Inhaltsverzeichnis
(2) Personenbedingte Kündigung
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Prüfungsschema
Wie prüft man: Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung
I. | Negative Zukunftsprognose |
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II. | Erhebliche Störung betrieblicher und wirtschaftlicher Interessen |
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| Maßstab | Rn. 338 ff. |
III. | Interessenabwägung/ Verhältnismäßigkeitsgrundsatz |
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| 1. | „Ultima-Ratio“ |
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| 2. | Interessenabwägung im Einzelfall |
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Anders als die verhaltensbedingte Kündigung erfolgt die personenbedingte Kündigung nicht wegen eines steuerbaren Verhaltens, sondern aufgrund von Tatsachen, die nicht im Einflussbereich des Arbeitnehmers liegen (vgl. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG).
Beispiel
Entzug der Fahrerlaubnis (Berufskraftfahrer, Taxifahrer), Krankheit (auf Dauer, u. U. auch bei häufigen Kurzkrankheiten), Alkoholsucht, fehlende Arbeitserlaubnis, strafhaftbedingte Ortsabwesenheit.
Hinweis
Der relevanteste personenbedingte Kündigungsgrund dürfte die Krankheit des Arbeitnehmers sein.
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Die soziale Rechtfertigung der personenbedingten Kündigung bestimmt sich anhand der vom BAG entwickelten „Dreistufenprüfung“.
BAGE 91, 271-282; BAG NZA 2015, 931 Rn. 13.334
Auf erster Stufe ist eine Prognose anzustellen, die negativ ausfallen muss hinsichtlich einer Besserung des Grundes in der Zukunft. Da die Kündigung nur zukunftsbezogen ist und keine Sanktion für die Vergangenheit bedeuten soll, kann die Vergangenheit auch hier nur Indizwirkung haben. Maßgeblicher Zeitpunkt, in dem eine negative Prognose vorliegen muss, ist wieder der Zugang der Kündigung.
BAG NZA 1990, 434-437. Nur wenn der Arbeitnehmer in diesem Zeitpunkt seine geschuldete Arbeit voraussichtlich auch künftig nicht vollständig erbringen kann, weil ihm dazu die Fähigkeit und Eignung fehlt, ist diese Voraussetzung gegeben.335
Speziell für die krankheitsbedingte Kündigung ist dementsprechend erforderlich, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektive Tatsachen vorliegen, die eine ernste Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang für die Zukunft rechtfertigen.
BAG NZA 2008, 593-595.336
Die Prognosefähigkeit kann zweifelhaft sein, wenn die Fehlzeiten auf verschiedenen ausgeheilten Krankheiten beruhen. Hier kann aber eine besondere Krankheitsanfälligkeit Indiz für die Zukunft sein. Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen, sind nicht prognosefähig. Eine negative Prognose kann auch darauf gestützt werden, dass der alkoholabhängige Arbeitnehmer nicht bereit ist, an Entgiftungs-, Entwöhnungsmaßnahmen oder einer Selbsthilfegruppe teilzunehmen.
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Auf der zweiten Stufe wird eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen gefordert.
Definition
Definition: Erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen
Erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen können auf Störungen im Betriebsablauf oder erheblichen wirtschaftlichen Belastungen des Arbeitgebers beruhen.
BAGE 91, 271-282.338
Für die Beurteilung, ob die finanziellen Belastungen für den Arbeitgeber noch zumutbar sind, ist nicht auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens insgesamt abzustellen, sondern auf die Kosten des konkreten Arbeitsverhältnisses.
BAG NZA 2008, 593-595.339
Im Falle der Krankheit des Arbeitnehmers kann eine erhebliche wirtschaftliche Belastung auf zukünftig zu erwartenden außergewöhnlichen Entgeltfortzahlungskosten des Arbeitgebers beruhen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass in § 3 Abs. 1 EFZG zum Ausdruck kommt, dass gewisse Fehlzeiten hinzunehmen sind, sodass Entgeltfortzahlungen ab sechs Wochen pro Jahr akzeptiert werden müssen. Bei Langzeiterkrankungen (ab 24 Monate) ist das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung i.d.R. auf Dauer erheblich gestört. Es ist aber auch hier an ein betriebliches Eingliederungsmanagement § 167 Abs. 2 SGB IX zu denken.
BAG NZA-RR 2008, 515-518.340
Auf der dritten Stufe erfolgt eine Gesamtabwägung, die vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beherrscht ist. Es darf kein relativ milderes Mittel zur Verfügung stehen, „Ultima-Ratio-Prinzip“. Auch hier muss, soweit eine Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz ohne Beeinträchtigung betrieblicher Interessen möglich ist, dem Arbeitnehmer dies vorrangig angeboten werden.
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Auch einer möglichen und zumutbaren Überbrückung durch andere Maßnahmen, wie zum Beispiel das Einstellen einer Aushilfe, ist Vorrang einzuräumen. An dieser Stelle ist eine sorgfältige Interessenabwägung vorzunehmen. Zu fragen ist, ob der Arbeitgeber die Beeinträchtigung billigerweise nicht mehr hinnehmen muss.
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Zugunsten des Arbeitnehmers sind zu berücksichtigen:
• | Sein soziales Umfeld (Familienstand), |
• | Dauer der Betriebszugehörigkeit, |
• | Ursache der Erkrankung, |
• | Häufigkeit und Dauer der Fehlzeiten, |
• | Lebensalter, |
• | Unterhaltsverpflichtungen, |
• | Schwerbehinderung, |
• | Rückfallgrund, bei Krankheit: Alkoholsucht. |
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Auf Seiten des Arbeitgebers sind zu berücksichtigen:
• | Wirtschaftliche Auswirkungen, |
• | Kosten für Überbrückungsmaßnahmen, |
• | Belastbarkeit des Betriebs. |
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Eine Abmahnung kommt hier hingegen nicht in Frage. Vor dem Hintergrund der Funktion der Abmahnung, ein Verhalten zu rügen und vor Konsequenzen zu warnen und anzudrohen, wird deutlich, dass diese kein geeignetes milderes Mittel im Verhältnis zur personenbedingten Kündigung sein kann. Denn der Arbeitnehmer kann keinen Einfluss auf das Vorliegen der Tatsachen nehmen, die zur Annahme eines Kündigungsgrundes führen.