Der BGH (NJW 2018, 1557) musste sich anhand des nachfolgenden Sachverhalts mit dieser Thematik auseinandersetzen:
Der Angeklagte A gelangte in den Besitz des Mobiltelefons, des Geldes und anderer Wertgegenstände des geschädigten G. Nicht genau klären ließ sich, ob A die Gegenstände ohne Drohung mit einem empfindlichen Übel weggenommen hatte und die Drohung (wobei ein Lötkolben zum Einsatz kam) erst nachfolgend aussprach, um G davon abzuhalten, zur Polizei zu gehen, oder ob er die Drohung nebst Lötkolben eingesetzt hatte, damit G dem A die Gegenstände übergab.
Je nach Situation könnte A sich wie folgt strafbar gemacht haben:
§ 242 durch die Wegnahme der Gegenstände und § 240 durch das Androhen von Gewalt, sollte G zur Polizei gehen. (§ 252 scheidet aus, da dafür die Drohung zur Beutesicherung eingesetzt werden müsste). In Gesetzeskonkurrenz zurücktretend läge noch § 241 vor.
§§ 253, 255, 250 II Nr. 1 durch das Androhen von Gewalt mit der Folge der Herausgabe der Gegenstände. Auch hier träte § 241 zurück.
In beiden Fällen wurde auch § 246 verwirklicht, der aber gleichfalls zurücktritt.
Entsprechend des oben Ausgeführten muss man nun zunächst darüber nachdenken, ob § 242 nicht in einem normativen Stufenverhältnis zu jedenfalls § 253 steht, so dass aus dieser Norm bestraft werden könnte.
Der BGH hat dies abgelehnt: „Das ist ... ausschließlich dann der Fall, wenn ein Straftatbestand vollständig in dem anderen enthalten ist, wie etwa bei Diebstahl oder Raub, die jeweils die Wegnahme einer fremden Sache voraussetzen … So liegt es bei den Alternativen von Diebstahl oder (schwerer räuberischer) Erpressung jedoch nicht; denn Diebstahl setzt die Wegnahme einer fremden Sache voraus, eine (schwere räuberische) Erpressung hingegen die Herausgabe der Sache durch den Geschädigten aufgrund einer Nötigung. Das sind rechtlich unterschiedliche Voraussetzungen.“
Nun erscheint das vor dem Hintergrund, dass der BGH der Auffassung ist, jeder Raub sei auch eine räuberische Erpressung, zunächst überraschend, ist doch der Raub dann auch Bestandteil der räuberischen Erpressung, womit das Stufenverhältnis zum Diebstahl gegeben sein könnte. Bedenkt man allerdings, dass umgekehrt nicht jede räuberische Erpressung ein Raub ist, dann wird klar, was der BGH meint. Über den Raub hinaus hat die räuberische Erpressung eine Eigenständigkeit, die eben nicht deckungsgleich mit der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache ist.
Ein Stufenverhältnis liegt also nicht vor.
Damit kommen wir zur Wahlfeststellung. Es könnte eine echte (ungleichartige) Wahlfeststellung in Betracht kommen. Nach Auffassung des Großen Senats, dessen Entscheidung erforderlich geworden war, weil der 2. Senat von der bisherigen Rechtsprechung abweichen wollte, verstößt die Wahlfeststellung nicht gegen. Art. 103 II GG.
Die Voraussetzungen der wahldeutigen Verurteilung liegen vor, wenn „…die verschiedenen infrage kommenden Straftatbestände rechtsethisch und psychologisch vergleichbar sind … Das ist bei den Alternativen von Diebstahl oder schwerer räuberischer Erpressung nicht der Fall, und zwar auch dann nicht, wenn Qualifikationen der Erpressung gem. § 253 StGB durch §§ 255, 250 StGB bei der Vergleichsbetrachtung weggelassen werden; denn Diebstahl und Erpressung unterscheiden sich so sehr, dass sie einander ausschließen. Der Erpresser bereichert sich nicht nur auf Kosten eines anderen, insoweit wertungsmäßig vergleichbar mit dem Dieb, sondern er wirkt mit Gewalt oder Drohung auf die Freiheit der Willensentschließung des Opfers ein. Diese Verletzung eines anderen Rechtsguts steht der Annahme einer rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit entgegen …“
Damit bleibt als Auffangtatbestand die Unterschlagung gem. § 246 übrig, die andernfalls zurückgetreten wäre. „Eine Unterschlagung begeht, wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet (§ 246 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 StGB). Dafür genügt jede Handlung, die als Betätigung des Zueignungswillens verstanden werden kann. Nach den Feststellungen des Landgerichts verhielten sich die Angeklagten durch Ergreifen der Sachen des Geschädigten und Verweigerung der Herausgabe jedenfalls so, dass ein Zueignungswille deutlich zu Tage trat.“
Expertentipp
Sachverhalte der vorliegenden Art werden Ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in der Klausur zum 1. Staatsexamen begegnen, können allerdings in der mündlichen Prüfung relevant werden. Im 2. Staatsexamen würde er sich gut als Grundlage für eine Urteilsklausur eignen.