VI. Versuchte Teilnahme
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Voraussetzung für die Strafbarkeit von Anstiftung und Beihilfe ist, dass die Haupttat vollendet oder zumindest versucht wurde. Im letzteren Fall liegt eine strafbare Anstiftung oder Beihilfe zur versuchten Tat vor.
Davon unterscheiden müssen Sie die versuchte Teilnahme. Von einer versuchten Teilnahme wird gesprochen, wenn die Teilnahmehandlung, sei es Anstiftung oder Beihilfe, nicht bis zum Versuch wirksam wurde, weil
• | bei der Anstiftung der Teilnehmer irrig einen omnimodo facturus zur Tatbegehung bestimmen wollte, oder |
• | die Haupttat noch nicht einmal versucht wurde. |
Die versuchte Anstiftung ist strafbar, die versucht Beihilfe hingegen straflos.
Mit § 30 hat der Gesetzgeber nun die Vorbereitung von Täterschaft oder Anstiftung unter Strafe gestellt. Diese Vorbereitungen sind alledings nur dann strafbar, wenn sie sich auf ein Verbrechen beziehen. Der Strafgrund liegt wohl in einem gesteigerten Gefährdungspotenzial, welches sich daraus ergibt, dass mehrere Personen zusammenwirken. Bei der versuchten Anstiftung und der Annahme des Erbietens beruht diese Gefährdung darauf, dass der Täter des § 30 durch sein Verhalten ein von ihm nicht mehr ohne Weiteres beherrschbares Geschehen anstößt, das in die Verbrechensverwirklichung münden kann Schönke/Schröder-Heine/Weißer § 30 Rn 1. Bei der Verabredung eines Verbrechens kann der Strafgrund in einer gesteigerten Selbstbindung des Täters und dem einfacheren Überwinden von Bedenken gesehen werden Schönke/Schröder-Heine/Weißer § 30 Rn 1.
Expertentipp
Beachten Sie, dass § 30 keinen Straftatbestand normiert, sondern eine Vorschrift des Allgemeinen Teils ist. In der Klausur müssen Sie von daher immer die Normen mitzitieren, die verwirklicht werden sollten.
1. Versuchte Anstiftung gem. § 30 Abs. 1
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Die Versuchte Anstiftung ist in § 30 Abs. 1 geregelt. Sie ist nur dann strafbar, wenn sie zu einem Verbrechen erfolgt. Strafgrund der versuchten Anstiftung gem. § 30 Abs. 1 ist die Gefährlichkeit für das Rechtsgut, die von einer solchen Anstiftung ausgeht. Voraussetzung für die versuchte Anstiftung ist, dass sich der Vorsatz des Anstifters auf das Hervorrufen des Tatentschlusses beim Haupttäter sowie die Ausführung und Vollendung der geplanten Haupttat richtet und dass er dementsprechend zur Tat ansetzt.
Der Aufbau des § 30 Abs. 1 sieht wie folgt aus:
Prüfungsschema
Wie prüft man: Die versuchte Anstiftung
I. | Vorprüfung | |
| 1. | keine Vollendungshaftung |
| 2. | Strafbarkeit nur bei Verbrechen |
II. | Tatentschluss | |
| 1. | bezüglich der vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat eines anderen |
| 2. | bezüglich des Bestimmens |
III. | unmittelbares Ansetzen zur eigenen Anstiftungshandlung | |
IV. | Rechtswidrigkeit | |
V. | Schuld | |
VI. | Rücktritt gem. § 31 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 |
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Hinsichtlich des Verbrechenscharakters der Tat ist nicht die wirkliche Sachlage von Bedeutung, sondern die Vorstellung des Anstifters.
BGHSt 4, 254; 8, 294. Sofern der Anstifter davon ausgeht, dass der Haupttäter ein Verbrechen begehen werde, liegt eine versuchte Anstiftung vor. Für die versuchte Anstiftung gelten also die allgemeinen Regeln des Versuchs. Beim Tatentschluss ist ausschließlich auf die subjektive Vorstellung des Täters und nicht auf die tatsächlichen objektiven Gegebenheiten abzustellen. Danach muss gefragt werden, ob der Täter entsprechend diesen Vorstellungen zu seiner Tat, nämlich der Anstiftung, unmittelbar angesetzt hat.Beispiel
A hat ein vitales Interesse an der Tötung der B, da er in den Genuss der Lebensversicherung kommen möchte. Zu diesem Zweck nimmt er mit C Kontakt auf und stellt ihm in Aussicht, dass er 10 000 € erhalten werde, wenn er B töten werde. Dass C bereits zur Tötung der B entschlossen ist, weiß A nicht. C nimmt hoch erfreut die 10 000 € an und tötet alsdann B.
Hier kann eine vollendete Anstiftung nicht angenommen werden, da B ein omnimodo facturus war, der nicht angestiftet werden konnte. In Betracht kommt jedoch versuchte Anstiftung, die gem. § 30 Abs. 1 auch strafbar ist, da es sich bei der Tötung gem. § 212 um ein Verbrechen handelt. Der Tatentschluss das A war darauf gerichtet, dass C einen Mord aus Habgier an B begehen wird. Des Weiteren wollte A den C durch die Zahlung des Geldes dazu bestimmen. Der Tatentschluss umfasste damit den objektiven Tatbestand der Anstiftung. Entsprechend diesem Tatentschluss hat A auch zu seiner eigenen Handlung, dem Bestimmen, unmittelbar angesetzt, da er bereits mit C gesprochen, damit also seine Handlung schon vorgenommen hat. Da auch Rechtswidrigkeit und Schuld verwirklicht sind, hat A sich wegen versuchter Anstiftung strafbar gemacht.
Der Rücktritt von der versuchten Anstiftung bestimmt sich ausschließlich nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2. Dessen Voraussetzungen dürften Ihnen aber von § 24 bekannt vorkommen, so dass auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen wird.
2. § 30 Abs. 2
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Nach § 30 Abs. 2 wird die konspirative Willensbildung im Hinblick auf die Begehung eines Verbrechens bestraft. Danach ist strafbar,
• | wer sich bereit erklärt, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften (§ 30 Abs. 2, 1. Fall), |
• | wer das Erbieten eines anderen annimmt, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften (§ 30 Abs. 2, 2. Fall) oder |
• | wer sich mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften (§ 30 Abs. 2, 3. Fall). |
Den wichtigsten Fall des § 30 Abs. 2 stellt die Verbrechensverabredung dar. Sie ist als Vorstufe der Mittäterschaft anzusehen und setzt eine Willensübereinstimmung von mindestens 2 Personen voraus, welche die geplante Tat entweder mittäterschaftlich begehen wollen oder aber mittäterschaftlich einen anderen zu dessen Ausführung anstiften wollen Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 808.
Ein Sich-Bereiterklären liegt vor, wenn der Täter gegenüber dem Adressaten die Entscheidung über die Verwirklichung der erbotenen Handlung überlassen und sich für den Fall der Annahme an seine Zusage gebunden fühlen will Schönke/Schröder-Heine/Weißer § 30 Rn 22. Gibt der Täter die Erklärung also nur zum Schein ab, felht es an dem Bindungswillen.
Beim Annehmen des Erbietens eines anderen ist der Täter damit einverstanden, dass ein anderer, der sich zuvor zur Verwirklichung eines Verbrechens bereit erklärt hat, die Tat ausführt.
Soweit das geplante Verbrechen später ausgeführt wird bzw. in das Stadium des Versuchs gelangt, ist § 30 subsidiär. Zu beachten ist allerdings, dass gegenüber Strafvorschriften, die das geplante Verbrechen nicht betreffen, § 30 nicht zurücktritt.
Beispiel
A und B verabreden, abends in das Juweliergeschäft des J einzusteigen und den Schmuck mitzunehmen. Sie planen, den J zu töten, falls dieser wider Erwarten noch anwesend sein sollte. Tatsächlich kann die Tat jedoch ohne das Töten des J erfolgen, weil dieser das Geschäft bereits verlassen hat.
Hier liegt ein mittäterschaftlich begangener Diebstahl in einem besonders schweren Fall vor. Darüber hinaus ist eine Verabredung zum Raub und zum Mord gem. §§ 249, 211, 30 Abs. 2 gegeben.
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Für den Aufbau ergibt sich Folgendes:
Prüfungsschema
Wie prüft man: Strafbarkeit gem. § 30 Abs. 2
I. | Objektiver Tatbestand | |
| 1. | Endgültig und konkret geplantes Verbrechen |
| 2. | Vorbereitungshandlung gem. § 30 Abs. 2 |
II. | Subjektiver Tatbestand | |
|
| Vorsatz im Bezug auf das geplante Verbrechen sowie die Vornahme der eigenen Vorbereitungshandlung. |
III. | Rechtswidrigkeit | |
IV. | Schuld | |
V. | Rücktritt gem. § 31 Abs. 1 Nr. 2/3 oder Abs. 2 |