Schuldrecht Allgemeiner Teil 2 - Die Unterscheidung zwischen Schadensersatz „neben“ und „statt“ der Leistung

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Schuldrecht Allgemeiner Teil 2

Die Unterscheidung zwischen Schadensersatz „neben“ und „statt“ der Leistung

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I. Die Unterscheidung zwischen Schadensersatz „neben“ und „statt“ der Leistung

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Wie sich aus § 280 Abs. 1, Abs. 2 einerseits und §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 andererseits ergibt, unterscheidet das Gesetz zwischen dem Schadensersatz „statt der Leistung“ einerseits und dem Schadensersatz „neben“ der Leistung wegen Verzögerung der Leistung andererseits.

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Der Sinn der systematischen Unterscheidung zwischen Schadensersatz „statt“ und „neben“ der Leistung wird durch folgende Überlegung deutlich: Durch das in § 281 Abs. 1 für den Schadensersatz statt der Leistung grundsätzlich vorgesehene Erfordernis einer angemessenen Nachfristsetzung soll dem Schuldner die (zweite) Chance eröffnet werden, seine Leistung zu erbringen und damit seine Schadensersatzpflicht abzuwehren. Dadurch soll ihm eine Haftung durch fristgerechtes Nachholen der Leistung erspart bleiben. Das Privileg der durch Nachfristsetzung zu eröffnenden „zweiten Chance“ schützt also den Schuldner vor einer Schadensersatzhaftung.

Hinweis

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In der Klausur kann die Abgrenzung des Schadensersatzes statt der Leistung vom Schadensersatz neben der Leistung entweder einleitend geprüft werden oder im Rahmen des Fristsetzungs- oder Mahnungserfordernisses vorgenommen werden.

Beispiel

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Mahnkosten, Zinsschäden, Mehrkosten bei der Produktion, Mietkosten wegen vorübergehender Nutzung einer Ersatzsache.

Der Schuldner verdient wegen seiner begangenen Pflichtverletzung keine vollständige Befreiung von einer Schadensersatzhaftung durch Nachholen der Leistung. Schließlich hat er vor Fristsetzung die Leistung bereits verzögert und damit eine Pflichtverletzung i.S.d. § 280 verwirklicht. Er soll deshalb für bestimmte Schäden auch dann haften, wenn er seine Leistung innerhalb der ihm gesetzten Frist nachholt. Es muss folglich zusätzlich zum Anspruch auf (pünktliche) Leistung im Hinblick auf bestimmte Schäden noch einen weiteren Schadensersatzanspruch des Gläubigers geben, der unabhängig vom Nachholen der Leistung – ggf. neben einem anderweitigen Schadensersatz statt der Leistung – besteht: den Anspruch auf Schadensersatz „neben“ der Leistung.

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Der Schadensersatz „neben der Leistung“ kann immer „neben“ der Erfüllung des Primäranspruches oder des Schadensersatzes „statt“ der Leistung verlangt werden. Der Schadensersatz „statt der Leistung“ kann immer nur „statt“ der Erfüllung des Primäranspruches geltend gemacht werden, wie sich aus der Klarstellung in § 281 Abs. 4 ergibt.

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Zur Abgrenzung der verschiedenen Schadensersatzarten werden unterschiedliche Ansätze bemüht, die in den allermeisten Konstellationen zu denselben Ergebnissen kommen. Bevor wir uns die einzelnen Theorien ansehen, wollen wir noch einmal die maßgeblichen Unterschiede, mithin Gründe und teleologischen Grundsätze für die Notwendigkeit einer sauberen Abgrenzung vor Augen führen. Denn jede der nachfolgenden Theorien muss sich am Ende daran messen, ob sie die Zwecke des Gesetzes im jeweiligen Fall zur möglichst großen Entfaltung bringt. Die Unterscheidung ist unter Beachtung folgender bewusst vereinfacht dargestellter Grundintentionen des Gesetzes vorzunehmen:

  1. Wer eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, soll – ohne weitere besondere Voraussetzungen – haften, sofern er sich nicht exkulpieren kann (§ 280 Abs. 1).
  2. Beruht der Schaden auf einer Leistungsverzögerung, steht der Anspruch grds. unter dem Vorbehalt einer Mahnung, vgl. §§ 280 Abs. 1, 2, 286.
  3. Der Schadensersatz statt der Leistung steht in einem Exklusivitätsverhältnis zum ursprünglichen Erfüllungsanspruch (vgl. § 281 Abs. 4) und steht grds. unter dem Vorbehalt der Fristsetzung.
  4. § 281 Abs. 4 dient der Verhinderung einer Doppelkompensation (ursprünglich geschuldete Leistung und Schadensersatz statt der Leistung).
  5. Die Kategorie der Pflichtverletzung dient primär der Zuordnung zu einer passenden Anspruchsgrundlage im Rahmen des Schadensersatzes (vgl. §§ 281, 282, 283, 311a Abs. 2).

Zur Abgrenzung werden verschiedene Ansichten vertreten. So der phänomenologische Ansatz, die sog. Zauberformel und die Lehre von der Gesamtabrechnung.Diese Theorie werden wir nicht erörtern. In Klausurlösungen wird dieser Ansatz nicht verlangt. In Hausarbeiten sollte man auch diesen Ansatz kritisch würdigen. Umfassende Ausführungen finden Sie im Aufsatz von Girgoleit/Bender ZfPW 2019, 1 (41 ff.). Die Rechtsprechung hat sich keinem der Ansätze abschließend oder ausschließlich verschrieben. Vielmehr löst die Rechtsprechung die Fallkonstellationen unter (teilweiser) Heranziehung der nachfolgend genannten Theorien auf, orientiert sich jedoch maßgeblich am teleologischen Unterbau der Vorschriften. Im Ergebnis kann gesagt werden, dass die Rechtsprechung damit relativ nah am phänomenologischen Ansatz arbeitet.

Am zuverlässigsten lassen sich die gefundenen Ergebnisse in der Klausur mit dem (differenzierten) phänomenologischen Ansatz begründen. Hiernach ist danach zu unterscheiden, ob der Schadensersatz ein Äquivalent (sog. leistungspflichtbezogenes Äquivalenzinteresse) für das bisherige oder endgültige Ausbleiben der Leistung darstellt oder das Integritätsinteresse betroffen ist. In Anlehnung an Canaris verstehen Giroleit und BenderGiroleit/Bender ZfPW 2019, 1 (5) m.w.N. das Äquivalenzinteresse als „Interesse am Ertrag der unmittelbar gestörten Leistungspflicht“. Dem Integritätsinteresse unterfällt dabei alles, was nicht dem Äquivalenzinteresse zuzuordnen ist. Das Äquivalenzinteresse kann dabei auf einer Verspätung der Leistung beruhen oder dem endgültigen Ausbleiben der Leistung. Es erfasst die Kompensation für die Leistungssubstanz, den Nutzwert der Leistung und sonstige Schäden, die auf dem Ausbleiben der Leistung beruhen. Daraus folgt folgende schadensartenbezogene Dreiteilung der Ersatzkategorien:

1. Das leistungsersetzende Äquivalenzinteresse entspricht den §§ 280 Abs. 1, 3, 281–283, 311a Abs. 1. 

Beispiel

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1. Substanzschäden

a. Beschaffungsaufwand (Deckungsgeschäft, Reparaturkosten),

b. Kompensation wegen endgültigen Ausbleibens der Naturalleistung (Entgangener Gewinn, (mangelbedingter) Minderwert oder Mindererlös).

2. Kompensation für Nutzwert der Leistung ab endgültigem Ausbleiben der Leistung:
Z.B. rückabwicklungsbedingter NutzungsausfallschadenGem. § 254 Abs. 2 zu begrenzen auf den Zeitraum bis zur zumutbaren Vornahme eines Deckungskaufs.

 2. Das zeitabhängig leistungsergänzende Äquivalenzinteresse entspricht §§ 280 Abs. 1, 2, 286.

Beispiel

Hier klicken zum AusklappenAlle Positionen, die nicht unter Ziffer 1 fallen und dem leistungspflichtbezogenen Äquivalenzinteresse zuzuordnen sind. Hier insb. Kompensation für den Nutzwert der Leistung bis zum endgültigen Wegfall des Naturalanspruchs.

 3. Das Integritätsinteresse dagegen § 280 Abs. 1.

Beispiel

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Alle nicht von Ziffer 1 oder 2 erfassten Positionen.

Daraus folgt, dass im Fall der Beeinträchtigung des Äquivalenzinteresses Ziffern 1 und 2 in Betracht kommen. Gemeinsam führen sie zu einer vollständigen Kompensation des „Interesses am Ertrag“. Kommt es nicht zum endgültigen Leistungsausfall, liegt nur ein Fall von Ziffer 2 vor. Diese Positionen sind zeitabhängig (Schaden tritt zeitabhängig – da unabhängig vom späteren Ausbleiben der Leistung – und endgültig ein) und leistungsergänzend (da (potenziell) neben den Schadensersatz statt der Leistung tretend). Kommt es zum endgültigen Leistungsausfall, kommen die Ziffern 1 und 2 in Betracht. Ziffer 2 wie soeben, allerdings nur für Positionen bis zum endgültigen Ausfall der Naturalleistung. Ansonsten greift Ziffer 1. Alle Positionen, die nicht Ziffer 1 oder 2 zugeordnet werden konnten, sind über § 280 Abs. 1 ersatzfähig. Das folgt daraus, dass ein „Recht“ zur zweiten Andienung oder eine Mahnung in diesen Konstellationen nicht sinnvoll und damit vom Gesetz nicht vorgesehen sind.

Die Anwendung dieses Ansatzes bietet Vorteile auf verschiedenen Ebenen. Zum einen werden Sie gezwungen, sich die Grundsätze und den Telos der Schadensersatzvorschriften bewusst zu machen. Dadurch können alle Fälle in einer Klausur einer sehr gut nachvollziehbaren und mit dem Gesetzeszweck übereinstimmenden Lösung gebracht werden. Sie müssen bewusst machen, dass der dargestellte Ansatz „KEINE Zauberformel“ darstellt, sondern vielmehr eine aus dem Telos des Gesetzes normativ abgeleitete schadensphänomenologische Kategorisierung der Ersatzkategorien. Mit ein wenig NacharbeitIch empfehle Ihnen den Aufsatz von Giroleit/Bender ZfPW 2019, 1 ff. zumindest im Hinblick auf den soeben dargestellten Ansatz vollständig zu lesen. Dort finden sie zudem eine Vielzahl von Fällen und Vertiefungen zur hinter dem Ansatz stehenden Wertungsebene. und Übung werden Sie das schadenersatzrechtliche System besser verstehen und infolgedessen in Klausuren wesentlich überzeugender argumentieren können.

Schauen wir uns nun den zeitlich (dynamischen) Ansatz (sog. „Zauberformel“) an. Nach diesem wird, von der wohl (und noch) herrschenden Lehre, insb. auf den Sinn und Zweck des Fristsetzungserfordernisses abgestellt. Eine Fristsetzung macht nur Sinn, wenn der Schaden durch eine (gedachte, deren Möglichkeit unterstellte) Nachholung der zunächst ausgebliebenen Leistung (ggf. Nacherfüllung) im letztmöglichen Zeitpunkt hätte vermieden werden können.BGH NJW 2019 1867 (1869) Tz. 28. Wenn dies bejaht werden kann, liegt ein Schadensersatz statt der Leistung vor. Ist der Schaden dagegen (vor dem letztmöglichen Leistungszeitpunkt) endgültig eingetreten, macht eine Fristsetzung keinen Sinn; in dieser Konstellation liegt ein Schadensersatz neben der Leistung vor. Der letztmögliche Zeitpunkt liegt im Fall der Unmöglichkeit im Eintritt der Unmöglichkeit (§ 275), ansonsten im Schadensersatzverlangen (vgl. § 281 Abs. 4) oder in der Ausübung des Rücktritts (§§ 323, 346).Nach einer anderen Ansicht ist auf den Ablauf der Leistungs- oder Nacherfüllungsfrist abzustellen. Nach Ablauf dieses Zeitpunkts steht es im Belieben des Gläubigers, ob er die – für den Schuldner erfüllbare – Leistung annimmt oder zurückweist.

Aus diesem Ansatz folgt, dass die gedankliche Trennung des Schadensersatzes statt der Leistung und des Anspruches auf Schadensersatz neben der Leistung nach dem begehrten Ersatz, also von der begehrten Rechtsfolge her, unter Berücksichtigung des Entstehungszeitpunkts, erfolgen muss.Lorenz NJW 2005, 1889, 1890 f. unter Ziff. 2 m.w.N. (sehr lesenswert!); Grüneberg-Grüneberg § 280 Rn. 18 m.w.N.

Expertentipp

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In Ihrem Gutachten müssen Sie also immer deutlich machen, wegen welcher Schadensposition Sie die jeweilige Anspruchsgrundlage prüfen. Die Prüfung erfolgt gedanklich stets für jede geltend gemachte Schadensposition getrennt. Entfallen mehrere Schadenspositionen auf dieselbe Anspruchsgrundlage können Sie die Prüfung in der schriftlichen Ausarbeitung dann selbstverständlich zusammenfassen. Nach der zeitlich dynamischen Abgrenzung kann es dazu kommen, dass eine Schadensposition nicht für den gesamten Zeitraum stets derselben Schadensersatzkategorie zuzuordnen ist (siehe Beispiel 2 in Rn. 127). Die obige Abgrenzung sollte nur im Rahmen problematischer Fälle vorgenommen werden. In allen anderen Fällen wählen Sie die passende Anspruchsgrundlage und prüfen diese anhand der üblichen Voraussetzungen durch. Kommen Sie über die oben genannten Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen, ist eine wertende Betrachtung vorzunehmen. Die Ansätze sind Faustformeln, die i.E. am Sinn und Zweck von § 280 Abs. 3 gemessen werden müssen.Looschelders Schuldrecht AT § 24 Rn. 22.

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Die zeitlich (dynamische) Abgrenzung setzt – wie auch die erstgenannte Theorie – eine genaue Bestimmung der geschuldeten Leistung voraus. In Gewährleistungsfällen lässt sich in Klausuren an dieser Stelle die Frage der Reichweite der Nacherfüllung gut einbauen.BGH NJW 2019, 1867. Neben der obigen Abgrenzung gilt es im Besonderen Teil des Schuldrechts im ersten Schritt abzugrenzen, ob die Vorschriften des Allgemeinen Schuldrechts unmittelbar oder (nur) über Verweisvorschriften (§§ 437, 634, 651i, 327c, 327i) zur Anwendung gelangen. Diese Unterscheidung ist wegen der unterschiedlichen Verjährungsfristen und Sondervorschriften im Besonderen Teil des Schuldrechts sehr relevant. Mit diesen Abgrenzungsfragen werden wir uns im Rahmen der jeweiligen Verträge umfassend beschäftigen.  

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Unter den Schadensersatz neben der Leistung fallen nach dieser Ansicht diejenigen Schadenspositionen, die durch die Leistungsverzögerung endgültig eingetreten sind und auch durch eine spätere Leistung nicht mehr verhindert werden können.Lorenz NJW 2005, 1889, 1890 f. unter Ziff. 2 m.w.N. Die Leistung kann insoweit lediglich die Entstehung eines weiteren Schadens verhindern.    

Expertentipp

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Der Umgang mit diesen Formeln bereitet vielen gedankliche Schwierigkeiten, weil sie an einer entscheidenden Stelle in eine „Falle“ tappen: Wenn bestimmte Schäden, insbesondere Kosten, angefallen sind, können sie durch Leistung nicht mehr beseitigt werden. Das bedeutet aber nicht, dass sich der Ersatz nun zwingend nach den Regeln über den Schadensersatz „neben der Leistung“ richtet. Das wird häufig missverstanden. Entscheidend ist vielmehr, ob diese Schäden (Kosten) durch Abwarten des Gläubigers bis zur zulässigen Nachholung der Leistung durch den Schuldner noch hätten vermieden werden können.

Beispiel

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Verfrühter Deckungskauf 1

K kauft von V einen Pkw zu einem Preis von 10 000 €, der am 1.10. geliefert werden soll. Als V am 1.10. nicht liefert, kauft sich K bei X das gleiche Modell für 12 000 €. Die Mehrkosten aus diesem „Deckungskauf“ hätten durch eine Nachholung der Leistung des V vermieden werden können, da sie im Ergebnis das Interesse des K an der Leistungserbringung durch V befriedigen. Zur Leistungserbringung war V auch nach dem 1.10. noch berechtigt, da seine Verzögerung die Primärleistungspflicht nicht automatisch entfallen lässt. Die Mehrkosten fallen also unter den Schadensersatz statt der Leistung. Da V dem K die nach § 281 Abs. 1 grundsätzlich erforderliche Frist nicht gesetzt hat, besteht kein Anspruch auf Ersatz der mit dem zweiten Kaufvertrag (tatsächlich und irreparabel!) verbundenen Mehrkosten.

Zum gleichen Ergebnis kommt im Ausgangspunkt der schadensphänomenologische Ansatz. Für die Ersatzfähigkeit kommt es nicht darauf an, ob das Deckungsgeschäft vor oder nach Fristablauf vorgenommen wurde.Ostendof NJW 2010, 2833 (2835 ff.). Der Gläubiger, der vor Fristablauf ein Deckungsgeschäft vornimmt, trägt jedoch das Risiko, dass der Schuldner noch innerhalb der Frist leistet und er dadurch seinen Schadensersatzanspruch verliert.Hellgard JuS 2016, 1057 (1061). Für das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs käme es vorliegend darauf an, ob beim Schadensersatzverlangen des K die Voraussetzungen des Anspruchs eingehalten wurden. Nach diesem Ansatz müsste K eine Frist setzen und könnte im Fall der Nichtleistung den Schaden nach Fristablauf liquidieren.   

Beispiel

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Verfrühter Deckungskauf 2

Wie soeben. Allerdings setzt K dem V eine angemessene Frist. Nach Ablauf der Frist tätigt K den Deckungskauf und verlangt eine Woche später Schadensersatz in Höhe der Mehrkosten von 2 000 €.

Nach dem schadensphänomenologischen Ansatz liegt beim Deckungskauf stets (zeitpunktunabhängig!) eine das leistungsersetzende Äquivalenzinteresse (Substanzschaden) betreffende Position vor; mithin ein Schadensersatz statt der Leistung. Die Nichtleistung erlaubt sodann die Zuordnung zu §§ 280 Abs. 1, 3 281.Zum teleologischen Unterbau beachten Sie ergänzend die Ausführungen in Girgoleit/Bender ZfPW 2019, 1 (23, lit. a.).

Nach dem zeitlich dynamischen Ansatz ist (u.a.) umstritten, ob der letztmögliche Leistungszeitpunkt schon mit Ablauf der FristOstendorf NJW 2010 2833 (2838). eintritt oder erst mit dem (späteren) Schadensersatzverlangen.Medicus/Lorenz Schuldrecht allgemeiner Teil § 38 Rn. 19 ff. m.w.N. Würde man auf den Fristablauf abstellen, würde der Schaden durch Leistung nach dem Deckungskauf nicht entfallen. Es läge ein Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 vor. Stellt man dagegen auf das Schadensersatzverlangen ab, liegt ein Schadensersatz statt der Leistung vor. Hier wird sodann eine Vielzahl von Ansätzen vertreten, wie eine Wertungskorrektur aussehen könnte.Giroleit/Bender ZfPW 2019, 1 (25) mwN.

Diese teilweise umständlichen Korrekturversuche weisen häufig keinen Bezugspunkt zu den teleologischen Grundlagen des Schadensersatzrechts auf und sind eigentlich unnötig. Dadurch müssen Sie hier mehr lernen. Die erstgenannte Ansicht können Sie in der Klausur mit dem Argument der engen Übereinstimmung mit dem Telos der §§ 280 ff. stets bevorzugt zur Anwendung bringen. Die Rechtsprechung nimmt in solchen Fällen ebenfalls den Schadensersatz statt der Leistung an.

 Beachten Sie hierzu die Ausführungen in Rn. 128.

Beispiel

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Wenn K im Beispiel nach fruchtlosem Verstreichen des 1.10. keinen zweiten Kaufvertrag mit X schließt, sondern am 2.10. einen Mietwagen bei Y bucht, stellt sich das Ersatzsystem folgendermaßen dar:

Der mit der Leistungsverzögerung ab dem 2.10. verbundene Ausfall der Nutzungsmöglichkeit des gekauften Pkw lässt sich durch ein Nachholen der Leistung bis zum letztmöglichen Zeitpunkt nicht mehr vermeiden, sondern besteht bis dahin als endgültiger Schaden. Wegen dieses Nutzungsausfalls hat K einen Mietwagen nehmen müssen, dessen Kosten folglich nach den Regeln über den Schadensersatz neben der Leistung ersetzt verlangt werden können. Wenn K nun am 1.11. nach erfolgloser Fristsetzung zurücktritt und/oder Schadensersatz statt der Leistung geltend macht, endet die Primärleistungspflicht des V. Die Erstattung der ab dem 1.11. entstandenen Mietwagenkosten erfolgt dann nach den Regeln über den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, da sie auf einem endgültigen Ausbleiben der Leistung beruhen, die wegen des Rücktritts jetzt nicht mehr nachgeholt werden darf.BGH Urteil vom 28. November 2007 (Az. VIII ZR 16/07) unter Ziff. II 2a = NJW 2008, 911. Dieser Anspruch kann auch nach Rücktritt geltend gemacht werden (§ 325). Dass K nicht ewig mit dem Mietwagen fahren darf, ergibt sich aus dem Verbot der schadensrechtlichen Besserstellung und seiner Schadensminderungsobliegenheit (§ 254 Abs. 2).

Zu diesem Ergebnis gelangen sie auch nach der schadensphänomenologischen Betrachtung. Die Mietwagenkosten betreffen das zeitabhängige leistungsergänzende Äquivalenzinteresse (siehe Rn. 125), da diese nicht den Substanzschaden betreffen und bis zum 1. November nicht auf einem endgültigen Ausbleiben der Leistung beruhen. Wie oben richtet sich der Ersatz nach dem Schadensersatz neben der Leistung wegen Verzugs. Nach diesem Zeitpunkt beruht die Kompensation auf dem endgültigen Ausbleiben der Leistung und unterfällt damit dem leistungsersetzenden Äquivalenzinteresse und ist daher dem Schadensersatz statt der Leistung zuzuordnen. Freilich ist der Schadensersatzanspruch nicht für einen endlosen Zeitraum, sondern gemäß § 254 Abs. 2 auf den Zeitraum bis zur zumutbaren Vornahme eines Deckungskaufs zu begrenzen.

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In seiner Entscheidung vom 3.7.2013 („Biodiesel-Fall“)BGH Urteil vom 3. Juli 2013 (Az. VIII ZR 169/12). hatte sich der BGH mit der Frage befasst, ob die Mehrkosten eines Deckungskaufs, den der Käufer nach Ablauf der von ihm gesetzten Nachfrist, aber noch vor dem Erlöschen des Erfüllungsanspruchs getätigt hatte, als Verzugsschaden nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 zu ersetzen sind. Der Käufer hatte in diesem Fall trotz des Fristablaufs und nach Vornahme des Deckungskaufs auf Lieferung bestanden und diese schließlich auch erhalten. Der BGH hatte dem Käufer zunächst einen Ersatz nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 mit der Begründung versagt, dass dieser Anspruch zwar mit Fristablauf tatbestandlich dem Grunde nach gegeben gewesen sei, aber mit späterer Annahme der Leistung durch den Käufer wieder erloschen sei. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass sich Erfüllung und Schadensersatz statt der Leistung schon begrifflich ausschließen.

Obwohl sich der Verkäufer im Zeitpunkt des Deckungskaufs noch im Schuldnerverzug befand (dieser endet noch nicht mit dem Fristablauf), hat der BGH auch einen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 abgelehnt. Jeder Deckungskauf ist eine endgültige Ersetzung der ursprünglich erwarteten Leistung durch eine gleichwertige andere; der Deckungskauf ersetzt funktional die Leistung, so dass ein Schaden statt der Leistung vorliegt. Beschafft sich der Gläubiger die geschuldete Leistung am Markt, stellt er genau den Zustand her (und zwar in Natur), der bei einer Naturalleistung des Schuldners bestünde.

Der Käufer wäre, falls ihm neben der im Vorprozess erfolgreich geltend gemachten Vertragserfüllung ein Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten des eigenen Deckungskaufs zugebilligt würde, zum Nachteil des Verkäufers so gestellt, als hätte er die bestellte Dieselmenge zu dem vertraglich vereinbarten Preis doppelt zu beanspruchen. Hieran wird besonders deutlich, dass die Kosten des eigenen Deckungskaufs des Käufers, der an die Stelle der vom Verkäufer geschuldeten Leistung tritt, nicht neben dieser Leistung als Verzögerungsschaden geltend gemacht werden können.

Hier orientiert sich der BGH am Telos der §§ 280 ff. und argumentiert entsprechend dem schadensphänomenologischen Ansatz. Vgl. insoweit die unter Rn. 125 (Ziff. 4) aufgezeigten Grundsätze und die Lösung zu Beispiel 2

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Hinweis

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 Wie diese Entscheidung zeigt, findet eine rein zeitliche Einordnung (Schadenseintritt vor Erlöschen des Erfüllungsanspruchs = Schadensersatz neben der Leistung, Schadenseintritt danach = Schadensersatz statt der Leistung)Vgl. Lorenz in: Festschrift Leenen, 2012 S. 147, 153; Faust in: Festschrift Huber, 2006 S. 239, 254; Klöhn JZ 2010, 46, 47. Die Einordnung als Verzögerungsschaden führt allerdings auch nach dieser Auffassung nicht dazu, dass der Käufer die Mehrkosten des Deckungsgeschäfts ohne weiteres neben dem Erfüllungsanspruch geltend machen kann. Vielmehr wird der Anspruch durch unterschiedliche Konstruktionen dann doch wieder ausgeschlossen bzw. auf bestimmte Fälle eingeschränkt (s.o.). ihre Grenze u.a. bei den Mehrkosten des Deckungskaufs. Diese sind stets nur als Schadensersatz statt der Leistung zu ersetzen, gleichgültig, ob sie vor oder nach dem Erlöschen des Erfüllungsanspruchs angefallen sind.Beachten Sie zu den weiteren Störfällen bei zeitlichen Ansatz Girgoleit/Bender ZfPW 2019, 1 (28 ff.).

Gehen wir nun die einzelnen Voraussetzungen des Anspruchs auf Schadensersatz neben der Leistung wegen Leistungsverzögerung aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Schritt für Schritt durch:

 

 

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