Folgender Sachverhalt stand zur Beurteilung: der stark angetrunkene A, der sich seiner Alkoholisierung und dadurch bedingten Fahruntüchtigkeit bewusst war, fuhr gegen 02.00 Uhr morgens mit 40 bis 50 km/h durch die Innenstadt, als B hinter einem haltenden Bus die dunkle Fahrbahn betrat. A erfasste ihn ungebremst, wodurch B schwer verletzt wurde. A erkannte die schweren Verletzungen des B, setzte jedoch seine Fahrt fort. Es ist nicht auszuschließen, dass der Unfall auch im nüchternen Zustand nicht vermeidbar gewesen wäre, da B verdeckt und plötzlich hinter dem Bus hervortrat und von daher nicht rechtzeitig sichtbar war. Denkbar ist jedoch, dass bei einer langsameren Geschwindigkeit der Unfall weniger schwere Verletzungen herbei geführt hätte oder sogar kompett hätte vermieden werden können.
Unproblematisch hat sich A durch das Fahren gem. § 316 StGB wegen Trunkenheit im Verkehr strafbar gemacht. Eine Strafbarkeit gem. § 315 c StGB kommt dagegen nicht in Betracht, da es an dem Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen dem alkoholisierten Fahren und der konkreten Gefahr für B fehlt. Das Risiko der Alkoholisierung (Steuerungs- und Reaktionsverluste) hat sich nicht in der Gefahr nieder geschlagen, da auch ein nüchterner Fahrer den Unfall wohl nicht hätte vermeiden können. Auf ein evtl. zu schnell Fahren können Sie bei § 315 c StGb nicht abstellen.
Umstritten ist nun, ob sich A auch gem. § 229 StGB strafbar gemacht haben könnte.
Stell man als Sorgfaltspflichwidrigkeit auf das alkoholisierte Fahren ab, gelangt man auch hier zu dem Ergbnis, dass der Risikozusammenhang fehlt. Lediglich die Risikoerhöhungslehre würde diesen Zusammenhang bejahen. Alle anderen würden mit dem Gedanken des "rechtmäßigen Alternativverhaltens" die Zurechnung verneinen.
Fraglich ist nun, ob man auf das zu schnelle Fahren in alkoholisiertem Zustand abstellen kann. Gem. § 3 I StVO muss ein Fahrzeugführer seine Geschwindigkeit seinen auch persönlichen Verhältnissen anpassen, darf also nur so schnell fahren, wie er sein Fahrzeug sicher beherrscht. Für den BGH bedeutet das in ständiger Rechtsprechung (zuletzt BGH Urteil vom 06.12.2012, AZ 4 StR 369/12 - abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de), dass auch zu prüfen ist, bei welcher geringeren Geschwindigkeit A noch seiner durch den Alkoholeinfluss herabgesetzten Wahrehmungs-und Reaktionsfähigkeit bei Eintritt der kritischen Verkehrslage hätte Rechnung tragen können, und ob es auch bei dieser Geschwindigkeit zu dem Unfall und dessen schweren Folgen gekommen wäre.
Es gibt also nach Auffassung des BGH in der Sorgfaltspflichtwidrigkeit (betrunkenes Fahren) ein sorgfaltsgemäßes Verhalten (langsames Fahren). Wird diese Sorgfalt verletzt durch unangepasste Geschwindigkeit, kann dies zu einer Verurteilung aus § 229 StGB führen.
Dieser darin liegende Wertungswiderspruch zu den §§ 315c, 316 StGB führt dazu, dass die Lösung des BGH in der Literatur weitestgehend abgelehnt wird. (vgl. Wessels/Beulke Strafrecht AT Rn. 680 mwN)
Abschließend sei noch angemerkt, dass A sich hinsichtlich des Wegfahrens gem. § 142 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben könnte. Eine mögliche Strafbarkeit aus einem Unterlassungsdelikt durch das Liegenlassen und Nichtalarmieren der Rettungskräfte hängt davon ab, ob A eine Garantenstellung inne hatte: nach BGH ist das aufgrund der obigen Ausführungen möglich.
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