Schuldrecht Besonderer Teil 3

Überblick über die (gesetzlichen) Schuldverhältnisse

A. Überblick über die (gesetzlichen) Schuldverhältnisse

I. Die drei Gruppen von Schuldverhältnissen

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Mit den ersten beiden Bänden dieser Schriftenreihe hatten Sie sich mit den vertraglichen Schuldverhältnissen beschäftigt. Der Grund und damit die Hauptvoraussetzung, warum der Gläubiger vom Schuldner dort eine Leistung verlangen darf (§ 241 Abs. 1 BGB), war der Vertragsschluss der Parteien.

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Auch kennen Sie bereits die nunmehr in § 311 Abs. 2 BGB kodifizierte culpa in contrahendo.Detailliert hierzu vgl. MüKo BGB/Emmerich, BGB § 311 Rn. 35–186; didaktisch aufbereitet: siehe Bönninghaus, „Schuldrecht AT II“, Rn. 410 ff. Kurz gesagt werden dort die Rücksichtnahmepflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB, die aus einem Vertrag herrühren, auf einen vorvertraglichen Zeitraum erweitert. Die Sachwalterhaftung schließlich nach § 311 Abs. 3 BGB verfolgt das Ziel, ein vertragsähnliches Schuldverhältnis unter bestimmten Voraussetzungen auch zu am Vertrag nicht beteiligten Personen entstehen zu lassen.Vgl. Bönninghaus, „Schuldrecht AT II“, Rn. 418 ff.

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Hinweis

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Sollten Ihnen diese Rechtsinstitute nicht mehr geläufig sein, empfehle ich Ihnen dringend, diese nachzuarbeiten.

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Diesen vertraglichen bzw. vertragsähnlichen Schuldverhältnissen ist also gemeinsam, dass zwischen Gläubiger und Schuldner eine Sonderverbindung besteht. Die dritte Gruppe sind dagegen solche Ansprüche, die eine (vorherige) Sonderverbindung zwischen Gläubiger und Schuldner eben nicht voraussetzen. Diese möchte ich als „gesetzliche Schuldverhältnisse im weiteren Sinne“ bezeichnen. Natürlich schadet es nicht, dass eine Sonderverbindung zwischen den Parteien besteht. Dann besteht zwischen den vertraglichen Ansprüchen und den gesetzlich begründeten Ansprüchen Anspruchskonkurrenz.

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Beispiel

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Verkäufer V eines Autos verschweigt arglistig einen die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs beeinträchtigenden Mangel. Käufer K erleidet deswegen einen schweren Unfall, bei dem er verletzt wird. Seinen Anspruch auf Schadenersatz kann er einerseits auf §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB (Verletzung der Aufklärungspflicht), aber auch auf § 823 Abs. 1 BGB stützen.

II. Die Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen

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Um zu verstehen (und vor allem um es zu behalten), welche gesetzlichen Schuldverhältnisse es gibt, hilft es, sich die gesetzgeberische Motivation zu verdeutlichen. Ein bestimmter Sachverhalt soll dem Gläubiger einen Anspruch gegen den Schuldner ermöglichen, ohne dass es darauf ankommen soll, ob diese einen Vertrag geschlossen haben bzw. in einer vorvertraglichen Sonderverbindung standen.

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Als erste Gruppe ist die Geschäftsführung ohne Auftrag zu nennen, die in den §§ 677 bis 687 BGB geregelt ist. Die systematische Stellung in den vertraglichen Schuldverhältnissen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um ein gesetzliches Schuldverhältnis handelt.Vgl. Looschelders, Schuldrecht BT, § 42 Rn. 1. Sie ist nur deshalb dort geregelt, weil, wie wir noch sehen werden, sich die Rechtsfolgen einer Geschäftsführung ohne (!) Auftrag durch Verweistechnik denen des vertraglichen Auftrags weitgehend entsprechen. Ziel des Gesetzgebers war es, einen Ausgleich zwischen dem Interesse des Geschäftsherrn, seine Angelegenheiten selbst und ohne Einmischung zu erledigen, und der des Geschäftsführers, einen Ausgleich dafür zu schaffen, wenn er helfend für andere tätig wird.Vgl. Palandt/Sprau, BGB Einf. v. § 677 Rn. 3.

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Beispiel

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Wenn A dem verunfallten B hilft und dabei Aufwendungen hat (zum Beispiel zerreißt beim Hilfeeinsatz die Jacke des A) ist die Lage wohl anders zu beurteilen, als wenn A die am Baum des B hängenden Äpfel verkauft, weil er jahrelang beobachtete, dass A diese ohnehin nie pflückt.

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Die nächste im BGB geregelte Anspruchsgruppe ist die ungerechtfertigte Bereicherung. Ganz grob geht es vor allem um den Ausgleich von Vermögensverschiebungen, bei denen alle anderen Mechanismen versagen.

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Beispiel

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A verkauft und übereignet dem B ein Auto. B möge den Kaufpreis noch nicht entrichtet haben. Wenig später ficht B den Kaufvertrag erfolgreich an. A hat keinen Anspruch auf den Kaufpreis nach § 433 Abs. 2 BGB, denn der Kaufvertrag ist nach § 142 Abs. 1 BGB ex tunc nichtig. Wie erhält nun A Besitz und Eigentum zurück? § 346 BGB scheitert, weil ein Rücktritt einen wirksamen Vertrag voraussetzt.Statt aller Palandt/Grüneberg, BGB Einf. v. § 346 Rn. 4. § 985 BGB setzt die Eigentümerstellung des A voraus, die er durch die Übereignung aber gerade verloren hat und den Besitz (und die damit verbundenen besitzrechtlichen Ansprüche) hat A ebenso verloren. Hier hilft dann gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, die sogenannte Leistungskondiktion.

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Einen breiten Raum bei den gesetzlichen Schuldverhältnissen nehmen die Anspruchsgrundlagen ein, die Looschelders „außervertragliche Ansprüche auf Schadenersatz“ nennt.Vgl. Looschelders, Schuldrecht BT, § 58 Rn. 1. Andere sprechen von Deliktsrecht.So etwa: Buck-Heeb, Besonderes Schuldrecht/2, Rn. 82 ff.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 604; Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, § 44 Rn. 1. Gemeint ist aber dasselbe: Eine Person wird geschädigt (z.B. verletzt) und eine andere soll deswegen auf Schadenersatz haften, weil sich der Schädiger sozialwidrig verhalten hat (A verletzt B bei einem Verkehrsunfall) oder weil der Gesetzgeber an eine Tatsache, z.B. das Halten eines Tieres, das einen anderen schädigt, einen Anspruch knüpft (vgl. dazu § 833 BGB siehe auch Rn. 711 ff.).    

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Beispiel

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Halter des Hundes ist A. B führt ihn spazieren. Ohne jedes Verschulden von A und B verletzt das Tier den C. A haftet aus § 833 S. 1 BGB, nur weil er Halter des Hundes ist.

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Zu beachten beim Deliktsrecht ist freilich, dass die §§ 823 bis 853 BGB zwar der Ursprung und der Kern sind, inzwischen über die Jahrzehnte eine ganze Reihe von weiteren Anspruchsgrundlagen dazugekommen sind. Einige sprechen sogar von einer Zweispurigkeit des Deliktsrechts.Vgl. Looschelders, Schuldrecht BT, § 58 Rn. 1.

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Beispiel

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Wenn das Luxustier einen Schaden verursacht, haftet der Halter nach § 833 S. 1 BGB. Wird beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges derselbe Schaden einem Dritten zugefügt, so haftet auch dessen Halter ohne jedes Verschulden. Die entsprechende Anspruchsgrundlage ist aber § 7 StVG.

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Schließlich gibt es noch Ansprüche, die rein an den Besitz oder das Eigentum anknüpfen (sachenrechtliche Ansprüche) oder an die Ehe bzw. Verwandtschaft anknüpfen (familienrechtliche Ansprüche) bzw. sich aus der Tatsache des Todes einer natürlichen Person ergeben (erbrechtliche Ansprüche). Auch wenn diese Ansprüche in weiterem Sinne oft gesetzliche Ansprüche sind, folgen sie doch eigenen Regeln und werden in den entsprechenden Sachzusammenhängen erörtert.

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