Zum Sachverhalt: A betreibt ein Elektroinstallationsunternehmen. Sie bezieht von B eine „Lichtrufanlage“, die es Patienten erlaubt, Pflegekräfte vom ihrem Krankenbett aus, zu verständigen. Diese Anlage wird von A in den Neubau eines Altenheims eingebaut und mit der Anlage im Altbau desselben Heims verbunden. Da die Anlage nicht funktioniert und auch ein Mitarbeiter der A die Störung nicht beseitigen kann, wendet A sich an B und fordert diesen auf, den Mangel – den sie an der Anlage selbst vermutet – zu beheben. In der Folge reist ein Mitarbeiter der B an. Als Ursache der Störung stellt dieser eine fehlerhafte Kabelverbindung zwischen der alten und der neuen Anlage fest. Die Störung wird von ihm behoben. B verlangt nun von A Ersatz für die ihr entstandenen Anreise- und Arbeitskosten ihres Mitarbeiters. Zu Recht?
Der BGH prüft hier ausschließlich Schadensersatzansprüche. In einem Gutachten wäre allerdings auch noch an Ansprüche aus Vertrag, GoA und Bereicherungsrecht zu denken. Ein Anspruch könnte sich laut BGH aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB ergeben. Dazu müsste A schuldhaft eine Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag verletzt haben. Fraglich ist, ob das unberechtigte Mängelbeseitigungsverlangen eine Pflichtverletzung darstellen kann. Hinsichtlich der Geltendmachung eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Rechts unterscheidet der BGH dabei zwischen der prozessualen und der außerprozessualen Geltendmachung: Die Erhebung einer Klage oder sonstige Inanspruchnahme verpflichte regelmäßig nicht zum Schadensersatz (relevant insbesondere im Hinblick auf gewerbliche Schutzrechte wie Patente und Marken), denn der Prozessgegner sei schon durch die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geschützt. Anders entscheidet der BGH jedoch bei der außerprozessualen Geltendmachung eines nicht bestehenden Rechts, so auch hier bei einem unberechtigten Nacherfüllungsverlangen: Für den Käufer liege es auf der Hand, dass ein Mängelbeseitigungsverlangen auf Seiten des Verkäufers erhebliche Kosten verursachen könne. Die innerhalb eines Schuldverhältnisses bestehende Rücksichtnahmepflicht gebiete es daher, dass der Käufer vor Inanspruchnahme seiner Rechte aus § 439 BGB sorgfältig prüft, ob der Mangel nicht vielleicht aus seinem eigenen Verantwortungsbereich stammt. Dies bedeute allerdings nicht, dass der Käufer die wirkliche Ursache der Störung feststellen müsse – dies sei ihm in der Regel aufgrund fehlender Fachkenntnisse auch kaum möglich –, sondern allein, dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten eine Störung aus seiner eigenen Sphäre ausschließt. Im zu entscheidenden Fall stelle die fehlerhafte Kabelverbindung einen Mangel aus der Sphäre des Käufers dar. Dies hätte von A auch erkannt werden können. Eine schuldhafte Pflichtverletzung lag damit vor. Damit hat B einen Anspruch auf Kostenersatz gegen A.
Erkenntnisgewinn aus dieser Entscheidung? Der Käufer darf nicht völlig „ins Blaue“ hinein Gewährleistungsrechte geltend machen – andererseits sind die Anforderungen hinsichtlich der Prüfung nicht zu hoch anzusetzen; er ist jedenfalls nicht dazu verpflichtet die Ursache des Mangels letztverbindlich festzustellen. Dies steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH zur Selbstvornahme – die Feststellung des genauen Mangels gehört nämlich zu der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers gemäß § 439 BGB. Nimmt der Käufer sie vor, handelt es sich um eine Selbstvornahme, dessen Kosten er nicht vom Verkäufer verlangen kann – selbst wenn sich die Vermutung des Mangels später als zutreffend erweist.
Zur Vertiefung: GuKO ZR III und der entsprechende ExO – einen Einblick in das Probeskript gibt es hier.