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Die eigentliche Sacharbeit des Bundestages wird in den Bundestagsausschüssen geleistet. Diese bereiten die Plenarbeschlüsse vor.
Ausschüsse sind, wie Fraktionen, Teile des Bundestages. Während bei Fraktionen die Teilung nach parteipolitischer Orientierung erfolgt, folgen Ausschüsse fachlichen Einteilungskriterien. So gibt es u.a. einen Rechtsausschuss, einen Haushaltsausschuss, einen Petitionsausschuss. Die Zusammensetzung von Ausschüssen richtet sich nach dem Fraktionsproporz, § 12 Abs. 1 S. 1 GOBT. Aus dem Demokratieprinzip folgt der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit hinsichtlich der Zusammensetzung von Parlament und Ausschuss.BVerfGE 80, 188, 222. Dieser besagt, dass sich bei der Ausschussbesetzung das Stärkeverhältnis der Fraktionen im Plenum widerspiegeln muss. Der Ausschuss muss also ein verkleinertes Abbild des Plenums sein. Aus dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit kann aber in aller Regel keine Vergrößerung der Ausschussmitgliederzahl beansprucht werden.
Hinweis
Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gilt auch für die Wahl der Mitglieder des Bundestages im Vermittlungsausschuss nach Art. 77 Abs. 2 GG. Dieser ist zwar als gemeinsamer Ausschuss von Bundestag und Bundesrat nicht ohne Weiteres mit einem Bundestagsausschuss vergleichbar, aber nicht weniger bedeutsam. Für Arbeitsgruppen, die der Vermittlungsausschuss bildet, gilt der Spiegelbildlichkeitsgrundsatz jedoch nicht, da diese der Vorbereitung der eigentlichen Beschlussfassung dienen und hierbei dem auf politischen Kompromiss angelegten Vermittlungsausschuss ein weiter Spielraum autonomer Verfahrensgestaltung einzuräumen ist.BVerfGE 140, 115.
Die Besetzung des Ausschussvorsitzes berührt hingegen nicht den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit, da ein Ausschussvorsitzender das gleiche Stimmrecht hat wie jedes andere Mitglied und daher das Stimmenverhältnis der Fraktionen nicht berührt ist. Allerdings kann die Besetzung des Ausschussvorsitzes eine verfassungsrechtliche Bedeutung im Rahmen der parlamentarischen Kontrollrechte einer Bundestagsminderheit haben, die als Ausprägung des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG) verfassungsrechtlichen Schutz genießt.
Beispiel
Der Abgeordnete X war auf Vorschlag der A-Fraktion, der nach einer Vereinbarung im Ältestenrat der Vorsitz im Rechtsausschuss zusteht, zu dessen Vorsitzenden gewählt worden. Nachdem X durch inhaltlich provokante Beiträge auf Twitter öffentliche Empörung hervorgerufen hatte, beschloss der Rechtsausschuss seine Abberufung. Gegen den Abberufungsbeschluss wandte sich die A-Fraktion an das BVerfG mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 32 BVerfGG.
Das Gericht ließ offen, ob die Besetzung des Ausschussvorsitzes als parlamentarisches Minderheitenrecht aufzufassen ist. Die im gerichtlichen Eilverfahren gebotene Interessenabwägung lasse aber mit Rücksicht auf das von Art. 40 Abs. 1 GG garantierte Selbstbestimmungsrecht des Bundestages eine einstweilige Anordnung nicht zu. Die Fraktion, um deren Rechtsposition es im Verfahren ausschließlich gehe, sei hierdurch nicht unzumutbar beschwert, da sie einen anderen Kandidaten für den Vorsitz des Rechtsausschusses benennen könne.BVerfG Beschluss vom 4.5.2020 – 2 BvE 1/10 -, juris.
Jeder Abgeordnete des Bundestages soll grundsätzlich einem Ausschuss angehören, § 57 Abs. 1 S. 2 GOBT. Das Benennungsrecht liegt in aller Regel bei den Fraktionen, § 57 Abs. 2 GOBT. Welche Ausschüsse er einrichtet, entscheidet der Bundestag in Ausübung seiner Geschäftsordnungsautonomie. Jedoch sind bestimmte Ausschüsse verfassungsrechtlich vorgeschrieben: Ausschüsse für auswärtige Angelegenheiten (Art. 45a Abs. 1 GG), für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Art. 45 GG), für Verteidigung (Art. 45a Abs. 1 GG) und der Petitionsausschuss (Art. 45c GG).