge gelten als zurückgenommen (§ 308 Abs. 2 InsO). Bei negativem Ausgang leitet das Gericht in die dritte Stufe über (= Eröffnung des Insolvenzverfahrens).E. Das eigentliche Insolvenzverfahren
I. Regelverfahren
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In der nächsten Stufe muss das Gericht über den Eröffnungsantrag des Schuldners entscheiden (vgl. auch § 311 InsO). Hier gelten dieselben Voraussetzungen wie im Regelverfahren. Zunächst muss der Antrag zulässig und begründet sein, d.h. es muss der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) vorliegen. Ist das der Fall, gibt es wie im Regelverfahren zwei Entscheidungsoptionen. Das Gericht kann das Insolvenzverfahren eröffnen oder den Antrag mangels Masse abweisen (§ 26 InsO). Die Abweisung muss erfolgen, wenn die Verfahrenskosten (ca. 1200 € im Verbraucherinsolvenzverfahren) nicht gedeckt sind. Zu Gunsten von armen Schuldnern, die nicht einmal die Verfahrenskosten entrichten können, gibt es die Möglichkeit der Stundung, die in §§ 4a ff. InsO näher geregelt ist (hierzu Rn. 218 ff.).
588
Sind die Kosten des Verfahrens gedeckt oder gestundet, wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Damit ist die dritte Stufe eingeleitet. Mit der Eröffnung beginnt zugleich die sechsjährige Abtretungsfrist (§§ 287 Abs. 2 InsO).
BGH v. 26.2.2015 – IX ZB 44/13 = NZI 2015, 328, 329. Folglich laufen Insolvenzverfahren und Abtretungsfrist eine Zeitlang parallel. Für den Ablauf des Insolvenzverfahrens gelten seit der Insolvenzrechtsreform 2014 dieselben Grundsätze wie im Regelverfahren. Es wird ein Insolvenzverwalter eingesetzt, der für die Verfahrensabwicklung zuständig ist, d.h. die Masse in Besitz nimmt, die Sicherheiten verwertet, Anfechtungsansprüche prüft und Prozesse führt (§ 80 InsO). Von der Möglichkeit, belastende Verträge loszuwerden (§§ 103 ff. InsO), wird der Verwalter Gebrauch machen.Gottwald/Ahrens Insolvenzrechts-Handbuch § 81 Rn. 9. Sind die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering, ist das Verfahren schriftlich durchzuführen (§ 5 Abs. 2 S. 1 InsO). Auf den Berichtstermin kann in diesem Fall auch gleich verzichtet werden (§ 29 Abs. 2 InsO). Bei einem Verbraucherinsolvenzverfahren gilt die Rückschlagsperre des § 88 InsO mit der Besonderheit, dass diese drei Monate vor dem Eröffnungsantrag (statt einem Monat) beträgt (§ 88 Abs. 2 InsO). Der Schuldner soll bei seinem Versuch der außergerichtlichen Schuldenbereinigung (vor dem Eröffnungsantrag) nicht durch Vollstreckungsmaßnahmen gestört werden. Ein Gläubiger, der dennoch vollstreckt, muss sein Pfandrecht (wegen § 88 Abs. 2 InsO) wieder hergeben. Ähnliches will § 305a InsO erreichen.Reischl Insolvenzrecht Rn. 888. Vollstreckt ein Gläubiger in der Phase der außergerichtlichen Schuldenbereinigung, gilt der Versuch als gescheitert. Der Schuldner bekommt das bescheinigt und kann sofort Eröffnungsantrag stellen (und der Gläubiger wird wegen § 88 Abs. 2 InsO wieder leer ausgehen).II. Insolvenzplanverfahren
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Seit der Insolvenzrechtsreform 2014 kann der Verbraucher auch im Verbraucherinsolvenzverfahren einen Insolvenzplan vorschlagen, der automatisch zur Restschuldbefreiung führt, wenn nichts anderes im Plan steht. Vorteilhaft ist, dass der Schuldner die Gruppen bildet und für die Abstimmung das Mehrheitsprinzip (§ 244 InsO) sowie das Obstruktionsverbot (§ 245 InsO) gelten. Damit käme der Schuldner um die langwierige Wohlverhaltensperiode herum (s. auch Rn. 473). Nachteile des Planverfahrens sind, dass der Insolvenzplan auch die Gläubiger bindet, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben (§ 254b InsO). Die bekommen dann die Quote, die der Plan für ähnliche Rechte vorsieht. Hat der schludrige Schuldner also zu viele Gläubiger vergessen, kann diese Zahlungspflicht seinen ganzen Plan gefährden.
Näher zu den Vor- und Nachteilen Foerste Insolvenzrecht Rn. 665. Die Eigenverwaltung ist im VerbraucherInsolvenzplanverfahren stets ausgeschlossen (§ 270 Abs. 1 S. 3 InsO). Daher wird immer ein Insolvenzverwalter bestellt.F. Wohlverhaltensperiode und Restschuldbefreiung
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Die Abfolge der Wohlverhaltensperiode mit den Versagungsgründen wurde bereits bei der Restschuldbefreiung für natürliche Personen im Zusammenhang mit dem Regelverfahren näher dargestellt (Rn. 387 ff.). Für Verbraucher gelten dieselben Grundsätze. Seit der Insolvenzrechtsreform 2014 werden auch diejenigen Schuldner in das Schuldnerverzeichnis eingetragen, denen die Restschuldbefreiung gem. §§ 290, 296, 297 oder § 297a InsO versagt worden ist (§ 303a InsO).
Hinweis
Herzlichen Glückwunsch! Sie haben sich bis zur letzten Seite tapfer durchgekämpft. Niemand erwartet, dass Sie jedes Detail des Insolvenzrechts wissen müssen. Es ist diesem Buch hoffentlich gelungen, Ihnen die Schwerpunkte und aktuellen Reformen des Insolvenzrechts vorzustellen sowie die notwendigen Schritte aufzuzeigen, die für eine insolvenzrechtliche Sanierung erforderlich sind. Das Insolvenzverfahren muss also keineswegs das Ende bedeuten, sondern kann auch zu einem Neubeginn beitragen.