Das LG Köln hatte die Unwirksamkeit der Einwilligung der Eltern, die diese als sorgeberechtigte Vertreter des einwilligungsunfähigen 4 jährigen Kindes grundsätzlich erteilen durften, wie folgt begründet:
"Gemäß § 1627 Satz 1 BGB sind vom Sorgerecht nur Erziehungsmaßnahmen gedeckt, die dem Wohl des Kindes dienen. Nach wohl herrschender Auffassung in der Literatur ... entspricht die Beschneidung des nicht einwilligungsfähigen Knaben weder unter dem Blickwinkel der Vermeidung einer Ausgrenzung innerhalb des jeweiligen religiös gesellschaftlichen Umfeldes noch unter dem des elterlichen Erziehungsrechts dem Wohl des Kindes. Die Grundrechte der Eltern aus Artikel 4 Abs. 1, 6 Abs. 2 GG werden ihrerseits durch das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung gemäß Artikel 2 Abs.1 und 2 Satz 1 GG begrenzt."
Im Verfahren vor dem OLG Hamm hatte der Vater eines 5 jährigen Jungen im Wege des einstweiligen Anordnungsverfahren die Untersagung der Beschneidung durchsetzen wollen, die die allein sorgeberechtigte Mutter veranlassen wollte. Grund der Beschneidung waren für die aus Kenia stammende Mutter kulturelle und hygienische Gründe.
Das OLG Hamm hat ausgeführt, dass die Mutter grundsätzlich gem. § 1631d BGB in die Beschneidung des Jungen einwilligen darf. Es hat jedoch festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 1631d BGB im vorliegenden Fall nicht gegeben waren. Aus diesem Grund hat es dem Antrag des Vaters statt gegeben.
Schauen wir uns die nach Auffassung des OLG aus der Norm sich ergebenden Voraussetzungen einmal näher an:
1. Der Personensorgeberechtigte muss entscheiden.
2. Das Kind darf nicht einsichts- und urteilsfähig sein.
Hier kommt das OLG zu dem Schluss, dass dies von dem Arzt und den Eltern überprüft werden muss. Stellt sich heraus, dass das Kind die Einsichts- und Urteilsfähigkeit besitzt (was nach Auffassung des OLG ab 10 Jahren möglich sein soll), so ist ausschließlich dessen Wille beachtlich. Aber auch wenn das Kind diese Fähigkeit nicht besitzt, ist der Wille des Kindes nicht unbeachtlich. Aus den §§ 1626 II 2 und 1631 II BGB leitet das OLG die Pflicht der Sorgeberechtigten und des Arztes her, dass der Eingriff mit dem Kind in einer kindgerechten Weise besprochen werden muss. Dabei müssen die Beteiligten versuchen, ein Einvernehmen mit dem Kind herzustellen.
3. Die Beschneidung darf nicht medizinisch geboten sein. Sonstige Motive sind irrlevant.
4. Die Beschneidung muss nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgen
5. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal: es muss eine umfassende Aufklärung der Sorgeberechtigten über die Risiken erfolgen.
6. Das Kindeswohl darf nicht gefährdet werden.
Diese Gefährdung kann nicht in der unmittelbaren Gefährdung der körperlichen Integrität liegen, da § 1631d BGB ansonsten obsolet wäre. Gemeint ist vielmehr die gegenwärtige Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. Das OLG hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass je nach Schutzwürdigkeit des Motivs für die Beschneidung die Schwelle der Kindeswohlgefährdung niedriger sein kann.
Vorliegend sollte die Beschneidung nur aus kulturellen Gründen heraus erfolgen. Die Kindeswohlgefährdung sah das OLG darin, dass die Mutter das Kind zu dem Termin nicht begleiten konnte, so dass eine traumatische Belastung bevorstand.
Führt der Arzt den Eingriff aus, so stellt sich in einer SR Klausur die Frage, inwieweit sich der Arzt gem. § 223 StGB strafbar gemacht haben könnte. Auf der Ebene der Rechtswidrigkeit sind dann die Voraussetzungen einer rechtfertigenden Einwilligung zu überprüfen. Sofern die Sorgeberechtigten diese Einwilligung erteilt haben, muss geprüft werden, ob sie gem. § 1631d BGB wirksam ist.
Diese und weitere Ausführungen finden Sie wie immer in unserem GuKO SR I und in unseren ExO`s. Einen Einblick in unsere Skripte erhalten Sie hier http://www.juracademy.de/web/topic.php?id=12527.