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Allgemeines Verwaltungsrecht - 5. Teil Wirksamkeit des Verwaltungsakts

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Allgemeines Verwaltungsrecht

5. Teil Wirksamkeit des Verwaltungsakts

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Der Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird (§ 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG; vgl. auch § 124 Abs. 1 S. 1 AO, § 39 Abs. 1 S. 1 SGB X) und bleibt dies solange und soweit, wie er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist, siehe § 43 Abs. 2 VwVfG (Rn. 295 ff.). Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist: „Die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts gehört nicht zu seinen Wirksamkeitsvoraussetzungen!“

Faber Verwaltungsrecht § 20 III a). Auch rechtswidrige Verwaltungsakte sind also – anders als rechtswidrige Rechtsnormen (vgl. Rn. 129 ff.) – i.d.R. ebenso rechtswirksam wie rechtmäßige Verwaltungsakte. Sie sind grundsätzlich nur anfechtbar (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 bzw. § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO), nicht hingegen automatisch unwirksam (Ausnahme: Nichtigkeit gem. § 44 Abs. 1, 2 VwVfG; Rn. 270 ff.). Die Begriffspaare „rechtmäßig/rechtswidrig“ und „rechtswirksam/-unwirksam“ sind daher grundsätzlich streng voneinander zu trennen.Maurer/Waldhoff Allgemeines Verwaltungsrecht § 10 Rn. 1; Schnapp/Cordewener JuS 1999, 39 (40).

Hinweis

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Der Verstoß eines Verwaltungsakts gegen eine Rechtsvorschrift sagt noch nichts über die Rechtsfolge dieses Verstoßes aus, welche von unterschiedlicher Intensität sein kann. Die Bandbreite der einfach-gesetzlich insofern vorgesehenen Konsequenzen reicht von der Unbeachtlichkeit des Fehlers (§ 46 VwVfG; Rn. 282 ff.) über die Aufhebbarkeit des Verwaltungsakts (näher Rn. 295) bis hin zu dessen Nichtigkeit (§ 44 Abs. 1, 2 VwVfG; Rn. 270 ff.).

Schnapp/Henkenötter JuS 1998, 524.

Beispiel

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Unternehmer U schließt mit Konkurrent K einen Vertrag über den Kauf von dessen in einem sog. Umlegungsgebiet belegenen Grundstück in der Gemeinde G. Da neben dem U aber auch G schon seit Langem am Erwerb des Grundstücks des K interessiert ist, übt sie das ihr nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB zustehende Vorkaufsrecht durch Verwaltungsakt gegenüber K aus (vgl. § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB), wodurch der zwischen K und U geschlossene Vertrag nunmehr zwischen K und G zustande kommt, § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB i.V.m. § 464 Abs. 2 BGB. Diesen Verwaltungsakt lässt K bestandskräftig werden. Als G später von K die Zustimmung zur Auflassung verlangt, verweigert K diese unter Hinweis auf die angebliche Rechtswidrigkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch G. Daraufhin verklagt G den K vor dem zuständigen Zivilgericht auf Erteilung der Zustimmung. Mit Erfolg?

Ja. Denn das Zivilgericht prüft lediglich, ob das Vorkaufsrecht rechtswirksam ausgeübt wurde. Liegt kein Nichtigkeitsgrund vor, dann ist die Ausübung des Vorkaufsrechts durch G ungeachtet dessen etwaiger Rechtswidrigkeit – diese kann dahingestellt bleiben – wirksam und K folglich zur Abgabe der Zustimmungserklärung zur Auflassung zu verurteilen.

Mit dieser in den §§ 43 ff. VwVfG enthaltenen Regelung räumt der Gesetzgeber den aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Gedanken der Rechtssicherheit, des Rechtsfriedens und v.a. der Effektivität des Verwaltungshandelns Vorrang ein vor den ebenfalls vom Rechtsstaatsprinzip geschützten Belangen der Einzelfallgerechtigkeit.

Vgl. Giemulla/Jaworsky/Müller-Uri Allgemeines Verwaltungsrecht Rn. 371; Kopp/Ramsauer VwVfG § 43 Rn. 1a f. Um seinem (berechtigten) Interesse an der Beseitigung rechtswidriger Verwaltungsakte zur Geltung zu verhelfen, muss der betroffene Bürger daher regelmäßig selbst aktiv werden und versuchen, ihre Aufhebung durch die Behörde bzw. vor dem Verwaltungsgericht im Wege des Widerspruchs nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO bzw. der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zu veranlassen. Liegen die dort genannten Voraussetzungen vor, so hat der durch den rechtswidrigen Verwaltungsakt Belastete einen Anspruch auf dessen Aufhebung.Ausführlich dazu siehe im Skript „Verwaltungsprozessrecht“ Rn. 34 ff., 390 ff.

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Eine Ausnahme vom vorstehend genannten Grundsatz der Wirksamkeit auch rechtswidriger Verwaltungsakte gilt neben den in § 44 Abs. 2 VwVfG genannten Fällen allein für offensichtlich an besonders schwerwiegenden Fehlern leidende Verwaltungsakte. Diese sind nicht nur rechtswidrig, sondern darüber hinaus ipso iure auch nichtig (§ 44 Abs. 1 VwVfG), d.h. unwirksam, siehe § 43 Abs. 3 VwVfG. Sie entfalten keinerlei Rechtswirkung (näher Rn. 270 ff.).

Hinweis

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Es gilt mithin folgender Merksatz: „Verwaltungsakte [sind] ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit wirksam […], es sei denn, sie leiden unter einem besonders schweren und offensichtlichen Fehler, der zur Nichtigkeit (Unwirksamkeit) führt“;

Ipsen Allgemeines Verwaltungsrecht Rn. 682. „Nichtigkeit ist [eine] gesteigerte [Form der] Rechtswidrigkeit“.Detterbeck Allgemeines Verwaltungsrecht Rn. 567.

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Vor seiner ordnungsgemäßen Bekanntgabe an mindestens (irgend-)einen Adressaten oder Betroffenen ist der „Verwaltungsakt“ rechtlich überhaupt noch nicht existent (nullum) und kann als bloßes Verwaltungsinternum von der Behörde noch in jeder Weise abgeändert werden. Erst mit der Bekanntgabe als Existenz-(und nicht nur Rechtmäßigkeits-)voraussetzung des Verwaltungsakts ist dieser „in der Welt“ (vergleichbar mit der Verkündung eines Gesetzes nach Art. 82 Abs. 1 GG im Bundesgesetzblatt) und kann von jedem, der hierzu unter den betreffenden Verfahrensvoraussetzungen befugt ist, mit Rechtsbehelfen angegriffen werden (z.B. kann Nachbar N gegen die Bauherrn B erteilte Baugenehmigung ab deren Bekanntgabe an B auch ohne Bekanntgabe an sich [N] selbst Widerspruch nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO bzw. Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO erheben). Für den Einzelnen wird der Verwaltungsakt allerdings erst mit der ordnungsgemäßen Bekanntgabe an ihn (äußerlich) wirksam, siehe §§ 43 Abs. 1 S. 1, 41 Abs. 1 VwVfG (insoweit also grundsätzlich anders als die für alle geltenden Gesetze). Mit dem Eintritt dieser äußeren Wirksamkeit des Verwaltungsakts beginnt – unter den weiteren Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 VwGO

Näher hierzu siehe im Skript „Verwaltungsprozessrecht“ Rn. 350 ff. – für den Adressaten bzw. Betroffenen die Rechtsbehelfsfrist zu laufen (vgl. §§ 70 Abs. 1 S. 1, 74 Abs. 1 S. 2 VwGO), nicht jedoch zwingend auch die Geltung der im Verwaltungsakt getroffenen Regelung. Letztere tritt vielmehr erst im Zeitpunkt der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsakts ein. Die innere Wirksamkeit des Verwaltungsakts setzt zwar dessen äußere Wirksamkeit voraus, kann mitunter aber (z.B. bei einer Befristung oder aufschiebenden Bedingung gem. § 36 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 VwVfG; Rn. 83 ff.) auch zu einem späteren Zeitpunkt eintreten als diese (z.B. Aushändigung der Beamtenurkunde an B am 15.12. [äußere Wirksamkeit], nach der er zum 1.1. des Folgejahres [innere Wirksamkeit] befördert wird).Maurer/Waldhoff Allgemeines Verwaltungsrecht § 9 Rn. 71 f.; Ruffert in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht § 22 Rn. 15 f.

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Folge dieser Gesetzestechnik ist, dass ein Verwaltungsakt gegenüber den von ihm betroffenen Personen zu unterschiedlichen Zeitpunkten (nämlich dem der individuellen Bekanntgabe) oder für manche von ihnen überhaupt nie wirksam wird (z.B. mangels Bekanntgabe der dem Bauherrn B erteilten Baugenehmigung auch gegenüber dessen Nachbarn N wird diese für Letzteren nicht wirksam). Dieses Resultat (sog. relative Wirksamkeit) mag in der Praxis zu Schwierigkeiten führen, die im vorgenannten Beispiel jedenfalls über das Verwaltungsprozessrecht gelöst werden (zeitliche Begrenzung des Widerspruchsrechts des N analog § 242 BGB auf i.d.R. ein Jahr ab – möglicher – Kenntniserlangung vom Bauvorhaben bzw. ggf. auch schon früher nach Verwirkungsgrundsätzen

Näher hierzu siehe im Skript „Verwaltungsprozessrecht“ Rn. 348 f., 362.; zudem wird ein Anspruch des durch den Verwaltungsakt Begünstigten gegenüber der Behörde auf Bekanntgabe an den Drittbetroffenen – und damit die Wirksamkeit des Verwaltungsakts auch diesem gegenüber – bejaht); es ist aus rechtstaatlichen Gründen sowie gem. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG verfassungsrechtlich aber geboten. Eine „geheime“ Verwaltung, die ihre Entscheidungen dem Betroffenen nicht mitteilt, wäre hiermit nämlich nicht vereinbar.Maurer/Waldhoff Allgemeines Verwaltungsrecht § 9 Rn. 71; Koch/Rubel/Heselhaus Allgemeines Verwaltungsrecht § 6 Rn. 12.

Hinweis

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Die äußere Wirksamkeit eines Verwaltungsakts ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Aufgrund seiner hierdurch eintretenden rechtlichen Existenz

ist der Verwaltungsakt gem. § 68 Abs. 1 S. 1 bzw. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO anfechtbar – auch von Personen, denen gegenüber die Bekanntgabe nicht erfolgt ist;

beginnt unter den weiteren Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 VwGO für den jeweiligen Adressaten der Lauf der Rechtsbehelfsfrist nach § 70 Abs. 1 S. 1 bzw. § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO;

ist die Behörde an diesen gebunden und kann sich nur unter Beachtung der Vorschriften über die Aufhebung eines Verwaltungsakts (vgl. §§ 48 ff. VwVfG; Rn. 308 ff.) wieder von diesem lösen.

Erichsen/Hörster Jura 1997, 659 (660); Schoch Jura 2011, 23.

Beispiel

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Die von Gastwirt G beantragte Gaststättenerlaubnis (§ 2 Abs. 1 S. 1 GastG) wird diesem am 1.2. bekannt gegeben, wonach ihm ab dem 1.6. der Betrieb einer Gaststätte erlaubt ist. Dem Nachbarn N1 wird diese Erlaubnis am 1.3. des Jahres, dem Nachbarn N2 überhaupt nicht bekannt gegeben.

Mit der am 1.2. in Bezug auf G erfolgten erstmaligen Bekanntgabe der Gaststättenerlaubnis wurde dieser Verwaltungsakt rechtlich existent und konnte ab diesem Zeitpunkt von jedem (also auch von N1 und N2) angefochten werden. Die Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO – bzw. in den Fällen des § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO die Klagefrist des § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO – hierfür endet im Fall von N1 mit Ablauf des 1.4. des Jahres (Werktag), wohingegen im Fall von N2 mangels individueller Bekanntgabe überhaupt keine Rechtsbehelfsfrist zu laufen begann. Vielmehr ist insoweit analog § 242 BGB grundsätzlich eine Frist von einem Jahr zu beachten, sofern das Widerspruchs- bzw. Klagerecht nicht aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise schon vor deren Ablauf verwirkt sein sollte. Geltung entfaltet die Erlaubnis für G (und N1) erst ab dem 1.6. Zuvor war ihm der Gaststättenbetrieb nicht erlaubt (auch nicht seit dem 1.2.).

 

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