Sachverhalt (extrem verkürzt!)
B schließt mit V einen Bauvertrag. Das Bauwerk ist mangelhaft. Dem B steht dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz zu. B würde den Schaden gerne auf Basis der fiktiven Mängelbeseitigungskosten abrechnen, da er hiernach den höchsten Abrechnungsposten geltend machen könnte. B fragt sich zudem, ob auch Ansprüche gegen den Architekten geltend gemacht werden können, wenn diesem Planungs- und Überwachungsfehler unterlaufen sind und wie die Schadensberechnung hier erfolgt. Auch will B wissen, ob er bei Beseitigung der Mängel den vollen Ersatz der Reparaturkosten verlangen kann, ferner ob ihm ein Anspruch auf Freistellung von einer entsprechenden Verbindlichkeit und ggf. ein Vorschuss zustünde.
B fragt sich, ob eine solche Abrechnung möglich ist und falls nicht wie er den Schaden berechnen kann.
Leitsätze des BGH (teilweise angepasst):
- Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gegen den Unternehmer gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).
- Alternativen:
- Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann den Schaden in der Weisebemessen, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt. Hat der Besteller die durch das Werk geschaffene oder bearbeitete Sache veräußert, ohne dass eine Mängelbeseitigung vorgenommen wurde, kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen.
- Der Schaden kann in Anlehnung an § 634 Nr. 3, § 638 BGB auch in der Weise bemessen werden, dass ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung der Minderwert des Werks wegen des (nicht beseitigten) Mangels geschätzt wird. Maßstab ist danach die durch den Mangel des Werks erfolgte Störung des Äquivalenzinteresses.
- Zum Anspruch auf Freistellung und Vorschuss
- Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel beseitigen lässt, kann die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten als Schaden gemäß §634 Nr.4, §§280, 281BGB ersetzt verlangen. Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller Befreiung von den zur Mängelbeseitigung eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.
- Darüber hinaus hat der Besteller, der Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes gemäß §634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB verlangt hat, grundsätzlich weiterhin das Recht, Vorschuss gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu fordern, wenn er den Mangel beseitigen will.
- Auch im Verhältnis zum Architekten scheidet hinsichtlich der von ihm zu vertretenden Planungs-oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten betreffend das Bauwerk aus.
- Zur alternativen Berechnungsgrundlage ggü. dem Architekten:
- Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks nicht beseitigen, kann er seinen Schaden gegenüber dem Architekten im Wege einer Vermögensbilanz nach dem Minderwert des Bauwerks im Vergleich zu dem hypothetischen Wert des Bauwerks bei mangelfreier Architektenleistung bemessen oder gegebenenfalls -bei Veräußerung des Objekts -nach dem konkreten Mindererlös.
- Hat der durch die mangelhafte Architektenleistung verursachte Mangel des Bauwerks zur Folge, dass eine Störung des Äquivalenzverhältnisses des Bauvertrags vorliegt, kann der Besteller stattdessen seinen Schaden auch in der Weise bemessen, dass er ausgehend von der mit dem Bauunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werks des Bauunternehmers ermittelt.
- Ersatzfähigkeit bei Durchführung der Reparatur(en) und Anspruch auf Vorfinanzierung wegen Planungs- und Überwachungsfehlern.
- Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks beseitigen, sind die von ihm aufgewandten Kosten als Schaden gemäß §634 Nr.4, §280 Abs. 1 BGB vom Architekten zu ersetzen. Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller Befreiung von den eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.
- Darüber hinaus hat der Besteller wegen Planungs-oder Überwachungsfehlern, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, einen Schadensersatzanspruch gemäß §634 Nr.4, §280 BGB auf Vorfinanzierung in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags gegen den Architekten.
Lösung:
A. Anspruch gegen W auf Schadensersatz
I. Anspruch gegen W auf Ersatz i.H. der fiktiven Mängelbeseitigungskosten
Ein Anspruch – wegen Mangelhaftigkeit des Werkes – gegen W besteht gem. §§ 634 Nr. 4, 280 I, III, 281 dem Grunde nach.
1. Berechnungsmethoden nach früherer Rechtsprechung.
a. Berechnung anhand der Differenz zwischen tatsächlichem und hypothetischem Wert
Der Besteller hat die Möglichkeit den Schaden nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen in der Weise zu bemessen, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt. Diese Art der Schadensbemessung ist ausschließlich auf Ausgleich des Wertunterschieds gerichtet.
b. Berechnung bei zwischenzeitlicher Veräußerung des Grundstücks
Bei zwischenzeitlicher Veräußerung des Grundstücks eröffnen sich zudem weitere Berechnungsmethoden, die an dieser Stelle exkursorisch dargelegt werden sollen.
aa. Berechnung nach konkretem Mindererlös
W könnte in einem solchen Fall den Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen.
„Der Mindererlös wird typischerweise anhand der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der Sache ohne Mangel und dem gezahlten Kaufpreis ermittelt werden können. Da der Kaufpreis den tatsächlichen Wert der Sache indiziert, entspricht der so ermittelte Mindererlös im Regelfall dem Minderwert der betroffenen Sache.“
Haben daneben noch andere Mängel den Mindererlös bewirkt, so ist zu ermitteln welcher Anteil auf diese entfällt, dieser Betrag ist sodann in Abzug zu bringen.
bb. Berechnung nach einem den Mindererlös übersteigenden Wert
„Dem Besteller bleibt bei Veräußerung der Sache die Möglichkeit, den Schaden nach einem den konkreten Mindererlös übersteigenden Minderwert zu bemessen, wenn er nachweist, dass der erzielte Kaufpreis den tatsächlichen Wert der Sache übersteigt. Denn der in Höhe des Minderwerts bestehende Schaden wird durch ein vom Besteller abgeschlossenes günstiges Geschäft grundsätzlich nicht gemindert. Nach den normativen von Treu und Glauben geprägten schadensrechtlichen Wertungen unter Berücksichtigung des in §254 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Gedankens sollen dem Ersatzpflichtigen solche Vorteile grundsätzlich nicht zugutekommen, die sich der Ersatzberechtigte durch Abschlusseines den Ersatzpflichtigen nichtberührenden Vertrags mit einem Dritten erarbeitet hat. Wendet demgegenüber der Unternehmer ein, der Minderwert sei geringer, weil der erzielte Kaufpreis den tatsächlichen Wert der Sache unterschreite, ist der infolge der Veräußerung entstandene (höhere) Mindererlös insoweit nicht als Schaden zu ersetzen, als dem Besteller ein Verstoß gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung gemäß § 254 Abs. 2 BGB vorzuwerfen ist.“
c. Berechnung auf Grundlage fiktiver Mängelbeseitigungskosten
Die Rechtsprechung hat dem Besteller bisher alternativ auch einen Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten zugebilligt. Der Besteller war hiernach stets berechtigt bis zur Grenze der Unverhältnismäßigkeit (§251 Abs. 2 Satz 1 BGB) Zahlung in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten zu verlangen, auch wenn der Betrag den konkreten Minderwert überstieg.
Demnach war schon der Mangel des Werks – unabhängig von seiner Beseitigung – ein Schaden in Höhe der Beseitigungskosten.
Diesen Ansatz hat der BGH – für ab dem 1.1.2002 geschlossene Verträge - aufgegeben!
Ausgangspunkt der Überlegungen ist – die in der Natur der fiktiven Abrechnung liegende Erkenntnis –, dass der W einen Schaden in Höhe der fiktiven Kosten nicht tatsächlich erlitten hat (Rn. 32).
Der BGH erkennt sodann weiterhin an, dass ein Mangel (Leistungsdefizit) das Äquivalenzinteresse stört und einen Vermögensschaden darstellt. Er betont sodann jedoch, dass hierdurch gerade noch nicht geklärt sei in welcher Höhe der Schaden besteht (Rn. 33).
Zutreffend weist der BGH daraufhin, dass eine Berechnung auf fiktiver Basis, insb. im Baurecht regelmäßig zu einer Überkompensation und damit einer vom Schadensrecht nicht angestrebten Bereicherung des Bestellers führe.
Gerade bei der Beseitigung von Baumängeln sind i.d.R. umfangreiche Maßnahmen vorzunehmen und nicht selten weitere Gewerke in Bezug zu nehmen. Hierdurch kommt es gerade im Baurecht zu einem regelmäßig erheblichem Auseinanderfallen des Betrags aufgrund des tatsächlichen Minderwerts und demjenigen nach fiktiver Abrechnung. Eine besondere Schutzbedürftigkeit des Bestellers diesen Betrag zu erhalten ist jedoch nicht ersichtlich.
Expertentipp
Gerade hier liegt der interessante Teil der Entscheidung für das erste aber auch zweite Examen. Im Kern geht es um das Bereicherungsverbot im Schadensrecht und damit Basics aus dem Schadensrecht.
Hinweis
Hier zeigt sich schon warum der Senat keine Vorlage an den Großen Senat getätigt hat. Die im Baurecht regelmäßig entstehende Überkompensation wegen Auseinanderfallen der rechnerischen Beträge (s.o.) ist gerade dem Baurecht immanent. Eine Erstreckung der Grundsätze auf das Kaufrecht ist zwar nicht ausgeschlossen, jedoch nicht zwingend. Wir warten gespannt…
2. Berechnungsgrundlage(n) nach neuer Rechtsprechung ohne Beseitigung des Mangels
In Zukunft ist eine stärkere Orientierung an den tatsächlich getroffenen Dispositionen vorzunehmen, wie es das Regelungskonzept des § 634 nahelegt.
a. „(Einfache) Berechnung“ in Anlehnung an die Störung des Äquivalenzinteresses ohne Beseitigung des Mangels
Die Bemessung erfolgt hier in Orientierung an die Minderung gem. §§ 634 Nr. 3, 638. Der Besteller soll demnach nicht schlechter stehen, als er im Fall einer – verschuldensunabhängigen – Minderung stünde.
„Der Schaden kann deshalb in Anlehnung an § 634 Nr. 3, § 638 BGB in der Weise bemessen werden, dass ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung der Minderwert des Werks wegen des(nicht beseitigten) Mangels geschätzt wird. Maßstab ist danach die durch den Mangel des Werks er-folgte Störung des Äquivalenzverhältnisses. Die von den Parteien durch den Werkvertrag zum Ausdruck gebrachte Bewertung des (mangelfreien) Werks in Höhe der Vergütung rechtfertigt es, bereits das Ausbleiben der vollständigen (mangelfreien) Gegenleistung mit der Folge der Störung des Äquivalenzverhältnisses - unabhängig von einer objektivierten Bewertung durch einen "Markt"- als einen beim Besteller eingetretenen Vermögensschaden anzusehen.“
Entsprechend zu den oben gemachten Ausführungen ist auch der Minderungsbetrag gem. §§ 634 Nr. 4, 638 nicht an den fiktiven Mängelbeseitigungskosten zu orientieren.
Der mangelbedingte Minderwert des Werks ist sodann – ausgehend von der Vergütung als Maximalwert – gem. § 278 ZPO zu schätzen.
b. Übersicht über die verbleibenden Berechnungsmethoden bei Nichtvornahme der Mängelbeseitigung
Neben der unter 1 a und den unter 2 b aa und bb dargelegten Berechnungsmethode(n) kann noch diejenige aus 2 a gewählt werden, um den ersatzfähigen Schaden zu bestimmen, wenn der Besteller keine Mängelbeseitigung vornimmt.
3. Ansprüche und Anspruchshöhe bei Beseitigung des Mangels
Fraglich ist welche Ansprüche dem Besteller in einer solchen Konstellation zustehen.
a. Anspruch auf Schadensersatz i.H.d. angefallenen Beseitigungskosten
Lässt der Besteller den Mangel bzw. die Mängel beheben, so kann er sowohl nach §§ 634 Nr.2, 637 als auch aus §§ 634 Nr. 4, 280 I, III, 281 den Schaden in Höhe der Beseitigungskosten verlangen.
Dem steht der Aufwendungscharakter (freiwillige Vermögensopfer) nicht entgegen, da sich der Besteller aufgrund der Mangelhaftigkeit des Werks i.V.m. der gesetzlichen Gestattung zu diesen Aufwendungen herausgefordert fühlen durfte.
Die Kürzung des Anspruchs ist sodann nur im Fall der Unverhältnismäßigkeit der Aufwendungen zu kürzen.
b. Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit
Vor Begleichung der Kosten besteht ein Anspruch des Bestellers auf Freistellung von der Verbindlichkeit.
Hinweis: Allgemein sollte in Klausuren darauf geachtet werden, ob (nur) eine Verbindlichkeit besteht oder diese bereits beglichen wurde. Je nach Situation ist der Klageantrag (2tes Examen) oder der ersatzfähige Schaden (1tes Examen) entsprechend zu bearbeiten.
c. Anspruch auf Vorschuss
Auch kann im Hinblick auf die Mängelbeseitigung ein Vorschuss aus den o.g. Anspruchsgrundlagen gefordert werden.
Diesem Anspruch steht § 281 IV auch nicht entgegen.
„§ 281 Abs. 4 BGB steht dem nicht entgegen. Danach ist zwar der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, sobald der Besteller Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat. Der Besteller kann mithin nicht mehr Nacherfüllung gemäß §634 Nr. 1, § 635 BGB verlangen. Die Geltendmachung eines Vorschusses ist nach dem Wortlaut dieser Vorschrift jedoch nicht ausgeschlossen.
Aus §634 Nr.2, § 637 BGB ergibt sich -anders als aus §633 Abs.3BGBa.F. -nichts anderes. Danach entstehen das Selbstvornahmerecht und der Vorschussanspruch mit erfolglosem Ablauf der zur Nacherfüllung bestimmten angemessenen Frist, wenn nicht der Unternehmer die Nacherfüllung zu Recht verweigert (§637 Abs. 1 letzter HalbsatzBGB).Soweit aus §637 Abs.1 letzter Halbsatz BGB abgeleitet wird, dass diese Rechteeinen im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung noch bestehenden Nacherfüllungsanspruch voraussetzen und deshalb das Verlangen von Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes mit der Folge des §281 Abs.4 BGB weiter dazu führt, dass auch das Selbstvornahmerecht und der Vorschussanspruch erlöschen(vgl. z.B. Kniffka/Krause-Allenstein, Bauvertragsrecht, 2. Aufl.,§637 Rn. 10; Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., §637 Rn. 1), folgt der Senat dem nicht. Aus der Begründung zu § 637 BGB ergibt sich ein solcher gesetzgeberischer Wille nicht(vgl. BT-Drucks. 14/6040,S. 266).
Demgegenüber ist es nach Sinn und Zweck des Gesetzes gerechtfertigt, dem Besteller den Vorschussanspruch auch dann noch zuzubilligen, wenn er bereits Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes verlangt hat. Aus §634 Nr. 2, § 637 BGB ergibt sich, dass der Schutz des Leistungsinteresses im Werkvertragsrecht einen Vorschussanspruch des Bestellers erfordert, um diesem Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung abzunehmen. Diese gesetzgeberische Wertung ist bei der Frage zu berücksichtigen, wie im Rahmen des Schadensersatzes ein möglichst umfassender Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses des Bestellers er-
reicht werden kann, der den Mangel beseitigen will. Denn der Besteller soll durch die Wahl des Schadensersatzanspruchs nicht schlechter gestellt werden (vgl. dazu bereits II. 1. c) cc)). Lässt der Besteller die Mängel beseitigen, um-fasst der Schadensersatzanspruch -wie ausgeführt -die Erstattung der mit Durchführung der Mängelbeseitigung angefallenen Kosten. Da dem Besteller nach der gesetzgeberischen Wertung auch die Nachteile und Risiken einer Vor-finanzierung der Mängelbeseitigung abgenommen werden sollen, ist ein umfassender Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses nur dann gewährleistet, wenn er -auch nach Wahl des kleinen Schadensersatzes -weiterhin Vorschuss verlangen kann, allerdings ohne die Möglichkeit, wieder auf den Nacherfüllungsanspruch zurückzukommen, § 281 Abs. 4 BGB.“
Hinweis
Verfahrensrechtlich ist ein im Rahmen des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes erfolgender Wechsel der Schadensbemessung, der auf einer Änderung der Disposition des Bestellers zur Durchführung der Mängelbeseitigung beruht, gemäß §264 Nr.3ZPO (gegebenenfalls in Verbindung mit § 264 Nr. 2 ZPO) nicht als Klage-änderung anzusehen, sofern der Lebenssachverhalt im Übrigen unverändert ist. Das Gleiche gilt für den auf einer entsprechenden Änderung der Disposition beruhenden Wechsel vom Vorschussanspruch auf den Schadensersatzanspruch statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes und umgekehrt.
Demnach kann derjenige, der Klage auf Erstattung fiktiver Reparaturkosten erhoben hat, ohne Weiteres eine andere Bemessungsgrundlage wählen oder den Vorschussanspruch geltend machen.
II. Zwischenergebnis
Ein Anspruch des W auf SE i.H. der fiktiven Beseitigungskosten besteht demnach nicht. Eine Klageumstellung wäre demnach zweckmäßig.
III. Ansprüche gegen den Architekten bei Annahme einer Haftung dem Grunde nach wegen Planungs- und/oder Überwachungsfehlern.
1. SE statt oder neben der Leistung
Ein Anspruch gegen den Architekten folgt nicht aus §§ 280 I, III, 281 sondern aus §§ 280 I, 241 II. Der Schaden würde durch eine Nachholung der geschuldeten Leistung zum letztmöglichen Zeitpunkt gerade nicht entfallen. Die Nacherfüllung der Architektenleistung würde gerade nicht den bestehenden Baumangel beseitigen.
2. Bestimmung der Anspruchshöhe
„Dieser Schadensersatzanspruch ist auf Zahlung eines Geldbetrags gerichtet. Hat der Architekt die von ihm geschuldeten Planungs-oder Überwachungsleistungen mangelhaft erbracht und hat der Besteller deswegen das bei einem Dritten in Auftrag gegebene Bauwerk nicht so erhalten wie als Ziel der vom Architekten geschuldeten Mitwirkung vereinbart, ist das hierdurch geschützte Interesse des Auftraggebers an einer entsprechenden Entstehung des Bauwerks verletzt. Der Schaden des Bestellers besteht darin, dass er im Ergebnis ein Bauwerk erhält, das hinter dem im Architektenvertrag als Ziel vereinbarten Bauwerk zurückbleibt. Für den sich daraus ergebenden Vermögensnachteil hat der Architekt Schadensersatz in Geld zu leisten. Nach §249 Abs.1BGB muss der Architekt den Zustand herstellen, der bestehen würde, wenn er nicht mangelhaft geleistet hätte. Hätte der Architekt die von ihm geschuldeten Architektenleistungen mangelfrei erbracht, wäre es dem Auftraggeber möglich gewesen, das Bauwerk wie gewünscht, insbesondere ohne Mängel, durch den Bauunternehmer entstehen zu lassen. Der Architekt hat dem Besteller als Schadensersatz daher die Mittel zur Verfügung zu stellen, die dieser zur Kompensation des verletzten Interesses benötigt(vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2017 -VII ZR 242/13,aaO Rn. 24m.w.N.).“
Entsprechend der Feststellungen bzgl. des B im Verhältnis zu V, kann auch ggü. dem Architekten keine Berechnung des Ersatzes nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten erfolgen. Dies ergibt sich zudem darüber hinaus daraus, dass es im Verhältnis zum Architekten gar nicht um die Bemessung eines Mangelschadens, sondern der Berücksichtigung von Defiziten in Planung und Ausführung geht (Rn. 61).
Auch im Hinblick auf die Haftung des Architekten ist ein voller Schadensausgleich unter Vermeidung einer etwaigen Überkompensation vorzunehmen.
Dem folgend sind folgende Möglichkeiten gegeben:
a. Ersatz bei Nichtbeseitigung des Mangels
Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks nicht beseitigen, kann er seinen Schaden im Wege einer Vermögensbilanz nach dem Minderwert des Bauwerks im Vergleich zu dem hypothetischen Wert des Bauwerks bei mangelfreier Architektenleistung bemessen oder gegebenenfalls -bei Veräußerung des Objekts -nach dem konkreten Mindererlös (siehe oben).
„Hat der durch die mangelhafte Architektenleistung verursachte Mangel des Bauwerks zur Folge, dass eine Störung des Äquivalenzverhältnisses des Bauvertrags vorliegt, kann der Besteller stattdessen seinen Schaden auch in der Weise bemessen, dass er ausgehend von der mit dem Bauunter-nehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werks des Bauunternehmers ermittelt (dazu II. 1. c) cc)). Denselben Vermögensschaden hat der Architekt, vermittelt durch den Mangel des Werks des Bauunter-nehmers, durch seine mangelhafte Architektenleistung verursacht und deshalb zu ersetzen.“
b. Ersatzanspruch bei Beseitigung des Mangels
„Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks beseitigen, sind die von ihm aufgewandten Kosten als Schaden gemäß §634 Nr.4, §280 Abs.1BGB zu ersetzen. Denn ihm ist in Höhe der Aufwendungen ein Vermögensschaden entstanden, den er ohne die mangelhafte Architektenleistung nicht gehabt hätte. Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller zudem Befreiung von den eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.“
c. Vorschussanspruch gegen den Architekten
Hier sind die oben erarbeiteten Grundsätze, die gegenüber dem Werkersteller bestehen zu berücksichtigen.
„Hierin erschöpft sich der Vermögensschaden des Bestellers jedoch nicht. Er muss nunmehr auch Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung der Arbeiten am Bauwerktragen, die ohne die mangelhafte Architektenleistung nicht entstanden wären. Nach § 634 Nr. 2, § 637 BGB werden dem Besteller im Verhältnis zu dem mangelhaft leistenden Bauunternehmer die Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung durch die Gewährung eines Vorschussanspruchs abgenommen. Diese für das Werkvertragsrecht getroffene Wertung des Gesetzgebers ist auch für Planungs-oder Überwachungsfehler des Architekten, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, zu berücksichtigen. Ein umfassender Ausgleich des verletzten Interesses des Bestellers im Rahmen des Schadens-ersatzanspruchs gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB wegen Planungs- oder Überwachungsfehlern, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, erfordert danach auch die Überwälzung der Vorfinanzierung auf den Architekten in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags an den Besteller.
der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags an den Besteller.“
Der Architekt und der Bauunternehmer haben ggü. dem Besteller gemeinsam – ggf. gem. §§ 254, 278 in unterschiedlicher Höhe – einzustehen.
IV. Zwischenergebnis
Demnach können auch gegen den Architekten Ansprüche geltend gemacht werden, auch hier ist die Berechnung nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten jedoch ausgeschlossen.
V. Der BGH zur (zwingenden) Übertragbarkeit der Entscheidung auf das Kaufrecht
Der Senat beschränkt die Rechtsprechung ausdrücklich auf den Werkvertrag und begründet dies mit den Besonderheiten des Werkvertrags- und insb. des Baurechts.
„Zum Schadensersatz gemäß § 437 Nr. 3, §§280,281 BGB aus Kaufverträgen wegen des Mangels einer Kaufsache nehmender V.und VIII.Zivilsenat (seit der Einführung eines Nacherfüllungsanspruchs im Kaufrecht zum 1. Januar 2002) an, dass ein Käufer seinen zu ersetzenden Schaden im Rahmen des kleinen Schadensersatzes auf der Grundlage der Mängelbeseitigungskosten unabhängig von einer Beseitigung des Mangels berechnen kann. Hierzu haben sie sich auf die bisherige Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Bemessung des Schadens im Werkvertragsrecht nach fiktiven Mängel-beseitigungskosten bezogen (vgl. BGH, Urteile vom 15.Juni2012 VZR198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 31;vom 4. April 2014 VZR275/12, BGHZ 200, 350 Rn.33;vom 11. Dezember 2015 V ZR 26/15, BauR2016, 1035 Rn.21und vom 29. April 2015 -VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244 Rn.12).
Das veranlasst nicht beim V.und VIII.Zivilsenat anzufragen, ob sie auch unter Berücksichtigung der obigen Erwägungen an dieser Rechtsprechung festhalten möchten, und gegebenenfalls die Rechtsfrage dem Großen Senat für Zivilsachen vorzulegen, §132 Abs. 2 GVG. Denn die Änderung der Rechtsprechung des Senats beruht auf Besonderheiten des Werkvertragsrechts, die es auch dann rechtfertigen würden, die Bemessung des Schadensersatzes statt der Leistung im Werkvertragsrecht anders vorzunehmen, wenn für das Kaufrecht an der bisherigen Auffassung festzuhalten wäre.
Einerseits sind die Gefahren einer erheblichen Überkompensation eines Schadens des Bestellers -wie die Erfahrungen in vielen Fällen zeigen -im Werkvertragsrecht deutlich größer als im Kaufrecht in Bezug auf den Schaden des Käufers. Das beruht vor allem darauf, dass es im Werkvertragsrecht regelmäßig schon faktisch nicht die Möglichkeit gibt, vergleichsweise kostengünstiger ein neues Werk herzustellen, als den Mangel am Werk zu beseitigen. Die Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 635 Abs. 3 BGB tritt zudem nur selten ein, weil sich ein Mangel des Werks üblicherweise an Sachen des Bestellers auswirkt und sich deshalb der (isolierte) Wert des mangelfreien Werks anders als im Kaufrecht (vgl. § 439 Abs. 4 Satz 2 BGB; BGH, Urteil vom 4. April 2014 V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 41 ff.) nicht einmal als Faustregel für einen Grenzwert der Unverhältnismäßigkeit eignet. Schließlich sind Werkverträge regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass ein individuell gewünschter Erfolg mit bestimmten vereinbarten Beschaffenheiten versprochen wird und zu erreichen ist; dabei muss nicht jedes Verfehlen dieses Ziels, also jeder Mangel im Sinne von § 633 BGB ohne Weiteres im Markt überhaupt als vermögensrelevant angesehen werden. Das ist üblicherweise anders, wenn die Übereignung einer Sache im Mittelpunkt steht.
Andererseits bedarf es im Werkvertragsrecht eines Anspruchs auf Erstattung fiktiver Mängelbeseitigungskosten auch nicht, um dem Besteller die Dispositionsfreiheit zu belassen, den Mangel (noch) selbst auf Kosten des Unternehmers zu beseitigen. Hier ist er ausreichend durch die Rechte der Vorschrift des § 637 BGB, die im Kaufrecht keine Entsprechung hat, vor allem auch durch den Vorschussanspruch des § 637 Abs. 3BGB, geschützt.
Soweit gemäß § 249 Abs. 2 BGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch fiktive Kosten als Schadensersatz verlangt werden können, steht dies nicht in Widerspruch zur vorliegenden Entscheidung, bei der es nicht um die Beschädigung einer Sache geht.