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A. BVerwG, Beschl. v. 20 April 2023, - BVerwG 2 C 1.22 - , Für Beamte geltende Einstellungshöchstaltersgrenze bewirkt keine ungerechtfertigte mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.
I. Sachverhalt
Die im Mai 1971 geborene Klägerin begehrt in Bremen die Übernahme in ein Beamtenverhältnis. Dort beträgt das Höchstalter zur Übernahme 45 Jahre, folglich wurde das Ersuchen abgelehnt. Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin zugleich einen Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG „dem Grunde nach“ geltend. Das VG holte Daten zur Beschäftigungsstruktur der bei der Beklagten beschäftigten Lehrkräfte ein und verneinte ausgehend hiervon eine mittelbare Benachteiligung von Frauen. Das OVG wies die Berufung ab - die vom VG ermittelten statistischen Daten seien hinreichend aussagekräftig. Aus ihnen ergebe sich zwar, dass weibliche Lehrkräfte dieser Alterskohorte relativ in einem dreifach höheren Anteil nicht verbeamtet seien. Andererseits seien über 95 % der Frauen verbeamtet und damit nicht nachteilig von der Einstellungshöchstaltersgrenze betroffen. Somit könne hinsichtlich der weiblichen Beschäftigten nicht von einer signifikanten Benachteiligung ausgegangen werden könne.
II. Entscheidung
Der Senat wies die Revision ab. Die Höchstaltersgrenze in Bremen ist mit höherrangigem Recht vereinbar und bewirkt auch keine mittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts. Zwar hielt der Senat die statistischen Auswertungen des Berufungsgerichts für nicht hinreichend aussagekräftig, führte aber aus: „Die Einschätzung des Landesgesetzgebers, die streitgegenständliche Altersgrenze von 45 Jahren sei "so hoch angesetzt, dass denkbare Verzögerungen in der beruflichen Entwicklung bereits pauschal in die Abwägung [...] einbezogen sind", wird durch die vorliegenden statistischen Daten jedenfalls nicht erschüttert.
Unabhängig hiervon wäre eine entsprechende Wirkung jedenfalls durch sachliche Gründe gerechtfertigt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Die in Bremen geltende Regelung einer Altershöchstgrenze für die erstmalige Ernennung zum Beamten dient ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs des Senats der Herstellung eines angemessenen Verhältnisses von Arbeitsleistung und Versorgungsansprüchen.
Diese Zielsetzung hat das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich gebilligt und als mögliche Rechtfertigung des durch eine Einstellungshöchstaltersgrenze bewirkten Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 2 GG anerkannt. Die Zugangsbeschränkung kann sich aus dem Lebenszeit- und dem Alimentationsprinzip ergeben, denen durch die Gewährleistung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in Art. 33 Abs. 5 GG ebenfalls Verfassungsrang zukommt.“
B. BVerwG, Urteil vom 20.06.2023 -4 CN 7.21-, Begriff des landwirtschaftlichen Betriebs umfasst auch Nebenerwerbsbetriebe.
I. Sachverhalt
Das OVH Hamburg hatte eine Verordnung über einen Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Streitentscheidend war, ob unter dem Begriff „landwirtschaftlichen Betriebe“ im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO lediglich Haupterwerbsbetriebe zu verstehen sind oder auch Nebenerwerbsbetriebe.
II. Entscheidung
Der Senat gab der Revision statt und wendet sich gegen eine einengende Auslegung des Begriffs und fasst hierunter auch Nebenerwerbsbetriebe: „Der Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO ist für alle Arten betrieblicher Organisationsformen offen, eine Unterscheidung nach der Größe ist darin nicht angelegt. Insoweit gilt nichts anderes als im Rahmen des Privilegierungstatbestands des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB; dort werden Vollerwerbs- und Nebenerwerbsbetriebe - ungeachtet der bei der Feststellung der Voraussetzungen eines Nebenerwerbsbetriebs oftmals schwierigen Abgrenzung zur bloßen Liebhaberei - gleichbehandelt. Der Betrieb zeichnet sich durch eine spezifisch betriebliche Organisation und die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung aus, die ein auf Dauer lebensfähiges Unternehmen kennzeichnen. Der Gewinnerzielungsabsicht kommt dabei indizielle Bedeutung zu.“
C. BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2023, - 2 C 11.31, 2 C 13.21 und 2 C 4.22 -, Besoldung von Professoren in Bremen verfassungswidrig, in Schleswig-Holstein verfassungskonform
I. Sachverhalte
Die Kläger sind Universitäts-Professoren im bremischen bzw. schleswig-holsteinischen Landesdienst und beziehen seit langem neben ihrem Grundgehalt Leistungsbezüge. Einige Bundesländer hatten sich nach einem Urteil des BVerfG dazu entschlossen, eine Erhöhung der Grundgehälter vorzunehmen und diese Erhöhung auf die den Professoren zuvor gewährten individuellen Leistungsbezüge anzurechnen.
Wie auch die anderen Länder ist das Land Bremen vom zweigliedrigen Vergütungssystem für Professoren bestehend aus festen Grundgehältern einerseits und individuellen Leistungsbezügen andererseits ausgegangen. Es hat aber die Grundgehälter der Professoren nicht erhöht, sondern jedem Professor unabhängig vom individuellen Bestand an Leistungsbezügen durch das am 1. Januar 2013 in Kraft getretene Gesetz Mindestleistungsbezüge in Höhe von 600 €/Monat bewilligt, die unbefristet sind und an den Besoldungsanpassungen teilnehmen. Waren aber dem Professor vor diesem Stichtag bereits individuelle Leistungsbezüge in Höhe von 600 €/Monat gewährt worden, erhöhten sich dessen Leistungsbezüge nicht.
Schleswig-Holstein hat im Jahr 2013 die Grundgehälter erhöht und zugleich eine entsprechende Verminderung zuvor gewährter Leistungsbezüge vorgesehen. Die Leistungsbezüge können danach in voller Höhe von der Verminderung betroffen sein.
Die Vorinstanzen haben die gesetzliche Anrechnungsregelung als verfassungsgemäß angesehen und dementsprechend die Klagen/Berufungen abgewiesen.
II. Entscheidungen
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen der Kläger aus Schleswig-Holstein zurückgewiesen. Die - gegebenenfalls vollständige - Abschmelzung der Leistungsbezüge um die Erhöhung des Grundgehalts verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Die mit Wirkung vom 1. Januar 2013 in Schleswig-Holstein eingeführte Regelung des Landesbesoldungsgesetzes, die eine vollständige Verminderung von vor dem Jahr 2013 gewährten Leistungsbezügen durch die im Zuge der Besoldungsreform vorgenommene Grundgehaltserhöhung ermöglicht, verstößt nicht gegen das Grundgesetz.
Zur Begründung erläutert der Senat: „Die in Rede stehenden Leistungsbezüge unterfallen als Bestandteile der Professorenbesoldung zwar grundsätzlich dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG (hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums). Auch im Geltungsbereich dieser Norm sind Einschränkungen durch Gesetz aber jedenfalls dann möglich, wenn sie aus sachlichen, sich aus dem System der Beamtenbesoldung ergebenden Gründen gerechtfertigt sind. Das ist hier der Fall.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur hessischen Professorenbesoldung bestand für das beklagte Land Anlass, die Professorenbesoldung neu zu strukturieren. Dass in diesem Rahmen die Grundgehälter generell erhöht und zugleich bestehende Leistungszulagen abgeschmolzen worden sind, ist nicht sachwidrig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit bereits für das in den dortigen Fällen allein entscheidungserhebliche teilweise Abschmelzen entschieden. Es gilt ebenso für die gegebenenfalls vollständige Abschmelzung.“
Auch der Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG, der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot sind nach Auffassung des BVerwG nicht verletzt.
Demgegenüber hält der Senat die zum 1. Januar 2013 in Bremen eingeführte Regelung der Besoldung von Professoren für verfassungswidrig. Daher hat es das anhängige Verfahren ausgesetzt und die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Begründung: „Das Bundesverwaltungsgericht gelangte hingegen zu der Auffassung, dass die gesetzlichen Regelungen über die Bewilligung von Mindestleistungsbezügen mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar sind.
Wird der Wortlaut der Regelung zugrunde gelegt, so verstößt die Vorschrift gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot, dass der Gesetzgeber eine von ihm getroffene Entscheidung auch folgerichtig und widerspruchsfrei umzusetzen hat. Bei dem auch vom Land Bremen zugrunde gelegten zweigliedrigen Modell der Besoldung von Professoren aus Grundgehalt und Leistungsbezügen erfordert die Bewilligung von Leistungsbezügen gerade eine individuelle Leistung, die durch diesen Leistungsbezug honoriert wird. Dagegen ist der vom Gesetzgeber geregelte pauschale Mindestleistungsbezug nicht das Äquivalent einer individuellen Leistung eines Hochschullehrers, sondern der Sache nach die Erhöhung des von der individuellen Leistung unabhängigen Grundgehalts.
Wird die gesetzliche Neuregelung zum 1. Januar 2013 dagegen nach ihrer Wirkung betrachtet, so handelt es sich um die Erhöhung der Grundgehaltssätze unter vollständiger Anrechnung dieser Erhöhung auf bestehende individuelle Leistungsbezüge. Diese mit dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbarende Auslegung hat zur Folge, dass aufgrund individueller Leistung erworbene Leistungsbezüge in Höhe von 600 €/Monat infolge der Anrechnung vollständig aufgezehrt werden. Zudem führt sie dazu, dass unterschiedliche Gruppen von Hochschullehrern je nach dem Zeitpunkt ihrer Ernennung und der Zubilligung von Leistungsbezügen aufgrund ihrer individuellen Leistung ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich behandelt werden.“