Der Angeklagte (A) hatte als "Inkassoanwalt" Mahnschreiben entworfen, die durch die Mandantin, einen sog. Gewinnspieleintragungsdienst, durch Eintragen der Adresse vervollständigt und abgeschickt wurden. Die Mandantin hatte zuvor über ein Callcenter angeboten, Kunden gegen einen Teilnehmerbetrag in Gewinnspielen einzutragen, diese Eintragung dann aber niemals vorgenommen. Kunden, die die Zahlungen verweigerten, sollten mittels des Mahnschreibens zur Zahlung gedrängt werden. A machte sich weder Gedanken über das Bestehen der Forderung seiner Mandantin noch über den Adressaten der Forderung. Das von ihm verfasste Mahnschreiben entielt gleichwohl u.a. folgende Formulierungen:
" Meine Mandantin ist Inhaberin der Forderung....Ich bin nunmehr mit der Durchsetzung der berechtigten Forderung gegen Sie beauftragt worden; dies werde ich konsequent tun....Sollte die Forderung nicht gezahlt werden, behält sich meine Mandantin darüber hinaus vor, den Sachverhalt der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Überprüfung wegen des Verdachts eines Betruges vorzulegen"
Das Inaussichtstellen einer Strafanzeige hat der BGH als (versuchte) Nötigung gem. § 240 StGB angesehen.
Voraussetzung dafür ist zunächst, dass mit einem empfindlichen Übel gedroht wird. Bei einem Übel handelt es sich um eine künftig nachteilige Veränderung in der Außenwelt. Empfindlich ist das Übel, wenn der Nachteil so erheblich ist, dass seine Ankündigung den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens motivieren kann.
Eine Strafanzeige stellt zunächst einmal eine nachteilige Veränderung und damit ein Übel dar. Nach Meinung des BGH (a.a.O.) ist dieses Übel auch empfindlich. Es kann insbesondere in Ansehung des Umstandes, dass das Androhen des Übels durch einem Rechtsanwalt erfolgt, von dem Bedrohten, der zumeist ein juristischer Laie ist, nicht erwartet werden, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhalte.
Problematisch ist aber, inwieweit die Formulierung des Schreibens auch als Drohung und nicht nur als Warnung verstanden werden kann. Schließlich wird auf den Willen der Mandantin verwiesen,die sich weitere Schritte vorbehalte. Unter einer Drohung ist aber nur ein Inaussichtstellen eines Übels zu verstehen, auf dessen Eintritt der Täter Einfluss zu haben vorgibt. Die Abgrenzung sei allerdings aus der Sicht des Empfängers zu bestimmen, so der BGH. Insoweit ergebe sich aus dem Gesamtkontext des Schreibens ("konsequent verfolgen"), dass A auf den Mahnvogang sowie das weitere Vorgehen maßgeblich Einfluss habe und somit unabhängig von der Formulierung eine Drohung vorliege.
Schließlich muss die Tat noch rechtswidrig iSd § 240 II StGB sein. Vorliegend kann sich die Rechtswidrigkeit aus der Mittel-Zweck-Relation ergeben.
Die Besonderheit des vorliegenden Falles bestand darin, dass die objektive Lage und die subjektive Kenntnis des A auseinanderfielen.
Objektiv unterstütze A die Mandantin in der Durchsetzung nicht bestehender Forderungen, was zweifelsohne rechtswidrig ist. Subjektiv konnte A aber nicht nachgewiesen werden, dass er positive Kenntnis von dem Nichtbestehen eines Anspruchs seiner Mandantin gegenüber den jeweiligen Kunden hatte. Der BGH führt dazu aus: "Wäre nicht schon bei dem Sacherhalt, den der Angeklagte sich vorstellte, die Drohung mit der Strafanzeige als verwerflich anzusehen, läge letztlich ein Tatbestandsirrtum vor, der den Vorsatz ausschließt."
Auf die diesbezügliche subjektive Vorstellung des A soll es nach Ansicht des BGH aber nicht ankommen. A wusste jedenfalls, dass die Mandantin in keinem Falle eine Strafanzeige durch die StA veranlasst hätte. Auch waren ihm die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen der Mandantin und den Kunden gleichgültig. Ausschlaggebend, so das BGH, sei in Anbetracht dessen allein, dass A seine Berufsbezeichnung als Anwalt eingesetzt habe, um juristische Laien mit der Autorität des Organs der Rechtspflege zur Begleichung von Forderungen zu bringen, die nur scheinbar von ihm rechtlich geprüft worden waren.
Da letztlich nicht ohne erheblichen Aufwand hätte nachgewiesen werden können, ob die Abgemahnten aufgrund des Schreibens an sich oder aufgrund der Drohung gezahlt haben, kam nur eine versuchte Nötigung in Betracht.
Weitere Ausführungen zur Nötigung gem. § 240 StGB und den anderen Delikten gegen die persönliche Freiheit finden Sie in unserem GuKO SR II sowie in unseren ExO`s. Einen Auszug aus dem Skript finden Sie hier:http://www.juracademy.de/web/topic.php?id=12534