Inhaltsverzeichnis
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Das Staatsrecht ist Teil des öffentlichen Rechts. Im öffentlichen Recht sind die Rechtsbeziehungen des Staates zu den Bürgern sowie diejenigen innerhalb des Staates normiert. Das Staatsrecht regelt hierbei die fundamentalen Grundlagen der staatlichen Ordnung. Zu diesen gehören die Grundrechte und das Staatsorganisationsrecht. Die Grundrechte stellen die inhaltliche Wertordnung des Staates dar und sind zugleich Abwehr-, Leistungs-, Schutz- und Teilhaberechte der Privatpersonen gegenüber dem Staat. Beim Staatsorganisationsrecht geht es um die grundlegenden Verfassungsprinzipien, den Aufbau und die Funktionen des Staates. Ebenfalls Teil des öffentlichen Rechts ist das Verwaltungsrecht. Das Verwaltungsrecht umfasst alle Rechtsnormen, die für die Verwaltungstätigkeit, das Verwaltungsverfahren sowie die Verwaltungsorganisation gelten. Es wird unterteilt in das allgemeine und das besondere Verwaltungsrecht. Das allgemeine Verwaltungsrecht regelt die allgemeinen Rechtsinstitute und Verfahren, die grundsätzlich überall in der Verwaltung gelten. Das besondere Verfahrensrecht enthält dagegen Regeln, die für spezielle Verwaltungsbereiche zugeschnitten sind und nur für diese gelten.
Die Normierung des Staatsrechts ergibt sich im Wesentlichen aus der Verfassung selbst. Die förmliche Verfassungsurkunde ist in der Bundesrepublik Deutschland das Grundgesetz (GG). Die Beschreibung des Grundgesetzes bezeichnet man deshalb auch als formelles Verfassungsrecht. Inhaltlich wird das Staatsrecht aber auch durch darüberhinausgehende Regelungen ausgestaltet. Diese bilden zusammen mit dem formellen Verfassungsrecht das materielle Verfassungsrecht.
Beispiel
Das Grundgesetz beschränkt sich in Art. 38 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 nur auf wenige grundlegende Aussagen zum Wahlsystem für die Wahl der Abgeordneten des Bundestages. Es normiert lediglich die Wahlrechtsgrundsätze und die Wahlberechtigung. Das „Nähere“ überlässt das Grundgesetz nach Art. 38 Abs. 3 den Regelungen im Bundeswahlgesetz. Nicht aus dem Grundgesetz, sondern aus dem Bundeswahlgesetz ergeben sich deshalb die Zahl der zu wählenden Abgeordneten, das personalisierte Verhältniswahlsystem und die Fünf-Prozent-Sperrklausel. Diese Regelungen sind zwar kein formelles Verfassungsrecht, gehören aber als fundamentale Grundlagen der staatlichen Ordnung zum materiellen Verfassungsrecht.
In diesem Werk zum Staatsorganisationsrecht werden zunächst die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen für den Aufbau der Bundesrepublik Deutschland und deren oberste Staatsorgane behandelt. In einem weiteren Teil wird auf die Fragen der Gesetzgebungskompetenz und des Gesetzgebungsverfahrens eingegangen. Da die Gesetze von der Verwaltung umgesetzt und von der Rechtsprechung überprüft werden, sind auch diese staatlichen Funktionen näher zu beleuchten.
In der öffentlich-rechtlichen Klausur können staatsorganisatorische Fragestellungen in verschiedenen Varianten auftauchen: Entweder in einer rein staatsorganisationsrechtlichen Aufgabenstellung oder auch bei verwaltungsrechtlichen Sachverhalten und der Prüfung der Verletzung von Grundrechten.
Beispiel
• | In einer staatsorganisatorischen Aufgabenstellung ist die Frage zu klären, ob für ein Verbot der X Partei durch das Bundesverfassungsgericht die erforderlichen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 und Abs. 4 GG vorliegen. |
• | Lebensmittelkontrolleure betreten die Betriebsräume des Restaurantinhabers, um die Einhaltung hygienischer Bestimmungen zu überprüfen. Sie berufen sich auf die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, die ein Betretungsrecht zu diesem Zwecke vorsieht (§ 42 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 LFGB). Der Restaurantinhaber sieht darin einen Verstoß gegen das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG). Es ist im Rahmen der Klausur (auch) zu klären, ob die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage vom richtigen Gesetzgeber im korrekten Gesetzgebungsverfahren zustande gekommen ist. |
Expertentipp
Sie sollten alle im Text und in den Beispielen angegebenen Artikel des Grundgesetzes zunächst lesen und ihren Sinngehalt erfassen, da sie eine maßgebliche Bedeutung für die Erörterungen haben.
Innerhalb staatsorganisatorischer Fallkonstellationen sind zwei Aufgabenstellungen möglich: Es wird entweder nach der Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten hoheitlichen Handelns oder nach den Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfes gefragt. Im letzten Fall müssen Sie auch auf verfassungsprozessuale Fragen eingehen. Aus diesem Grund werden im Abschnitt zum Bundesverfassungsgericht und in vielen weiteren Beispielsfällen die einzelnen Verfahrensarten ausführlich beschrieben und angewandt.