Der Entscheidung des BGH (Urteil vom 6. Mai 2014 – Az. X ZR 135/11, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de = NJW 2014, 2638 = NZG 2014, 1015 = ZEV 2014, 620 = NZFam 2014, 784 = LSK 2014, 360575 (Ls.) [beck-online]) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien lebten ab 2003 zunächst in der Wohnung der B und von Mitte 2005 bis 2008 in der Wohnung des K in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Der K war Inhaber eines Sparbriefs in Höhe von 50.000 €. Im Mai 2007 begaben sich die Parteien auf eine mehrmonatige gemeinsame Europareise. Am 9. Mai 2007, kurz vor der geplanten Abreise, veranlasste der K die Teilung des Sparbriefs. Ein neuer Sparbrief über einen Betrag von 25.000 € und für eine Laufzeit bis zum 27. Oktober 2009 wurde auf den Namen des K, ein zweiter mit dem gleichen Inhalt auf die Beklagte ausgestellt und ein Zeichnungsschein von ihr unterschrieben. Am 10. Mai 2007 errichtete der K ein notarielles Testament, in dem er die B mit einem Vermächtnis von 15.000 € bedachte, verbunden mit der Auflage, ihn orts- und standesüblich zu beerdigen und die Grabstätte in ortsüblicher Weise zu pflegen. Anfang Oktober 2008 zog die B aus der Wohnung des K aus. Der K forderte sie nach der Trennung erfolglos auf, den auf ihren Namen lautenden Sparbrief zurückzugeben. Mit der Klage hat er zunächst dessen Herausgabe begehrt und verlangt nunmehr nach Auflösung des Sparbriefs und Gutschrift des Geldbetrags auf einem Konto der B die Zahlung von 25.000 € zuzüglich Zinsen.
Anmerkung: Die Absicht des K war es, durch die Aufteilung des Sparbriefs seiner Lebensgefährtin einen Betrag zuzuwenden, der Ihr im Falle seines vorzeitigen Versterbens während der gemeinsamen Europareise für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung stehen sollte. Der B war dies bekannt.
Besteht der geltend gemachte Anspruch?
A. K könnte gegen B ein Anspruch auf Rückzahlung von 25.000 € nach erklärtem Schenkungswiderruf gemäß §§ 530 Abs. 1, 531 Abs. 2, 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB haben.
Dann müsste zunächst ein Schenkungsvertrag gemäß §§ 516 ff. BGB zwischen K und B vorgelegen haben. Indem K die Teilung des Sparbriefs vorgenommen hat, hat er eine finanzielle Leistung für B erbracht. Hierfür hat er keine Gegenleistung erhalten. Daher könnte eine ein Schenkungsvertrag zwischen K und B konkludent geschlossen worden sein. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass K die Leistung vorgenommen hat, um die B, falls er während der gemeinsamen Europareise versterben sollte, abzusichern. Da die Leistung innerhalb einer bestehenden Lebensgemeinschaft erfolgte, könnte es sich um eine sog. unbenannte Zuwendung handeln.
Eine Schenkung liegt nach dem BGH vor, wenn die Zuwendung nach deren Willen unentgeltlich im Sinne echter Freigiebigkeit erfolgt und nicht an die Erwartung des Fortbestehens der Ehe geknüpft ist, sondern zur freien Verfügung des Empfängers geleistet wird. Im Gegensatz dazu wird eine ehebedingte Zuwendung angenommen, wenn ein Ehegatte dem anderen einen Vermögenswert um der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung und Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der Lebensgemeinschaft zukommen lässt, wobei er die Vorstellung oder Erwartung hegt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft Bestand haben und er innerhalb dieser Gemeinschaft am Vermögenswert und dessen Früchten weiter teilhaben werde. Die Zuwendung führe nicht zu einer frei disponiblen Bereicherung. Diese Grundsätze finden grundsätzlich auch zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft Anwendung.
Hierzu führt der BGH folgendes aus: „b) Mit der Übertragung des Sparbriefs, mit der der Kläger der Beklagten zu seinen Lebzeiten einen beträchtlichen Teil seines damaligen Geldvermögens zugewandt hat, wollte er seine Lebensgefährtin für einen denkbaren Unglücksfall absichern. Der zugewandte Betrag war nicht zur freien Verfügung und nicht zum Verbrauch bestimmt, sondern diente der Vorsorge für den Lebensunterhalt seiner Partnerin, sollte die Lebensgemeinschaft unvorhergesehen durch den Tod des Klägers enden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt in einem solchen Fall dem Umstand keine entscheidende Bedeutung zu, dass der Zuwendende nach seinem Ableben an dem zugewandten Vermögenswert nicht mehr partizipieren könnte. Entscheidend ist vielmehr der auf die Lebensgemeinschaft bezogene Zweck, der zum Zeitpunkt der Zuwendung mit dieser verfolgt wird. Dass der Kläger im Streitfall - jedenfalls primär - das Ziel verfolgt hat, die Beklagte für den Fall eines während der unmittelbar bevorstehenden Reise und damit kurzfristig eintretenden Unglücksfalls abzusichern, darf nicht den Blick dafür verstellen, dass der zugewandte Betrag während der bestehenden Lebensgemeinschaft mit dem Kläger in das Vermögen der Beklagten übergehen und sie damit gerade als seine Lebensgefährtin vor den finanziellen Folgen eines die Lebensgemeinschaft treffenden Schicksalsschlages geschützt werden sollte. Ein solches Verhalten ist Ausdruck einer gegenüber der Partnerin empfundenen Fürsorglichkeit und Verantwortung, die auf Vertrauen und auf einer aus der gelebten Beziehung resultierenden besonderen persönlichen Bindung beruht. Die Zuwendung war somit ein Akt der über den für möglich gehaltenen Tod hinausreichenden Solidarität unter den Lebensgefährten und stärkte deren Bindung aneinander. In diesem Sinne kam der zugewendete Gegenstand der Lebensgemeinschaft und auch dem Kläger selbst im Zusammenleben mit der Beklagten zugute.“
Wie bereits erörtert, ging es dem K um die finanzielle Absicherung der B, falls dieser während der gemeinsamen Europareise versterben sollte. Die Zuwendung für B war also gerade nicht zur freien Verfügung und diente damit der Verwirklichung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Im Ergebnis liegt damit eine ehebedingte Zuwendung vor. Eine Schenkung ist also nicht gegeben.
Darüber hinaus sind aber auch keine Hinweise für groben Undank ersichtlich.
Mithin hat K gegen B keinen Anspruch auf Rückzahlung von 25.000 € nach erklärtem Schenkungswiderruf gemäß §§ 530 Abs. 1, 531 Abs. 2, 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB.
B. K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung von 25.000 € gemäß §§ 313 Abs. 1 u. 3, 346 Abs. 1 und 2 Nr. 2 BGB haben.
Dann müssten die Voraussetzungen des § 313 BGB vorliegen.
I. Unbenannte Zuwendung oder Schenkung?
Ein Anspruch gemäß §§ 313 Abs. 1 u. 3, 346 Abs. 1 und 2 Nr. 2 BGB kommt nur in Betracht, wenn es sich um eine unbenannte Zuwendung (Rechtsgeschäft sui generis) handelt. Wie oben dargelegt ist dies der Fall.
II. Wegfall der Geschäftsgrundlage
K und B müssten einen Umstand zur Geschäftsgrundlage erhoben haben und diese müsste weggefallen sein. „a) Nach ständiger Rechtsprechung sind Geschäftsgrundlage eines Vertrages die nicht zum Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen der Vertragsparteien sowie die der einen Partei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Partei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut [...]. Ein Ausgleichsanspruch aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt bei gemeinschaftsbezogenen Zuwendungen sonach in Betracht, soweit diesen die Vorstellung oder Erwartung zugrunde lag, die Lebensgemeinschaft werde Bestand haben [...].
b) Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht zu Unrecht mit der Erwägung verneint, der Kläger, der mit der Zuwendung für eine Absicherung der Beklagten für den Fall seines Todes habe sorgen wollen, habe die Möglichkeit eines Scheiterns der nichtehelichen Lebensgemeinschaft erkennbar nicht in Betracht gezogen. Dass der Zuwendende die Möglichkeit eines Scheiterns der Ehe oder Lebensgemeinschaft nicht in Betracht zieht, ist gerade typisch für Zuwendungen, die in der Vorstellung einer fortdauernden Lebensgemeinschaft erbracht werden, die erst durch den Tod eines Partners aufgelöst wird. Dementsprechend sollte die Beklagte auch gerade für diesen Fall abgesichert werden. [...]
Nach dem im landgerichtlichen Urteil und dem Berufungsurteil wiedergegebenen Vorbringen der Parteien ist der rechtlichen Beurteilung zugrunde zulegen, dass der Kläger mit der Zuwendung der Beklagten - für diese erkennbar - einen Betrag zuwenden wollte, der ihr im Falle seines vorzeitigen Ablebens während der gemeinsamen Reise für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung stehen sollte. [...]“ Die B kannte auch den Zweck der Zuwendung. Somit ist K bei der Teilung des Sparbriefs erkennbar davon ausgegangen, dass die Beziehung Bestand haben werde.
Es ist auch davon auszugehen, dass K sein Sparbrief nicht aufgeteilt und auch einen für B eingerichtet hätte, wenn er das Scheitern der Beziehung vorhergesehen hätte.
Da für B auch ersichtlich war, dass die Leistung nur aufgrund der Beziehung geschieht, hätte sie sich auch redlicherweise darauf einlassen müssen, dass die Zuwendung unterbleibt, wenn die persönliche Beziehung nicht besteht.
Damit ist im Ergebnis, mit dem Scheitern der Lebensgemeinschaft, die Grundlage für das Behaltendürfen der 25.000 € wegefallen.
III. Rechtsfolge
Der K kann grundsätzlich von dem Vertrag, mit dem er der Beklagten das Sparguthaben übertragen hat, zurücktreten und die Rückgewähr des Geleisteten, bzw. Ersatz des Wertes Verlangen gemäß §§ 313 Abs. 1 u. 3 S. 1, 346 Abs. 1 und 2 Nr. 2 BGB. Das Festhalten am unveränderten Vertrag müsst für K aber auch unzumutbar sein. Es ist zu beachten, dass der gemeinschaftsbezogene Zweck einer Zuwendung nicht notwendig zur Folge hat, dass die Zuwendung bei Scheitern der Beziehung auszugleichen ist. „Insbesondere bei Beiträgen zu laufenden Kosten, die im täglichen Leben regelmäßig anfallen oder durch größere Einmalzahlungen beglichen werden, scheidet ein Ausgleich regelmäßig aus [...]. Bei der Abwägung, ob und in welchem Umfang Zuwendungen zurückerstattet oder Arbeitsleistungen ausgeglichen werden müssen, ist zu berücksichtigen, dass der Partner es einmal für richtig erachtet hat, dem anderen diese Leistungen zu gewähren. Ein korrigierender Eingriff ist grundsätzlich nur gerechtfertigt, wenn dem Leistenden die Beibehaltung der durch die Leistungen geschaffenen Vermögensverhältnisse nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist. Das Merkmal der Unbilligkeit impliziert zugleich, dass ein Ausgleich nur wegen solcher Leistungen in Betracht kommt, denen nach den jeweiligen Verhältnissen unter Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls eine erhebliche Bedeutung zukommt [...].
b) Danach ist im Streitfall eine Rückgewähr geboten. Diente die Zuwendung der Absicherung der Beklagten für den Fall, dass dem Kläger auf der beabsichtigten Reise etwas zustoßen sollte, war sie nicht zur freien Verfügung der Beklagten und insbesondere nicht zum Verbrauch bestimmt, solange der Absicherungsfall nicht eintrat. Demgemäß haben die Parteien auch nach der gemeinsamen Reise es dabei belassen, dass der Betrag von 25.000 € in Form des Sparbriefs fest angelegt war. Der Absicherungszweck galt insoweit fort. Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, hätte die Zuwendung bei Fortbestehen der Lebensgemeinschaft bis zum Tod des Klägers der Beklagten weiterhin als Altersvorsorge gedient und bei ihr verbleiben können [...]. Nachdem die Lebensgemeinschaft jedoch nicht bis zum Tod des Klägers angedauert hat, ist nicht nur der Anlass für die Zuwendung, die die Lebensgemeinschaft ausgestalten sollte, weggefallen; die Beklagte konnte nach dem Grund für die Zuwendung auch nicht damit rechnen, diese weiterhin behalten zu dürfen.
Die Lebensgemeinschaft hat auch nicht so lange gedauert, dass aus einer langjährigen engen persönlichen Bindung eine moralische Verpflichtung des Klägers hätte resultieren können, der Beklagten den Vermögenswert der Zuwendung auch bei Scheitern der Beziehung zu überlassen. Die Beziehung hat vielmehr nur etwa fünf Jahre gehalten, so dass es unbillig erschiene, der Beklagten den zugewendeten Betrag trotz der Trennung zu belassen und sie auf Kosten des Klägers bereichert aus der gescheiterten Lebensgemeinschaft hervorgehen zu lassen [...]. Dies gilt jedenfalls in Anbetracht des Umstands, dass die Zuwendung einen nicht unerheblichen Teil des Gesamtvermögens des Klägers ausmacht, dem es mit Blick auf sein fortgeschrittenes Alter kaum möglich sein wird, weiteres Vermögen aufzubauen.“ Mithin ist das Verhalten für K am unveränderten Vertrag unzumutbar.
IV. Ergebnis
Mithin hat K gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung von 25.000 € gemäß §§ 313 Abs. 1 u. 3, 346 Abs. 1 und 2 Nr. 2 BGB.
C. K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung von 25.000 € wegen Zweckverfehlung gemäß § 812 Abs. 1 S. 2, Alt. 2 BGB haben.
I. Etwas Erlangt
B müsste etwas erlangt haben. Etwas ist jeder vermögenswerte Vorteil. Hier hat die B Eigentum und Besitz an den 25.000 €, mithin einen vermögenswerten Vorteil erlangt.
II. Durch Leistung
Dies müsste auch durch Leistung des K geschehen sein. Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Die Leistung darf grundsätzlich nicht zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit erfolgt sein. Hier veranlasste der K die Teilung des Sparbuchs zur Verwirklichung der Lebensgemeinschaft, sodass dieser leistete.
III. Zweckverfehlung
K und B müssten einen Zweck mit der Leistung vereinbart haben, der verfehlt wurde. Fraglich ist, ob diese ausdrückliche konkrete Zweckvereinbarung gegeben ist. Hier diente die Zuwendung des K der Verwirklichung der Lebensgemeinschaft. Eine konkrete Zweckabrede kann hierin nicht gesehen werden. Mithin kann auch keine Zweckverfehlung angenommen werden.
IV. Ergebnis
Mithin K hat gegen B keinen Anspruch auf Rückzahlung von 25.000 € wegen Zweckverfehlung gemäß § 812 Abs. 1 S. 2, Alt. 2 BGB.
Anmerkung: Zur weiteren Vertiefung der Problematik des Falles kann auf die Urteilsanmerkung von Obermann (NZFam 2014, 786 f.) verwiesen werden. Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie auch in unseren ExO`s und im GuKO ZR II. Eine Leseprobe aus unserem Skript finden Sie hier: http://www.juracademy.de/web/skript.php?id=37551.