Der Entscheidung lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Hauptschuldnerin H nimmt bei der Bank B ein Darlehen auf. Der Rückzahlunganspruch wird gesichert durch eine selbstschuldnerische (§ 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB) Regelbürgschaft des R sowie eine Ausfallbürgschaft des A. Bei Fälligkeit der Rückzahlungsanspruchs sind der H und R mittellos. Daher nimmt B den A in Anspruch. Dieser will nun bei R Regress nehmen. Die Hauptforderung der B gegen H ist jedoch mittlerweile verjährt.
Hat A einen Anspruch auf Zahlung gegen R?
Ein solcher Anspruch könnte sich zunächst aus der gemäß §§ 774 Abs.1, 412 BGB auf A übergegangenen Hauptforderung ergeben. Denn damit gehen kraft Gesetz die akzessorischen Sicherungsrechte mit über (§§ 412, 401 BGB) – wozu auch die Bürgschaft der R zählt. Allerdings ist die Hauptforderung hier schon verjährt. R könnte einer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft damit die Einrede des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB entgegenhalten. Der Forderungsübergang nach § 774 Abs. 1 BGB steht A damit als Regressweg nicht zur Verfügung.
Weiterhin könnte sich ein Regressanspruch aus §§ 774 Abs. 2, 426 Abs. 1 BGB ergeben. Nach dem Rechtsgedanken des §§ 769, 774 Abs. 2 BGB haften Mitbürgen grundsätzlich als Gesamtschuldner und können damit gemäß §§ 774 Abs. 2, 426 BGB anteilig Regress nehmen. A und R sind zwar Mitbürgen, fraglich ist jedoch, ob vorliegend die Annahme einer Gesamtschuld passt. Nach überwiegender Ansicht setzt der Tatbestand der Gesamtschuld (§ 421 BGB) eine gleichstufige Haftung voraus. Eine solche Gleichstufigkeit der Schulden besteht hier jedoch gerade nicht, da A – anders als R – nur in Anspruch genommen werden sollte, sofern H vollständig ausfiele. Damit war A gegenüber R privilegiert. Mangels Gleichstufigkeit passt damit die Annahme einer Gesamtschuld nicht.
In Betracht käme allerdings ein Anspruch aus §§ 774 Abs. 2, 426 Abs. 1 BGB analog. Voraussetzungen für eine Analogie ist eine planwidrige Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage. Ein Ausgleichsanspruch des Ausfallbürgen gegen den Regelbürgen ist ausdrücklich nicht geregelt. Damit liegt eine Regelungslücke vor. Die Interessenlage – so der BGH – gebiete hier auch eine entsprechende Anwendung der §§ 774 Abs. 2, 426 Abs. 1 BGB. Denn der Ausfallbürge solle gegenüber dem Regelbürgen privilegiert werden. Würde man ihm keinen gesonderten Ausgleichsanspruch zugestehen, würde er nicht nur nicht privilegiert, sondern sogar gegenüber einem Regelbürgen benachteiligt, da dieser ja im Regelfall anteilig bei den anderen Mitbürgen Regress nehmen kann. Die Voraussetzungen für eine Analogie liegen damit vor. Gegenüber diesem internen Ausgleichanspruch greife auch die Verjährungseinrede des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB nicht durch. A hat damit gegen B einen Anspruch auf Zahlung aus §§ 774 Abs. 2, 426 Abs. 1 BGB analog.
Der BGH schließt mit diesem Urteil eine gesetzliche Lücke im Bürgenregress. Zwar wird die oben aufgeführte Konstellation in der Praxis wohl eher selten relevant werden, der Fall verbindet jedoch Probleme der Bürgschaft mit solchen des Allgemeinen Schuldrechts und stellt daher auch für Klausuren im ersten Staatsexamen ein dankbares Thema dar.
Mehr über die Grundprobleme der Bürgschaft sind im GuKO ZR VI und dem entsprechenden ExO zu finden. Einen Einblick in das Probeskript zur Bürgschaft finden Sie hier.