Inhaltsverzeichnis
2. Exekutive als Grundrechtsverpflichtete
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Auch die Exekutive ist gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden.
a) Der Exekutive zurechenbare Stellen
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Bei der Exekutive ist allerdings problematisch, welche Stellen überhaupt zur vollziehenden Gewalt gehören. Anerkannt ist, dass der Begriff der „vollziehenden Gewalt“ i.S.d. Art. 1 Abs. 3 GG umfassend zu verstehen ist. Dass hierzu nicht nur die Verwaltung im eigentlichen Sinne gehört, ergibt sich daraus, dass Art. 1 Abs. 3 GG in seiner ursprünglichen Fassung nicht von vollziehender Gewalt, sondern (nur) von „Verwaltung“ sprach. Erst im Jahre 1956 wurde der Begriff der Verwaltung durch den Terminus „vollziehende Gewalt“ ersetzt. Nach dem Willen des verfassungändernden Gesetzgebers sollte hierdurch der Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 3 GG insbesondere auf die neu geschaffene Bundeswehr erstreckt werden.
Beispiel
Vollziehende Gewalt i.S.d. Art. 1 Abs. 3 GG sind daher insbesondere: Verwaltung im engeren Sinne, Regierung, Bundeswehr, Beliehene, Verwaltungshelfer, Träger der mittelbaren Staatsverwaltung wie etwa Gemeinden, Kreise, sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts (z.B. staatliche Hochschulen), Anstalten (z.B. öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten), auch in Sonderrechtsverhältnissen (z.B. Beamten-, Schul-, Strafgefangenenverhältnis). Die Kirchen gehören zur vollziehenden Gewalt nur, soweit sie hoheitliche Gewalt ausüben (z.B. im Friedhofsrecht, Kirchensteuerrecht, Ersatzschulrecht); im rein innerkirchlichem Bereich (z.B. Ämterhoheit der Kirchen) ist die Kirche dagegen nicht grundrechtsverpflichtet.
b) Formen exekutiven Handelns
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Ein anderes Problem stellt sich insoweit, als die Exekutive ihre Aufgaben in vielfältigen Formen wahrnimmt, denn sie ist nicht stets verpflichtet, in öffentlich-rechtlicher Form zu handeln. Vielmehr hat sie in bestimmten Fällen ein Wahlrecht. Damit stellt sich die Frage, ob die Exekutive unabhängig von der Form ihres Handelns immer an die Grundrechte gebunden ist.
aa) Öffentlich-rechtliche Formen
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Sofern die Exekutive bei der Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben öffentlich-rechtlich handelt (z.B. beim Erlass von Verwaltungsakten, Rechtsverordnungen oder Satzungen), ist sie unstreitig gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden.
bb) Privatrechtliche Formen
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Sofern die Exekutive privatrechtlich handelt, sind drei Handlungsformen zu unterscheiden: das Verwaltungsprivatrecht, die erwerbswirtschaftliche Betätigung der Verwaltung und die privatrechtlichen Hilfsgeschäfte der Verwaltung.
Vgl. Kingreen/Poscher Grundrechte Rn. 234.(1) Verwaltungsprivatrecht
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Definition
Verwaltungsprivatrecht
Verwaltungsprivatrecht liegt vor, wenn ein öffentlich-rechtlicher Verwaltungsträger unmittelbar hoheitliche Aufgaben in privatrechtlicher Form erfüllt.
Beim Verwaltungsprivatrecht hat die Exekutive grundsätzlich die Wahl sowohl hinsichtlich der Organisationsform ihres Handelns (öffentlich-rechtlich organisierter Eigen- oder Regiebetrieb; AG, GmbH) als auch hinsichtlich der Ausgestaltung der Leistungs- und Benutzungsverhältnisse (Abschluss privatrechtrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Verträge).
Vgl. Kingreen/Poscher Grundrechte Rn. 234.(2) Erwerbswirtschaftliche Betätigung
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Definition
Erwerbswirtschaftliche Betätigung
Erwerbswirtschaftliche Betätigung der Exekutive liegt vor, wenn die Exekutive eigene unternehmerische Tätigkeit entfaltet.
Dies ist dann der Fall, wenn sie in unternehmerischer Weise am Wirtschaftverkehr teilnimmt bzw. sich an einem im Wettbewerb mit anderen Unternehmen stehenden privaten Unternehmen beteiligt.
(3) Hilfsgeschäft
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Definition
Privatrechtliches Hilfsgeschäft
Ein privatrechtliches Hilfsgeschäft der Exekutive liegt vor, wenn die Exekutive Geschäfte zur Bedarfsdeckung tätigt.
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Es ist inzwischen wohl unstreitig, dass die Exekutive auch dann gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden ist, sofern sie verwaltungsprivatrechtlich, erwerbswirtschaftlich oder hilfsgeschäftlich tätig ist.
Vgl. BVerfG (K) NJW 2016, 3153; BGH NJW 2015, 2892 (anders noch BGHZ 154,146); Kingreen/Poscher Grundrechte Rn. 235; Sodan/Ziekow-Sodan Grundkurs Öffentliches Recht § 23 Rn. 1; Hufen Staatsrecht II § 7 Rn. 11. In allen drei Bereichen privatrechtlichen Handelns gilt jedoch übereinstimmend, dass ein privatrechtliches Unternehmen nur dann an die Grundrechte gebunden ist, wenn die Exekutive mehr als die Hälfte der Anteile an dem privatrechtlichen Unternehmen hält.Vgl. BVerfGE 128, 226. Andernfalls kann die Bindung an die Grundrechte für die Exekutive nur bedeuten, dass sie ihren rechtlichen Einfluss so ausüben muss, dass durch das privatrechtliche Unternehmen keine Grundrechtsverstöße begangen werden.Vgl. Kingreen/Poscher Grundrechte Rn. 235.c) Sonderstatusverhältnisse
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Grundrechtsverpflichtet ist die Exekutive auch im sog. Sonderstatusverhältnis. Bei einem Sonderstatusverhältnis handelt es sich um eine besondere Beziehung zwischen Bürger und Staat, die über das allgemeine Staats-Bürger-Verhältnis hinausgeht.
Beispiel
Beamte, Strafgefangene, Soldaten und Schüler an öffentlichen Schulen befinden sich in einem solchen Sonderstatusverhältnis.
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Während nach früher herrschender Ansicht in den damals sog. besonderen Gewaltverhältnissen die Grundrechte keine Anwendung fanden, hat nach der grundlegenden Strafgefangenen-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
BVerfGE 33,1 – Strafgefangene. ein Umdenken eingesetzt. Seit dieser Entscheidung ist anerkannt, dass die Exekutive auch in den Sonderstatusverhältnissen an die Grundrechte gebunden ist und der rechtsstaatliche Vorbehalt des Gesetzes hier ebenfalls gilt. Eingriffe in Grundrechte bedürfen daher auch in Sonderstatusverhältnissen einer formell-gesetzlichen Grundlage.Vgl. Manssen Staatsrecht II Rn. 107.