A. BGH Urteil vom 24.1.2023 - VI ZR 1234/20, r+s 2023, 365 – Elektroroller „bei Betrieb“?
I. Sachverhalt (vereinfacht)
Der Gebäudeeigentümer (K) nimmt den Halter (B) auf Schadensersatz in Anspruch. B brachte seinen Elektroroller (Kleinkraftrad Marke Freeliner Lyric A720) zur Inspektion in die Werkstatträume der K. Dort entnahm ein Mitarbeiter der Werkstatt die Batterie des Elektrorollers und begann sie aufzuladen. Als der Mitarbeiter bemerkte, dass sich die Batterie stark erhitzte, trennte er sie vom Stromnetz und legte sie zur Abkühlung auf den Boden der Werkstatt. Kurz darauf explodierte die Batterie und setzte das Gebäude in Brand.
Hat K einen Anspruch gegen B aus § 7 I StVG?
II. Kernaussage des Urteils
Aufgrund der Gefährlichkeit der Nutzung von Kraftfahrzeugen – hier Kleinkraftrad - ist eine strenge Haftung in Gestalt der Gefährdungshaftung veranlasst. Dabei ist das Merkmal (Frage der Kausalität) „bei Betrieb“ weit auszulegen. Grundsätzlich gilt, dass es ausreicht, wenn sich die Gefahren des Kraftfahrzeugs derart auswirken, dass sie den Schaden zumindest mitprägen. Die Haftung ist dann anzunehmen, wenn ein naher zeitlicher und örtlicher Zusammenhang zwischen dem Schaden und dem Betrieb besteht. Erfasst ist der Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder in der Betriebseinrichtung des Fahrzeugs. Auch von einer bloßen Betriebseinrichtung können unabhängig vom Betrieb erhebliche Gefahren ausgehen. Aus diesem Grund ist es unerheblich, dass das Fahrzeug in die Werkstatt zwecks Inspektion abgegeben wurde.
Fraglich ist jedoch, ob eine ausgebaute Batterie noch zur Betriebseinrichtung gezählt werden kann. Mit dem Ausbau der Batterie aus dem Roller wurde die Verbindung mit dem Kraftfahrzeug gerade getrennt. Nach Ansicht des BGH verhält sich die Situation daher ähnlich wie beim Aufladen einer neuen Batterie vor dem Einbau in einen Roller. Dieser Fall wäre von § 7 StVG offensichtlich nicht erfasst. Der BGH lässt die Tatsache, dass die Batterie zuvor im Roller eingebaut war, nicht ausreichen, um den Zusammenhang zwischen der Betriebseinrichtung und der Verletzung des Eigentums am Grundstück zu bejahen.
Hinweis
In der Klausur wäre eine andere Ansicht dann vertretbar, wenn man die Batterie selbst – auch nach dem Ausbau – als Betriebseinrichtung des Rollers ansieht. Auch ließe sich der Fall in der Klausur abhandeln. So könnte der Defekt der Batterie gerade nachweislich aus dem zuvor erfolgten Fahrbetrieb des Rollers resultieren. Auch hier wäre eine andere Bewertung naheliegend.
B. BGH Urteil vom 16.3.2023 – VII ZR 94/22, VuR 2023, 240
I. Fragestellung
Liegt bei Vergabe (bloß) eines Gewerks – hier Verputzen der Fassade – im Rahmen eines Neubaus ein Verbraucherbauvertrag vor?
II. Antwort
Nein! Der BGH verweist insbesondere auf den Wortlaut von § 650i BGB im Vergleich mit § 650a BGB und § 634a I Nr. 2 BGB. Letztere Vorschriften sprechen von „Teil(s) eines Bauwerks“ oder „bei einem Bauwerk“, während § 650i BGB den „Bau eines neuen Gebäudes“ verlangt. Der BGH stellt klar, dass der engere Anwendungsbereich von § 650i BGB eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung war. Insbesondere passen die besonderen Informationspflichten aus § 650j i.V.m. Art 249 EGBGB nicht zu einzelnen Gewerken, sondern vielmehr zu erheblichen Umbaumaßnahmen oder zur Errichtung eines Gebäudes. Ferner begründet der BGH die Entscheidung mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Beachten Sie hier u.a. den Ausnahmetatbestand in § 312 II Nr. 3 BGB. Dieser – eng zu ziehende – Anwendungsbereich (§ 650i BGB) ist nicht dem Anwendungsbereich der Verbraucherrechterichtlinie zugeordnet. Auch gebietet der Verbraucherschutz keine andere (weite Auslegung) Bewertung. Zum einen würde dies dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers widersprechen und zum anderen gilt es zu berücksichtigen, dass die Regelungen über den Verbraucherbauvertrag gegenüber den auf der Verbraucherrechterichtlinie beruhenden Vorschriften nicht generell günstiger sind. So sind die Wertersatzvorschriften (§ 357a II 1 vs. § 357e BGB) verschieden geregelt und auch die Widerrufsrechte divergieren (§ 312g vs. § 650l BGB). Insoweit kann nicht pauschal festgestellt werden, dass der Verbraucherschutz im Rahmen des Verbraucherbauvertrags deutlich günstiger für den Verbraucher ausgestaltet ist, sodass zumindest über eine weite Auslegung nachzudenken wäre.
C. BGH Urteil vom 07.02.2023 – IV ZR 60/22, r+s 2023, 325
I. Sachverhalt (vereinfacht)
Am Unfalltag war der Anhänger der Halterin (B) auf der Straße Hasengasse in Wuppertal ordnungsgemäß abgestellt. Gegen 22:45 Uhr befuhr der Fahrer (F) eines Pkw die Hasengasse. Er kam in der dortigen Linkskurve nach rechts von der Fahrbahn ab und stieß gegen das Gebäude mit der Hausnummer 12 sowie gegen den Anhänger. Durch den Aufprall rollte der Anhänger nach vorn und stieß gegen das Gebäude der Klägerin (K) in der Hasengasse 10. Hierdurch wurden das Eingangstor zum Grundstück sowie die Fassade des Gebäudes beschädigt.
Hat K gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz aus dem StVG dem Grunde nach?
II. Lösung
Hier läge die erste Hürde in einer Klausur darin die richtige Anspruchsgrundlage im StVG zu finden. Diese ist nicht wie gewohnt § 7 StVG zu entnehmen, sondern vielmehr § 19 Abs. 1 Satz 1 StVG. Laut Sachverhalt ist B Halterin, ferner wurden wesentliche Bestandteile des Grundstücks der K beschädigt.
Wie in unserem ersten Fall geht es auch hier um die Frage, ob der Anhänger den Schaden „bei Betrieb“ verursacht hat. Bezüglich der allgemeinen Grundsätze wird nach oben verwiesen. Der Anhänger ruhte verkehrsbeeinflussend im Verkehr. Unschädlich wäre auch ein längerfristiges Parken. Der Anhänger befindet sich so lange in Betrieb wie er verkehrsbeeinflussend im Verkehr ruht.
Fraglich ist, ob eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch die Einwirkung eines Dritten – hier F – angenommen werden kann. Dies wäre dann der Fall, wenn der eingetretene Schaden nicht mehr in einem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang zum Betrieb des Anhängers stünde und der Anhänger den Schaden nicht zumindest mitgeprägt hätte.
Hier gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass die Gefahr des Rollen im Fall einer Fremdeinwirkung einem geparkten Anhänger gerade typischerweise anhaftet (Schutzzweck der Norm). Die Haftung ist auch nicht ausgeschlossen, da wohl F die maßgebliche Schuld am Gesamtgeschehen trifft. Dies lässt die Haftung des Halters nicht entfallen, wirkt sich jedoch bei der Frage des Innenausgleichs zwischen den Gesamtschuldnern aus.
Hinweis
Im Verfahren wurde noch vorgetragen, dass eine Haftung nicht in Betracht komme, da auch ein Rollen der Müllcontainer im Fall des Anstoßes ebenfalls einen solchen Schaden hätte verursachen können. Diese Argumentation war jedoch neben der Sache. Auch wenn ein anderer Gegenstand gleichermaßen gefährlich wäre, so gilt es festzuhalten, dass vom Gesetzgeber gerade keine Gefährdungshaftung für Müllcontainer erlassen wurde.