Der BGH (Urteil vom 05.03.2014, VIII ZR 205/13 - abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de) musste sich mit folgendem Sachverhalt befassen: Der Beklagte mietete vom Kläger für mehrere Monate dessen Eigentumswohnung. Nach Rückgabe der Mietsache wurde festgestellt, dass der Beklagte einen der beiden ausgehändigten Schlüssel nicht zurück geben konnte. Auch konnte er keine Angaben über den Verbleib des Schlüssels machen. Nachdem die Hausverwaltung über diesen Vorgang informiert worden war, verlangte diese vom Kläger den in einem Kostenvoranschlag errechneten Betrag in Höhe von € 1.468,00 für den aus Sicherheitsgründen für notwendig erachteten Austausch der Schließanlage. Zu einem Austausch der Schließanlage kam es vorerst nicht.
Der Kläger verlangt nun von dem Beklagten als Schadensersatz Freistellung (= Zahlung an die Wohnungseigentümergemeinschaft) in Höhe des zuvor genannten Betrages. Da die Schließanlage aber nicht ausgetauscht wurde, handelt es sich um eine fiktive Abrechnung. Der BGH hat diesen Anspruch abgelehnt.
Zunächst ist festzustellen, dass der Beklagte die sich aus dem Mietverhältnis ergebende Obhuts- und Rückgabepflicht gem. §§ 241 II, 546 I BGB verletzt hat. Diese Pflicht bezieht sich auch auf mitvermietetes Zubehör wie den Schlüssel. Dementsprechend steht dem Kläger ein Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 280 I, 249 II, 257 BGB zu. Dieser Anspruch auf Schadensersatz kann auch als Anspruch auf Zahlung an die WEG (=Freistellung) geltend gemacht werden, soweit der Kläger seinerseits Ansprüchen der WEG ausgesetzt ist. Eben diese Ansprüche der WEG hat der BGH im vorliegenden Fall aber verneint.
Zwar besteht zwischen dem Kläger und den anderen Miteigentümern ein gesetzliches Schuldverhältnis, in dessen Rahmen der Kläger auch für das Verschulden seines Mieters gem. § 278 BGB haften muss. Auch ist der Kläger gegenüber der WEG zur Obhut über die Schlüssel verpflichtet und mithin verantwortlich für den sich aus dem Verlust eines Schlüssels ergebenden Schaden, der auch darin liegen kann, dass die Schließanlage aus Sicherheitsgründen ausgetauscht werden muss. Dieser Anspruch setze aber - so der BGH - voraus, dass die Schließanlage auch tatsächlich ausgetauscht wurde.
Zwar verkennt der BGH nicht, dass dass der für die Beseitigung eines Sachschadens erforderliche Aufwand gem. § 249 II 1 BGB auch fiktiv abgerechnet werden kann. Die Voraussetzung für eine fiktive Abrechnung ist aber ein erstattungsfähiger Vermögensschaden. Daran solle es hier nach Meinung des BGH fehlen. Der BGH führt hierzu folgendes aus:
"Eine Sache oder Sachgesamtheit ist nur dann beschädigt, wenn ihre Sachsubstanz verletzt ist ... Der Verlust eines Schlüssels führt aber bei der gebotenen wertenden Betrachtung nicht zu einer - über die hier nicht streitgegenständliche Einbuße des verlorenen Schlüssels hinausgehende - Beeinträchtigung der Sachsubstanz der Schließanlage.
Dass die Schließanlage in ihrer Sicherungsfunktion beeinträchtigt ist, wenn sich Unbefugte mit dem verloren gegangenen Schlüssel Zutritt verschaffen könnten, ist keine unmittelbare Folge eines Substanzeingriffs. Dies zeigt sich schon daran, dass diese Funktionsbeeinträchtigung durch einen neu angefertigten Schlüssel und die damit verbundene Kompensation der eingebüßten Sachsubstanz nicht beseitigt werden könnte. Soweit das Berufungsgericht die durch den Verlust des Schlüssels bedingte Funktionsbeeinträchtigung als Eingriff in die "substantielle Funktionalität" der Sachgesamtheit "Schließanlage" wertet, vermengt es die Verletzung der Sachsubstanz und die Beeinträchtigung der Sicherungsfunktion der Schließanlage. Während im ersten Fall schon aufgrund der schadensrechtlichen Differenzhypothese vom Vorliegen eines Sachschadens auszugehen ist, bedarf es bei der beschriebenen Beeinträchtigung der Sicherungsfunktion einer wertenden Betrachtung unter Einbeziehung der Verkehrsauffassung, ob sich das wegen einer Missbrauchsgefahr bestehende Sicherheitsrisiko zu einem Vermögensschaden verfestigt hat. Dies ist nicht der Fall. Das rein abstrakte Gefährdungspotential stellt regelmäßig keinen erstattungsfähigen Vermögensschaden dar. Ein ersatzfähiger Schaden entsteht vielmehr erst dann, wenn sich der Geschädigte aus objektiver Sicht unter den konkret gegebenen Einzelfallumständen zur Beseitigung einer fortbestehenden Missbrauchsgefahr veranlasst sehen darf, die Schließanlage zu ersetzen, und diesen Austausch auch tatsächlich vornimmt. In einem solchen Fall hat sich das Gefährdungspotential in einer Vermögenseinbuße realisiert."
Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie in unseren ExO`s und im GuKO ZR II. Eine Leseprobe aus unserem Skript finden Sie hier: http://www.juracademy.de/web/topic.php?id=12549