Inhaltsverzeichnis
- III. Anspruch nach §§ 990, 989
- 1. Anspruchsentstehung
- a) Vindikationslage zur Zeit des haftungsbegründenden Ereignisses
- b) Bösgläubigkeit zum Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses
- aa) Bösgläubigkeit bei Besitzerwerb, § 990 Abs. 1 S. 1
- bb) Bösgläubigkeit nach Besitzerwerb, § 990 Abs. 1 S. 2
- cc) Bösgläubigkeit unredlicher Hilfspersonen
- dd) Bösgläubigkeit beim Aufschwingen vom Fremd- zum Eigenbesitzer
- ee) Bösgläubigkeit Minderjähriger
- c) Verschlechterung/Untergang/Herausgabeunmöglichkeit/Verschulden
- d) Schaden des Eigentümers
- 2. Rechtsvernichtende Einwendungen/Durchsetzbarkeit
III. Anspruch nach §§ 990, 989
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Prüfungsschema
Wie prüft man: Schadensersatzanspruch aus §§ 990, 989
I. | Anspruchsentstehung |
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| 1. | Vindikationslage zur Zeit des haftungsbegründenden Ereignisses |
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| 2. | Bösgläubigkeit des Besitzers zur Zeit des haftungsbegründenden Ereignisses |
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| Zurechnung der Bösgläubigkeit von Hilfspersonen | Rn. 272 |
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| Bösgläubigkeit beim Aufschwingen vom Fremd- zum Eigenbesitzer | Rn. 274 |
| 3. | Verschlechterung / Untergang der Sache oder sonstige Herausgabeunmöglichkeit |
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| 4. | Verschulden des unrechtmäßigen Besitzers |
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| 5. | Schaden des Eigentümers |
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| 6. | Art und Umfang des Schadensersatzes, §§ 249 ff. |
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II. | Rechtsvernichtende Einwendungen |
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III. | Durchsetzbarkeit |
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1. Anspruchsentstehung
a) Vindikationslage zur Zeit des haftungsbegründenden Ereignisses
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Für diese Anspruchsvoraussetzung gelten die gleichen Grundsätze wie für den Anspruch aus § 989.
b) Bösgläubigkeit zum Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses
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In § 990 Abs. 1 trägt das Gesetz dem Umstand Rechnung, dass ein Besitzer in der Praxis meistens viel früher erfährt oder erfahren könnte, dass er nicht zum Besitz berechtigt ist als durch eine ihm zugestellte Klage des Eigentümers auf Herausgabe. Der Zeitpunkt, ab dem der Besitzer für eine Verletzung der Eigentümerinteressen haftet, wird daher in § 990 gegenüber der Rechtshängigkeit in § 989 in differenzierter Weise vorverlagert.
aa) Bösgläubigkeit bei Besitzerwerb, § 990 Abs. 1 S. 1
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Der Besitzer ist von vorneherein nicht schutzwürdig, wenn er bereits bei Besitzerwerb wusste, dass er nicht zum Besitz berechtigt ist. § 990 Abs. 1 S. 1 geht aber noch einen Schritt weiter, indem er den Besitzer bereits dann haften lässt, wenn dieser in Bezug auf seine Besitzberechtigung „nicht in gutem Glauben war“. Damit ist auf die Definition des § 932 Abs. 2 Bezug genommen, die analog anzuwenden ist.
Palandt-Herrler § 990 Rn. 3 f. Danach ist der Besitzer nicht in gutem Glauben (also bösgläubig), wenn ihm bekannt war oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass er zum Besitz der Sache nicht berechtigt ist.Hinweis
Der Gesetzgeber erwartet also bei Inbesitznahme einer Sache bei eindeutigen Anhaltspunkten eine Überprüfung der eigenen Besitzberechtigung.
Beispiel
Der Dieb weiß, dass er nicht zum Besitz der gestohlenen Sache berechtigt ist.
Derjenige, der einen gestohlenen PKW erwirbt, ohne sich den Fahrzeugbrief vorlegen zu lassen, bleibt über die bestehende Vindikationslage infolge grober Fahrlässigkeit in Unkenntnis, wenn sich der Dieb nicht als Halter aus dem Brief ergeben hat. Denn es gehört zu den auf der Hand liegenden Gepflogenheiten, in den Brief Einsicht zu nehmen, um sich Klarheit über die Berechtigung des Verkäufers zu verschaffen. Anders mag es beim Neuwagenkauf vom Händler liegen.
Palandt-Herrler § 932 Rn. 13.Wer dagegen gutgläubig einen gestohlenen PKW mietet, ohne sich den Brief vorlegen zu lassen, handelt in der Regel nicht grob fahrlässig, da es beim Abschluss von Mietverträgen keine solche Gepflogenheit geben dürfte.
Palandt-Herrler § 990 Rn. 4.Bezugspunkt des guten Glaubens ist bei § 990 nicht das Eigentum, sondern die Besitzberechtigung und damit die Vindikationslage!
Hinweis
Fällt die Besitzberechtigung infolge einer Anfechtung weg, ist unbedingt § 142 Abs. 2 zu beachten, der die Kenntnis der Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts mit der Kenntnis der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gleichsetzt.
bb) Bösgläubigkeit nach Besitzerwerb, § 990 Abs. 1 S. 2
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Expertentipp
Kommentieren Sie sich also, falls in ihrem Bundesland zulässig, die Vorschrift des § 932 Abs. 2 neben § 990 Abs. 1 S. 1 und die Vorschrift des § 892 neben § 990 Abs. 1 S. 2, um an die unterschiedlichen Maßstäbe der Bösgläubigkeit zu denken.
Gemäß § 990 Abs. 1 S. 2 haftet auch derjenige Besitzer, der erst im Nachhinein von seinem mangelnden Besitzrecht erfährt, von diesem Zeitpunkt an. Erforderlich ist aber in diesem Fall aber die Erlangung positiver Kenntnis (!). Grob fahrlässige Unkenntnis schadet nach Besitzerwerb dagegen nicht mehr. Wer einmal den Besitz gutgläubig erworben hat, muss ihn nicht mehr ständig hinterfragen, sondern darf auf seine Berechtigung weiter vertrauen.
Die Anforderungen an die Kenntnis i.S.d. § 990 Abs. 1 S. 2 formuliert der BGH wie folgt: „Die Kenntnis der Nichtberechtigung zum Besitz muss dann als erlangt gelten, wenn der Besitzer über den Mangel seines Rechts in einer Weise aufgeklärt worden ist, dass ein redlich und vom eigenen Vorteil nicht beeinflusst Denkender sich der Überzeugung seiner Nichtberechtigung nicht verschließen würde“.
BGH in BGHZ 26, 256 ff. (256 – Leitsatz); 32, 76 ff. (92).Hinweis
Diese erhöhten Anforderungen sind auch durchaus einleuchtend. Denn wer eine Sache gutgläubig erworben hat, muss sich nicht ständig Gedanken machen, ob er auch wirklich in berechtigter Weise im Besitz der Sache ist oder nicht.
Geht es in diesem Zusammenhang um eine nicht ohne Weiteres zu entscheidende Rechtsfrage, kann ein Rechtsirrtum die Kenntnis im Sinn von § 990 Abs. 1 S. 2 ausschließen.
BGH in BGHZ 26, 256 ff. (258); 32, 76 ff. (92).cc) Bösgläubigkeit unredlicher Hilfspersonen
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Ein Problem entsteht, wenn nicht der Besitzer selbst, sondern eine Hilfsperson den Besitz erworben hat und nur diese Hilfsperson unredlich war: Dann stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich der Besitzer diese Bösgläubigkeit seines Gehilfen im Rahmen der §§ 987 ff. zurechnen lassen muss?
Beispiel
Angestellte des E hatten in dessen Unternehmen laufend Messgeräte entwendet und diese an D verkauft. B, der einen Großhandel für Elektrogeräte betreibt, erwarb diese Messgeräte von D. Vorgenommen wurde dieses Geschäft von dem langjährigen und (bislang) äußerst zuverlässigen Einkaufsleiter A des B. A hätte angesichts der Umstände und des niedrigen Preises „hellhörig“ werden müssen, B selbst dagegen war gutgläubig. Der Gesamtwert der von B erworbenen Messgeräte beläuft sich laut Listenpreis auf 50 000 €. B veräußerte die Messgeräte schließlich im Rahmen eines Sonderangebotes an diverse Kunden. Sein Gewinn beträgt 45 000 €. Kann E von B die Differenz zwischen dem Listenpreis und dem erzielten Gewinn verlangen?
Nach BGHZ 32, 53 ff. (Dass er selbst die Geräte zum Listenpreis hätte veräußern können, ist zu unterstellen)Ein Anspruch auf die Differenz zwischen dem Listenpreis und dem von B erzielten Gewinn könnte sich aus §§ 990 Abs. 1 S. 1, 989 ergeben. Das setzt zunächst eine Vindikationslage zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung – hier der Veräußerung durch B – voraus. E hat das Eigentum an den Messgeräten nicht verloren – wegen § 935 scheidet ein gutgläubiger Erwerb sowohl des D als auch des B aus. Zum Zeitpunkt der Veräußerung war B auch unberechtigter Besitzer. Ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis zwischen B und E lag also zum maßgeblichen Zeitpunkt vor. Ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 990 Abs. 1 S. 1, 989 setzt weiterhin voraus, dass B bei Erwerb des Besitzes unredlich war. B selbst hatte keine Kenntnis von den Vorgängen. Anderes gilt dagegen für seinen Einkaufsleiter A. Dass dieser hätte „hellhörig“ werden müssen, besagt nichts anderes, als dass er sich der Erkenntnis, dass die Herkunft der Geräte zweifelhaft war, grob fahrlässig verschlossen hat. Fraglich ist indes, ob B sich diese grob fahrlässige Unkenntnis seines Einkaufsleiters zurechnen lassen muss.
Teilweise wird die Ansicht vertreten, in diesen Fällen sei § 166 analog anzuwenden.
BGH in BGHZ 32, 53 ff. (56 ff.); Wolff-Raiser Sachenrecht § 13 II; Westermann Sachenrecht § 14, 3; Kiefner JA 1984, 189 ff. (192 f.); Schreiber Jura 1992, 356 ff. (361); Staudinger-Gursky § 990 Rn. 42 f. Andere wollen dagegen die deliktsrechtlichen Regeln anwenden, den redlichen Besitzer also nur nach § 990 haften lassen, wenn er sich nicht gem. § 831 für seinen Gehilfen exkulpieren kann.Roth JuS 1997, 710 ff. (711).273
Beispiel
Für den Beispielsfall bedeutet das: Nach einer Ansicht wäre dem B die Unredlichkeit des A ohne Weiteres zuzurechnen. Die andere Ansicht würde eine Zurechnung und damit die Haftung gem. §§ 990 Abs. 1 S. 1, 989 ablehnen, wenn B sich für A exkulpieren kann. Da A bislang äußerst zuverlässig gearbeitet hatte und seit langen Jahren bei B beschäftigt war, wird man von einer Entlastungsmöglichkeit des B gem. § 831 Abs. 1 S. 2 ausgehen müssen.
Zu den Einzelheiten vgl. im Skript „Schuldrecht BT IV“ (Deliktsrecht).Die erste Ansicht argumentiert, es gehe im Rahmen des § 990 nicht um die Zurechnung eines Verhaltens, sondern von Kenntnis. Hierfür passe § 166 besser als § 831.
BGH in BGHZ 32, 53 ff. (58).Auch passe die ratio legis des § 166 – wer sich im Rechtsverkehr fremder Hilfe bedient, hat auch die Nachteile daraus zu tragen – zu § 990.Schreiber Jura 1992, 356 ff. (361), der eine Zurechnung gem. § 166 Abs. 1 BGB aber nur bei stellvertreterähnlicher Freiheit des Besitzdieners vornehmen will. Nur so sei weiterhin ein Gleichlauf mit dem gutgläubigen Erwerb nach § 932 zu erreichen.Westermann Sachenrecht § 14, 3. Bei § 831 gehe es um ein eigenes (Überwachungs-)Verschulden, bei § 166 letztlich um die hier entscheidende Frage der Zurechnung fremden Wissens.Schreiber Jura 1992, 356 ff. (361).Das bezweifeln die Vertreter der Gegenauffassung: Konkret gehe es bei der Frage nach der Zurechnung des Gehilfenwissens im Rahmen des § 990 um die Bestimmung der Qualität des Besitzes als redlich oder unredlich. Das sei aber etwas völlig anderes als die „rechtlichen Folgen einer Willenserklärung“, mit denen sich § 166 beschäftigt. Die Anwendung von § 831 liege näher, zumal §§ 987 ff. Sonderregeln zum Deliktsrecht enthielten.
Vgl. Roth JuS 1997, 710 ff. (71). Ferner entspreche die Weisungsabhängigkeit des Besitzdieners eher der des Verrichtungsgehilfen als der des Vertreters. Für die Anwendung des § 831 wird ferner ein Vergleich mit § 992 angeführt: Der deliktische Besitzer habe – infolge der Anwendbarkeit des Deliktsrechts – jedenfalls die Möglichkeit, sich gem. § 831 zu exkulpieren. Wollte man im Rahmen des § 990 dagegen § 166 anwenden, könne dies im Einzelfall zu einer strengeren Haftung des „nur“ bösgläubigen Besitzers im Vergleich zum deliktischen Besitzer führen. Das sei mit der Intention des § 992 als Haftungssteigerung gegenüber § 990 nicht zu vereinbaren.Roth JuS 1997, S. 710 ff. (711).Expertentipp
Welcher Ansicht man folgt, ist letztlich Geschmackssache. Für die Lösung über § 831 spricht folgender Gesichtspunkt: Im Zeitpunkt der Besitzerlangung durch die Hilfsperson wird das EBV und damit das gesetzliche Schuldverhältnis erst begründet. Vorher stehen sich die Parteien als Fremde gegenüber, was für die Anwendung des § 831 spricht. Für die Lösung über § 166 analog spricht, dass es bei der Bösgläubigkeit um die Frage des „Wissens oder Wissenmüssens“ geht und § 166 hierfür die sachnähere Vorschrift ist.
dd) Bösgläubigkeit beim Aufschwingen vom Fremd- zum Eigenbesitzer
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Wie schon bei § 994 behandelt, ist nach Ansicht des BGH die Umwandlung von Fremdbesitz in Eigenbesitz, wegen der Wesensverschiedenheit dieser Besitzarten, wie eine völlig neue Besitzbegründung zu behandeln.
BGH in BGHZ 31, 129, 132. Instruktiv ist im Zusammenhang mit der Parallelproblematik bei §§ 990, 989 auch der berühmte „Feldbahnlokomotivenfall“:BGH in BGHZ 31, S. 129 ff.Beispiel
Die Reichsbahn hatte eine dem A gehörende Lokomotive als berechtigte Geschäftsführerin ohne Auftrag abtransportiert. In der Folgezeit wurde die Lokomotive des A von Mitarbeitern der Reichsbahn grob fahrlässig für Eigentum der Reichsbahn gehalten und verkauft. A verlangte Schadensersatz gem. §§ 990, 989.
BGH in BGHZ 31, S. 129 ff.Ein Anspruch des A aus §§ 990, 989 setzt zunächst voraus, dass die Mitarbeiter der Reichsbahn „bei Erwerb des Besitzes“ unredlich waren.
§ 990 Abs. 1 S. 2hilft hier dagegen nicht weiter, da die Mitarbeiter der Reichsbahn laut Sachverhalt keine positive Kenntnis von dem fehlenden Eigentum hatten, sondern „nur“ grob fahrlässig handelten. Letzteres reicht aber im Rahmen des § 990 Abs. 1 S. 2 nicht aus, vgl. bereits oben unter 3a bb (1). Als die Reichsbahn erstmals die tatsächliche Sachherrschaft über die Lokomotive erlangte – bei Abtransport von der Front – war sie noch berechtigte Besitzerin. Unredlichkeit bezüglich eines mangelnden Besitzrechts kam zu diesem Zeitpunkt also nicht in Betracht. Die Mitarbeiter der Reichsbahn hatten den berechtigten Fremdbesitz aber später aufgrund grober Fahrlässigkeit in unberechtigten Eigenbesitz umgewandelt. Fraglich ist, ob auch eine solche Umwandlung von berechtigtem Fremd- in unberechtigten Eigenbesitz „Erwerb des Besitzes“ im Sinne von § 990 Abs. 1 S. 1 ist.275
Diese Frage nach der richtigen Interpretation des Begriffs des „Besitzerwerbs“ im Rahmen des § 990 Abs. 1 S. 1 ist umstritten: Einige wollen bei § 990 Abs. 1 S. 1 ausschließlich auf den erstmaligen Erwerb der tatsächlichen Sachherrschaft abstellen.
Schreiber Jura 1992, 356 ff. (364). Die unberechtigte Veräußerung durch den (an sich) berechtigten Fremdbesitzer sei eine Überschreitung seines Besitzrechts – ein Fall des „nicht so berechtigten“ Besitzers. In derartigen Fällen fehle es aus den genannten Gründen bereits an der für Ansprüche aus §§ 987 ff. erforderlichen Vindikationslage.So z.B. Roth JuS 2003, 937 ff. (939); ders. JuS 1997, 518 ff. (521); Schreiber Jura 1992, 356 ff. (364).Nach dieser Ansicht hat A im Feldbahnlokomotivenfall keinen Anspruch aus §§ 990, 989. Allerdings besteht ein solcher aus GoA wegen Unmöglichkeit der Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten gem. §§ 677, 681 S. 2, 667, 280 Abs. 1, 3, 283, den der BGH in seiner Entscheidung wohl übersehen hatte. Die Vertreter dieser Ansicht argumentieren mit dem Wortlaut des § 990 Abs. 1 S. 1: „Besitzerwerb“ könne nur dasselbe meinen wie im Rahmen des § 854 Abs. 1 – die erstmalige Erlangung von Sachherrschaft.
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Die wohl herrschende Meinung
Vgl. Palandt-Herrler Vorb. v. § 987 Rn. 13 m.w.N.; BGH in BGHZ 31, 129 ff. (134); Ebenroth/Frank JuS 1996, 794 ff. (801 f.) m.w.N. ist dagegen anderer Ansicht: Das Gesetz kenne und unterscheide mit dem Eigen- und dem Fremdbesitz zwei Besitzarten. Deshalb sei es mit dem Wortlaut des § 990 Abs. 1 S. 1 durchaus zu vereinbaren, auch die Umwandlung von Eigenbesitz in Fremdbesitz als „Besitzerwerb“ zu qualifizieren.BGH in BGHZ 31, 129 ff. (134). Das liege auch angesichts dessen nahe, dass die §§ 987 ff. gerade auf den unberechtigten Eigenbesitzer zugeschnitten seien.So Staudinger-Gursky § 990 Rn. 28. Schließlich überzeuge das Ergebnis auch unter folgendem Aspekt: Die §§ 987 ff. beinhalten die Entscheidung, dass der Besitzer nicht verpflichtet sein soll, nach dem Erwerb des Besitzes Nachforschungen bezüglich seiner Besitzberechtigung anzustellen. Diese Privilegierung des Besitzers erscheine aber nur gerechtfertigt, so lange dieser unverändert an den Rechtsgrund glaube, auf den er schon beim Erwerb des Besitzes vertraut hatte. Genau daran fehle es aber bei der Umwandlung von Eigen- in Fremdbesitz. In den Worten von MedicusMüKo-Raff § 990 Rn. 7.: „Wessen Besitz nur unverändert fortdauert, von dem kann man nicht erwarten, dass er sich ständig Gedanken über die Berechtigung dieses Besitzes macht. Wer dagegen seinem Besitz einen neuen Grund geben will, dem sind solche Gedanken ebenso zumutbar wie dem Besitzerwerber.“Staudinger-Gursky § 990 Rn. 28, weist zudem auf Folgendes hin: In diesem Fall führe die Exzesshandlung des berechtigten Besitzers ausnahmsweise zum Wegfall des Besitzrechts. Das ergebe sich aus dem Recht der GoA: Die Besitzberechtigung gründe auf dem Umstand, dass die Reichsbahn berechtigte Geschäftsführerin ohne Auftrag sei. Mit der Ergreifung des Eigenbesitzes entfalle aber der für die berechtigte GoA erforderliche Fremdgeschäftsführungswille (§ 687 Abs. 1), so dass zugleich das Besitzrecht entfalle. Von „nicht so berechtigtem“ Besitz könne hier also nicht die Rede sein. Nach dieser Ansicht hat A im Beispiel einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 990, 989.Expertentipp
Bei diesem Problem sollten Sie unter Anführung der dargestellten Argumente der h.M. folgen.
ee) Bösgläubigkeit Minderjähriger
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Umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen ein Minderjähriger als bösgläubig behandelt werden kann. Ein uneingeschränktes Abstellen auf den Minderjährigen selbst könnte mit dem Gedanken des Minderjährigenschutzes nicht zu vereinbaren sein. Denkbar wäre es, analog § 166 Abs. 1 nur auf eine eventuelle Bösgläubigkeit des gesetzlichen Vertreters abzustellen (an der es meistens fehlt!) oder nach dem Rechtsgedanken des § 828, bei gegebener Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen, allein auf seine Bösgläubigkeit abzustellen.
Die wohl h.M.
MüKo-Gitter vor § 104 Rn. 29 m.w.N. differenziert danach, ob der Minderjährige den Besitz durch unerlaubte Handlung (z.B. Betrug – dann § 828) oder in sonstiger Weise (dann § 166) erlangt hat.Beispiel
Der 17-jährige B mietet vom Autovermieter E unter Vorlage des Führerscheins seines älteren, ihm ähnlich sehenden Bruders, ein Auto für eine Spritztour mit seiner Freundin. B sagt davon seinen Eltern nichts. Bei einem von B verschuldeten Unfall wird das Auto erheblich beschädigt. Muss B dem E den Schaden ersetzen?
Die Beantwortung der Frage hängt nach §§ 989, 990 davon ab, ob B im Zeitpunkt der Beschädigung bösgläubig war. Dies wäre nach h.M. analog § 828 Abs. 3 nach seiner eigenen Bösgläubigkeit zu beurteilen, wenn er den (wegen Unwirksamkeit des Mietvertrages nach § 108) unrechtmäßigen Besitz durch eine unerlaubte Handlung (z.B. Betrug, § 263 StGB) erlangt hätte. Dies ist hier der Fall, da B dem E durch Vorlage des Führerscheins vorgespiegelt hatte, volljährig zu sein.
Expertentipp
Behalten Sie bei Anwendung der §§ 987 ff. auf Minderjährige den Minderjährigenschutz im Auge. Die Differenzierung der h.M. ist sachgerecht, da der Minderjährigenschutz seine Grenze in deliktischen Handlungen des Minderjährigen zu finden hat.
c) Verschlechterung/Untergang/Herausgabeunmöglichkeit/Verschulden
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§ 990 Abs. 1 enthält eine (partielle) Rechtsgrundverweisung auf § 989 – auch der unredliche Besitzer muss mithin die Verschlechterung, den Untergang bzw. die sonstige Herausgabeunmöglichkeit verschuldet haben.
Roth JuS 1997, 710 f. (710). Insoweit kann auf die Ausführungen zu § 989 verwiesen werden.d) Schaden des Eigentümers
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Hinsichtlich Art und Umfang des Schadensersatzes gelten erst einmal die Ausführungen zu § 989 entsprechend.
§ 990 Abs. 2 bestimmt aber zusätzlich, dass eine weitergehende Haftung des unredlichen Besitzers wegen Verzuges mit der Herausgabepflicht aus § 985 nicht ausgeschlossen ist. Das bedeutet insbesondere, dass der bösgläubige Besitzer im Falle des Verzuges auch Vorenthaltungsschäden zu ersetzen hat und dass er in diesem Falle auch für zufällig entstandene Schäden (vgl. § 287 S. 2) haftet.
Expertentipp
Achten Sie insoweit auch auf die beliebte Klausurfalle, wenn als Schaden entstandene Rechtsanwaltskosten geltend gemacht werden. Die den Verzug herbeiführende Mahnung selber (sogenannte Erstmahnung) durch den Rechtsanwalt ist nicht ersatzfähig, da sie die Voraussetzungen des Verzugs erst herbeiführt. Rechtsanwaltskosten (insbesondere für von diesem verfasste Korrespondenz) sind also nur dann ersatzfähig, wenn sich der Schuldner im Zeitpunkt der Tätigkeit des Rechtsanwalts bereits im Verzug befand.
2. Rechtsvernichtende Einwendungen/Durchsetzbarkeit
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Hier gelten die Ausführungen zu den bisher besprochenen Ansprüchen entsprechend.