Die Ehefrau schloss mit einem Käufer einen notariellen Kaufvertrag über zwei ihrer Grundstücke. In dem Vertrag gab Sie an, dass die beiden Grundstücke nicht ihr gesamtes, auch nicht nahezu ihr gesamtes Vermögen umfassten. Gleichzeitig wurde die Auflassung erklärt. Anschließend wurde von der Ehefrau und dem Käufer die Umschreibung der Eigentümerstellung im Grundbuch beantragt. Dem widersprach der Ehemann mit der Begründung, die verkauften Grundstücke stellten nahezu das gesamte Vermögen seiner Ehefrau dar. Als die Grundstücke schließlich eingetragen wurden, wusste der Käufer um die Bedeutung der Grundstücke für das Vermögen der Ehefrau.
Ohne in grundbuchverfahrensrechtlichen Details einzusteigen, sei immerhin soviel klargestellt: Es kommt darauf an, ob der Kaufvertrag und die Auflassung wirksam sind. Diese Frage kann unstreitig niemand beantworten, der keine Inhaltsverzeichnislesekompetenz aufweist. Bei diesem Studium stößt man möglicherweise auf die Norm des § 1365 BGB und ist damit schon fast angekommen. Die Vorschrift besagt im Wesentlichen, dass kein Ehegatte ohne Zustimmung des anderen über sein ganzes Vermögen verfügen darf: genauer – dass er sich hierzu nicht verpflichten darf. Damit ist auch schon das eigentliche Problem getroffen: Betrifft die Vorschrift jetzt die Verfügung oder die Verpflichtung? Und was bedeutet ganzes Vermögen?
Der BGH hat bereits in BGHZ 35, 135 festgestellt, das ganzes Vermögen vorliegend (anders als § 311b Abs. 3 BGB) auch nahezu das ganze Vermögen meint, weil die Norm u.a. den Zugewinnausgleichsanspruch des anderen Ehegatten sichern solle. „Nahezu“ bedeute idR ein Vermögensanteil von 85 % des fraglichen Gegenstands.
Anders als die Überschrift der Norm, deutet § 1365 Abs. 1 Satz 1 BGB daraufhin, dass bereits Verpflichtungsgeschäfte dem Zustimmungserfordernis unterliegen. Diese Auslegung ist jedoch nicht zwingend, weil Satz 2 immerhin von einer Verpflichtung spricht, die erfüllt werden kann. Andererseits können durchaus auch unwirksame Verpflichtungen erfüllt werden, sodass überzeugender ist, bereits die Verpflichtung selbst (auch!) dem Zustimmungserfordernis zu unterwerfen. So sieht es der BGH und bewirkt damit folgendes: Verträge von Ehegatten sind stets dann unwirksam, wenn Sie nahezu das gesamte Vermögen betreffen, seien es nun verfügende oder verpflichtende Verträge. Das bedeutet aber auch eine erhebliche Unsicherheit für den Rechtsverkehr. Deswegen, und weil trotz § 1365 BGB der Grundsatz gilt, dass jeder Ehegatte über sein Vermögen frei verfügen darf, § 1364 BGB, legt der BGH das Verpflichtungs- und Verfügungsverbot einschränkend ein: Dem jeweiligen Vertragspartner müsse bewusst sein, oder bewusst sein können, dass der kontrahierende Ehegatte über nahezu sein gesamtes Vermögen verfügen müsste, um die Verpflichtung einzugehen.
Hier wusste der Käufer zum Zeitpunkt der Verpflichtung nicht von den Vermögensverhältnissen, beim Abschluss des Eigentumserwerbs allerdings, wusste er davon. Damit stellt sich nach der Rechtsprechung eigentlich die Situation so dar, dass zwar das Verpflichtungsgeschäft wirksam ist (es fehlt das subjektive Element des Käufers!), nicht aber der Eigentumserwerb, weil bei Abschluss der Verfügung der Käufer bescheid wusste. Der BGH folgt dem vorlegenden Beschwerdegericht und meint, dass es für den Zeitpunkt der Kenntnis des Vertragspartners allein auf das Verpflichtungsgeschäft ankäme: § 1365 Abs. 1 BGB durchbreche das Abstraktionsprinzip indem es die Wirksamkeit des Erfüllungsgeschäfts, von derjenigen des Verpflichtungsgeschäfts (teilweise) abhängig mache. Würde man die Erfüllung unwirksam sein lassen und das Verpflichtungsgeschäft wirksam – dann sehe sich der Verpflichtende Ehegatte sehr wahrscheinlich Schadensersatzansprüchen wegen anfänglicher Unmöglichkeit ausgesetzt, die Ihrerseits das Vermögen gefährden würden. Weil dieses Ergebnis sinnwidrig wäre und auch systematisch nicht mit § 1365 Abs. 1 Satz 2 BGB in Einklang zu bringen sei – dürfe es bei wirksamer Verpflichtung, bei der anschließenden Verfügung, nicht mehr auf die Kenntnis des Vertragspartners ankommen.
Der Käufer wurde Eigentümer – das Schicksal der Ehe war wohl nicht entscheidungserheblich, jedenfalls enthält der Tatbestand des Urteils hierzu keine Angaben...
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