A Sachverhalt
Die Klägerin (K) erwarb am 23. November 2013 von dem Beklagten Verbraucher (B) nach einem Proberitt einen Wallach. Der Kaufpreis belief sich auf 17.000 € zuzüglich weiterer 1.000 € für die am 20. November 2013 von dem Tierarzt (T) vorgenommene Ankaufsuntersuchung, bei der keine erheblichen Gesundheitsmängel festgestellt worden waren.
Bei einer Routineuntersuchung stellte sich nachträglich heraus, dass das Pferd bereits im jungen Alter eine mehrfache Rippenfraktur hatte, welche jedoch bereits ohne Komplikationen vollständig ausgeheilt ist.
K machte in der Folgezeit geltend, dass das Pferd aufgrund des Vorschadens mangelhaft sei und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises.
B verweigerte die Rückzahlung mit der Begründung, dass es keinen Grund gebe den Vertrag aufzulösen. Er stellte zudem klar, dass eine vollständig ausgeheilte Rippenfraktur allenfalls einen kaum sichtbaren „Schönheitsfehler“ darstelle, der sich nicht wertmindernd auswirkt.
K erwidert, dass wohl kein Käufer beim Kauf eines Pferdes mit solchen Umständen rechne und solche Frakturen sehr selten seien.
Kann K vom Vertrag zurücktreten?
B Leitsätze
„a) Der Verkäufer eines Tieres hat, sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird, (lediglich) dafür einzustehen, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird (Bestätigung von BGH, Urteil vom 18. Oktober 2017 - VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 26 mwN) und infolgedessen für die gewöhnliche (oder die vertraglich vorausgesetzte) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre.
b) Demgemäß wird die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die gewöhnliche oder die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der "physiologischen Norm" eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen (Bestätigung von BGH, Urteile vom 7. Februar 2007 - VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351 Rn. 14; vom 18. Oktober 2017 - VIII ZR 32/16, aaO Rn. 24).
c) Die vorgenannten Grundsätze gelten auch für folgenlos überstandene Krankheiten und Verletzungen, wie ausgeheilte Rippenfrakturen eines als Reittier verkauften erwachsenen Pferdes, das nach Ablauf des Heilungsprozesses klinisch unauffällig ist. Weder kommt es insoweit darauf an, ob die vollständig ausgeheilten Rippenfrakturen auf einem "traumatischen Ereignis" beruhen, noch kann die Verletzung eines Tieres in jeder Hinsicht einem Schaden an einer Sache, etwa einem Kraftwagen, gleichgestellt werden.“
B Lösung
Fraglich ist, ob K vom Vertrag zurücktreten kann.
I §§ 437 Nr. 2, 434 I, 90a S.3, 326 V, 323, §§ 346 I, 348
1 Gegenseitiger Vertrag
Ein gegenseitiger Vertrag liegt hier in Gestalt des Kaufvertrags vor.
2 Mangel
Fraglich ist, ob das Pferd mangelhaft war. Als Anknüpfungspunkt für einen Mangel kommt die verheilte Vorschädigung des Pferdes in Gestalt der Rippenfrakturen Betracht.
a Mangel nach § 434 I 1
Hinweis
An eine Beschaffenheitsvereinbarung sind stets strenge Anforderungen zu stellen. Diese kommt nur in eindeutigen Fällen in Betracht (BGH NJW 2018, 150).
Den Parteien steht es frei im Vertrag eine Beschaffenheit zu vereinbaren. Im vorliegenden Fall haben die Parteien eine Freiheit von (ausgeheilten) Vorverletzungen nicht getroffen.
b Mangel nach § 434 I 2 Nr. 1
Fraglich ist, ob eine vertraglich vorausgesetzte Verwendung in Betracht kommt. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass eine solche Vereinbarung über die Vereinbarung einer bloßen Beschaffenheit nach Satz 1 hinausgehen muss (BGH NJW 2019, 1937). Dabei ist die vollständige Tauglichkeit zur vertraglich vereinbarten Verwendung nicht notwendig, ausreichend ist eine geminderte Eignung zum Einsatzzweck (BGH NJW 2017, 2817). Nur so kann eine zuverlässige Abgrenzung zu §434 I 1 erfolgen.
Im vorliegenden Fall ist keine außerhalb der Beschaffenheit des Pferdes liegende Vereinbarung über die Nutzung ersichtlich. Daher scheidet §434 I 2 Nr. 1 als Anknüpfungspunkt aus.
c Mangel nach § 434 I 2 Nr. 2
Ein Mangel nach Nummer 2 kann angenommen werden, wenn das Pferd sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignen würde und keine Beschaffenheit aufweisen würde, die bei Pferden der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
aa Übliche Beschaffenheit eines Tieres
„Der Verkäufer eines Tieres hat, sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird, (lediglich) dafür einzustehen, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird (Senatsurteil vom 18. Oktober 2017 - VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 26; siehe bereits Senatsurteil vom 29. März 2006 - VIII ZR 173/05, BGHZ 167, 40 Rn. 37) und infolgedessen für die gewöhnliche (oder die vertraglich vorausgesetzte) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre.“
Vor diesem Hintergrund ist ein Reitpferd nicht bereits dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der „physiologischen Norm“ eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen könnten (BGH NJW 2007, 1351). Das Tier muss gerade nicht der physiologischen „Idealnorm“ entsprechen (BGH NJW 2018, 150).
Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich bei Tieren um Lebewesen handelt, die einer ständigen Entwicklung unterliegen und anders als Sachen mit individuellen Anlagen ausgestattet sind und dementsprechend mit unterschiedlichen Risiken behaftet sind.
Ein Käufer eines Tieres darf ohne dahingehende Beschaffenheitsvereinbarung nicht erwarten, dass er ein Tier mit „idealen“ Anlagen erwirbt. Vielmehr muss er damit rechnen, dass das Tier gewöhnliche physiologische Abweichungen aufweist. Die sich daraus ergebenden Risiken für die Weiterentwicklung des Tieres sind gerade typisch für Lebewesen und stellen daher keinen vertragswidrigen Zustand dar. Es ergibt sich unter anderem auch daraus, dass der Verkäufer nicht für den Fortbestand des bei Gefahrübergang gegebenen Gesundheitszustands haftet.
Eine ungewöhnliche Abweichung von der physiologischen Norm ist beim streitgegenständlichen Pferd nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich aus dem Sachverhalt nicht, dass das Pferd aufgrund der ausgeheilten Vorschädigung in irgendeiner Art beeinträchtigt ist.
bb Mangelhaftigkeit in Gestalt abgeheilter Vorerkrankung
Fraglich ist, ob sich ein anderes Ergebnis für den Fall einer ausgeheilten Vorerkrankung und der damit verbundenen erhöhten Wahrscheinlichkeit für Komplikationen im weiteren Lebensverlauf des Tieres ergeben kann.
Dies wäre dann der Fall, wenn man die Veräußerung eines Pferdes mit ausgeheilter Fraktur letztlich wie einen Fall behandeln würde, bei dem ein Fahrzeug mit einem vollständig und fachgerecht reparierten Unfallschaden als unfallfrei verkauft wird (BGH NJW 2008, 1517).
Die Rechtsprechung zu Kraftfahrzeugen kann jedoch nicht uneingeschränkt auf den vorliegenden Fall übertragen werden, da die Kaufsachen wesensverschieden sind (vgl. bereits BT-Drucks. 11/5463, S. 5).
Aufgrund des Umstandes, dass die Verletzung vollständig und ohne Komplikationen ausgeheilt ist, besteht gerade nicht die Sicherheit oder zumindest hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Pferd in der Zukunft nicht mehr als Reitpferd eingesetzt werden kann.
Auch ist im vorliegenden Fall gerade nicht ersichtlich, dass die vorliegende Vorschädigung einen preismindernden Makel einer erheblichen Vorschädigung darstellt.
Der Einwand des Klägers, dass der übliche Kunde einen solchen Makel des Pferdes nicht erwarten würde, verfängt nicht. Beim Bewertungsmaßstab aus § 434 I 2 Nr. 2 ist nicht auf den einzelnen Käufer oder die tatsächliche Markterwartung und ihre Reaktion hierauf abzustellen, sondern vielmehr zu fragen welche Beschaffenheit der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Damit ist die objektiv berechtigte Käufererwartung maßgeblich (BGH NJW 2016,3015)!
„Etwaige Preisabschläge beim Weiterverkauf, die darauf zurückzuführen sind, dass "auf dem Markt" bei der Preisfindung von einer besseren als der üblichen Beschaffenheit von Sachen der gleichen Art ausgegangen wird, vermögen einen Mangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB jedoch nicht zu begründen (Senatsurteil vom 7. Februar 2007 - VIII ZR 266/06, aaO; siehe auch Senatsurteile vom 20. Mai 2009 - VIII ZR 191/07, aaO; vom 15. September 2010 - VIII ZR 61/09, NJW 2010, 3710 Rn. 20; vom 29. Juni 2016 - VIII ZR 191/15)“
Auch der Umstand, dass es sich bei einer derartigen Rippenfraktur um ein seltenes Ereignis handelt, ändert nichts an der Einschätzung. Die hinzunehmende Abweichung von der „Idealnorm“ ist nicht davon abhängig wie häufig derartige Abweichungen vorkommen (BGH NJW 2018, 150).
II Ergebnis
Da kein Mangel vorliegt, fehlt der Rücktrittsgrund.