Dem Urteil des BGH (Urt. v. 24.03.2015 – VI ZR 265/14, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de = NJW 2015, 1681 = NZV 2015, 327 [beck-online]) lag folgender – leicht vereinfachter – Sachverhalt zugrunde:
K und B, beide Landwirte, leisteten sich wechselseitig Hilfe mit ihren landwirtschaftlichen Maschinen. Am 7. Mai 2011 bearbeitete der B eine zuvor von ihm gemähte Wiese mit seinem Traktor mit angehängtem Kreiselschwader. Der Kreiselschwader wird über die Zapfwelle des ziehenden Traktors angetrieben. Dabei wird ein Kreisel mit den daran befestigten, senkrecht nach unten stehenden Metallzinken in Rotation versetzt und so das geschnittene Gras zu Schwaden zusammengeschoben. Am nächsten Tag fuhr der K mit seinem Grashäcksler absprachegemäß auf die zuvor von B bearbeiteten Wiese und begann mit dem Häcksler die zusammengeschwadeten Spuren aufzunehmen und weiterzuverarbeiten. Dabei wird das Gras von dem Vorsatzgerät aufgenommen und über die Einzugswalzen in das Häckselwerk der Maschine eingezogen. Kurz nach Beginn der Arbeiten kam es zu einer massiven Beschädigung der Häckseltrommel und des Häckselwerks durch einen von der Maschine aufgenommenen Fremdkörper. Der K hat vorgetragen, dass es sich bei dem den Schaden verursachenden Fremdkörper um einen 35 cm langen Metallzinken des Kreiselschwaders gehandelt habe, den dieser verloren habe, als der Traktor in Bewegung gewesen sei.
K verlangt von B Schadensersatz in Höhe von 26.137 € für die Beschädigung des Grashäckslers. Besteht der geltend gemachte Anspruch?
Anmerkung: Der Sachvortrag des K ist als wahr zu unterstellen.
Falllösung:
A. Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG
K könnte gegen B einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 26.137 € gemäß § 7 Abs. 1 StVG haben. Zunächst müssten die Voraussetzungen des haftungsbegründenden Tatbestands gegeben sein.
I. Beschädigung einer Sache
Vorliegend wurde die Häckseltrommel und das Häckselwerk massiv beschädigt, sodass ein Sachschaden entstanden ist.
II. Betrieb eines Kraftfahrzeugs
Fraglich ist, ob sich der geltend gemachte Schaden auch bei dem Betrieb des Traktors des Beklagten mit angehängtem Kreiselschwader ereignet hat.
Beim Betrieb eines Fahrzeuges hat sich der Unfall ereignet, wenn sich eine Gefahr realisiert, die mit dem Fahrzeug als Verkehrsmittel verbunden ist (Burmann/Heß/Jahnke/Janker/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 23. Auflage 2014, StVG § 7 Rn. 7). Der Begriff „bei dem Betrieb“ ist weit zu fassen (BGH v. 14.1.2014, VI ZR 340/13; Burmann/Heß/Jahnke/Janker/Burmann, Straßenverkehrsrecht, StVG § 7 Rn. 7). Nach der sogenannten verkehrstechnischen Auffassung ist ein Kfz oder Anhänger in Betrieb, solange es sich im Verkehr befindet und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet. Auf den Fahrtzweck und die Fahrerabsicht kommt es nicht an (BGH NZV 89, 18; Burmann/Heß/Jahnke/Janker/Burmann, Straßenverkehrsrecht, StVG § 7 Rn. 7). Ausreichend ist, dass bei einer wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug zumindestens mitgeprägt worden ist (BGH v. 14.1.2014 – VI ZR 340/13; Burmann/Heß/Jahnke/Janker/Burmann, Straßenverkehrsrecht, StVG § 7 Rn. 7). Insoweit reicht ein naher zeitlicher und örtlicher Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer Betriebseinrichtung des Kfz oder des Anhängers aus (BGH v. 14.1.2014, VI ZR 314/30; Burmann/Heß/Jahnke/Janker/Burmann, Straßenverkehrsrecht, StVG § 7 Rn. 7). Eine Berührung mit dem Kfz oder dem Anhänger ist nicht erforderlich. Es genügt, dass sich eine vom Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt hat (BGH NJW 05, 2081; Burmann/Heß/Jahnke/Janker/Burmann, Straßenverkehrsrecht, StVG § 7 Rn. 7).
Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass das Schadensereignis nicht im Zusammenhang mit der Bestimmung des Gespanns als Beförderungsmittel im Verkehr, sondern auf einem anderweitigen Einsatz seiner Betriebseinrichtungen beruht. Bei beiden an dem Unfall beteiligten Fahrzeugen standen nicht die Fortbewegung und der Transport im Vordergrund, sondern die Tätigkeit als Arbeitsmaschinen.
Der Traktor und der angehängte Kreiselschwader müssen als Einheit gesehen werden, die während des Fahrens ihren Arbeitseinsatz verrichtet haben. Dabei ist es aber nicht zur Beschädigung des Häckslers gekommen. Der Schaden ist vielmehr erst entstanden, als der K mit dem Grashäcksler den nächsten Arbeitsgang verrichtet und die vom B vorbereiteten Grasschwaden augenommen hat und weiterverarbeiten wollte. Im Vordergrund des Vorgangs stand die arbeitsteilige Verarbeitung des Grases. Der Betrieb des Kraftfahrzeugs ist dahinter zurückgetreten. Von dem Traktor und dem Kreiselschwader ist auch keine Gefahr für den öffentlichen Straßenverkehr oder andere Verkehrsteilnehmer ausgegangen. Nur der K und dessen Grashäcksler waren von dem Betrieb des Kreiselschwaders betroffen gewesen, weil er in den Arbeitsvorgang eingebunden gewesen war.
Darin ist auch der Unterschied zu den Streufahrzeug- oder Mähdrescherfällen zu sehen. Hier hatten die Arbeiten in einem Bereich stattgefunden, in dem andere – unbeteiligte – Kraftfahrzeuge in Mitleidenschaft hätten gezogen werden können. Durch den Kreiselschwader ist dagegen keine Gefahr geschaffen worden, die von dem Fahrzeug in seiner Eigenschaft als dem Verkehr dienende Maschine für andere Verkehrsteilnehmer ausgeht, sondern nur durch ihren Einsatz als Arbeitsmaschine, die die Vorarbeiten für den Einsatz einer weiteren fahrbaren Arbeitsmaschine geleistet hat.
Daher ist im Ergebnis der Schaden nicht bei Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden.
Dieser Ansicht hat sich auch der BGH mit folgender Begründung angeschlossen:
„Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktionen ist es erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVG) besteht. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt daher, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird [...] oder bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat [...]. Eine Verbindung mit dem "Betrieb" als Kraftfahrzeug kann jedoch zu bejahen sein, wenn eine "fahrbare Arbeitsmaschine" gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet [...].
2. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision die Beschädigung des Grashäckslers des Klägers zu Recht nicht der vom Fahrzeug des Beklagten [...] ausgehenden Betriebsgefahr zugerechnet. [...]
b) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Schäden durch das Ablösen von Teilen des Kraftfahrzeuges beim Betrieb des Kraftfahrzeuges entstanden sein können, wenn sie im Zusammenhang mit einem Verkehrsvorgang stehen [...].
c) Dass der Schaden auf einem Privatgelände eingetreten ist, steht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, einer Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG grundsätzlich nicht entgegen, denn der Betrieb eines Kraftfahrzeuges im Sinne dieser Norm erfordert nicht seinen Einsatz auf öffentlicher Verkehrsfläche [...].
d) Das Berufungsgericht hat dennoch eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG zutreffend verneint, weil das Risiko, das sich hier verwirklicht hat, nicht in den Schutzbereich des § 7 StVG fällt.
Der erkennende Senat hat Schäden als vom Schutzzweck des § 7 StVG erfasst angesehen, die bei dem Auswerfen von Streugut aus einem Streukraftfahrzeug [...] und beim Hochschleudern eines Steins durch ein Mähfahrzeug [...] entstanden waren: im ersten Fall, weil das Streugut während der Fahrt verteilt worden sei, sich ein durch den Einsatz im Straßenverkehr mitgeprägtes spezifisches Gefahrenpotential ergebe und sich das Auswerfen des Streuguts von der Eigenschaft des Streuwagens als Kraftfahrzeug und Beförderungsmittel nicht sinnvoll trennen lasse; im zweiten Fall, weil der Unimog mit seiner Motorkraft nicht nur den Antrieb für das Mähwerk gebildet habe, sondern auch auf dem Seitenstreifen entlanggefahren sei und dadurch das Mähfahrzeug fortbewegt habe.
Der Gesichtspunkt, dass eine Verbindung mit dem Betrieb als Kraftfahrzeug zu bejahen sei, wenn eine "fahrbare Arbeitsmaschine" gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichte [...], kann jedoch nicht losgelöst von dem konkreten Einsatzbereich des Fahrzeuges mit Arbeitsfunktion gesehen werden. Zwar könnten die Entscheidungen zu Schäden beim Befüllen von Heizungstanks [...] und eines Silos [...], in denen die Zuordnung der Schadensentstehung zum Betrieb eines Kraftfahrzeuges verneint worden ist, so verstanden werden, dass das maßgebliche Kriterium der Differenzierung das Stehen oder Fahren des Kraftfahrzeuges während der Arbeitsfunktion darstellt. Dies ist jedoch in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Erforderlich ist nämlich stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist [...]. Deshalb lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entscheiden, wann haftungsrechtlich nur noch die Funktion als Arbeitsmaschine in Frage steht [...]. Ist dies der Fall, ist der Zurechnungszusammenhang unter Schutzzweckgesichtspunkten enger zu sehen.
Dabei ist im Streitfall maßgeblich, dass der Schaden weder auf einer öffentlichen noch einer privaten Verkehrsfläche, sondern auf einer zu dieser Zeit nur landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Wiese eingetreten ist und die Transportfunktion lediglich dem Bestellen der landwirtschaftlichen Fläche diente. Hinzu kommt, dass der Schaden nach Abschluss des Arbeitsvorganges entstanden ist.
Bei der notwendigen Gesamtbetrachtung ergibt sich, dass bei dem Einsatz der landwirtschaftlichen Maschine - hier der Kombination eines Traktors mit angehängtem, von diesem betriebenen Arbeitsgerät - zur Bestellung einer landwirtschaftlichen Fläche die Funktion als Arbeitsmaschine im Vordergrund stand und der Schadensablauf nicht durch den Betrieb des Kraftfahrzeuges geprägt wurde [...].“
III. Ergebnis
Mithin hat K gegen B keinen Schadensersatzanspruch i.H.v. 26.137 € gemäß § 7 Abs. 1 StVG.
B. Auch eine Haftung des B aus § 18 Abs. 1 StVG entfällt damit.
C. Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB
K könnte jedoch gegen B einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 26.137 € gemäß § 823 Abs. 1 BGB haben.
I. Rechtsgutsverletzung
Es müsste eine Rechtsgutsverletzung des B i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB gegeben sein. Hiervon sind alle absoluten und sonstige Rechte i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB umfasst. § 823 Abs. 1 BGB erfasst die Verletzung des Eigentums i.S.v. § 903 BGB an Sachen i.S.v. §§ 90 ff. BGB (PWW/Schaub, 10. Aufl. 2015, § 823 Rn. 33). Beeinträchtigungen der Sachsubstanz des Eigentums sind insbesondere die Zerstörung und Beschädigung einer Sache (PWW/Schaub, § 823 Rn. 37).
Hier wurde die im Eigentum des K stehende Häckseltrommel von einem durch die Maschine aufgenommenen Fremdkörper beschädigt. Mithin ist Eigentumsverletzung i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB gegeben.
II. Verletzungshandlung
Es müsste auch eine Verletzungshandlung vorliegen. Hier kommt grundsätzlich ein Handeln oder Unterlassen ist in Betracht.
B hat den Bolzen nicht auf die Wiese gelegt o.Ä. sodass ein Handeln ausscheidet.
Fraglich ist, ob dem B ein Unterlassen zur Lasst gelegt werden kann. Ein Unterlassen ist jedoch nur tatbestandsmäßig, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln bestand (PWW/Schaub, § 823 Rn. 5). Dann müsste B zunächst eine Verkehrssicherungspflicht gehabt haben (Vgl. PWW/Schaub, § 823 Rn. 2). Dies ist eine Pflicht zur Vermeidung von Gefahren, die einer Sache oder einem sozialen Bereich immanent sind (PWW/Schaub, § 823 Rn. 2).
Hier ist jedoch zu beachten, dass B ohne greifbaren Anhaltspunkt nicht verpflichtet war, das von ihm bearbeitete Feld auf Gegenstände zu untersuchen, die den Grashäcksler des K hätten beschädigen können. Es wurde auch nicht vorgetragen, dass der B Veranlassung gehabt hätte, von einer besonderen Gefährdungslage auszugehen. Mithin hat B keine Verkehrssicherungspflicht verletzt.
Daher ist keine Verletzungshandlung des B gegeben.
III. Ergebnis
K hat gegen B keinen Schadensersatzanspruch i.H.v. 26.137 € gemäß § 823 Abs. 1 BGB.
Anmerkung: Zur Vertiefung der Problematik kann auf die Entscheidungsbesprechung in NJW-Spezial (2015, 297) verwiesen werden. Allgemein zu den Voraussetzungen und Problemen des Tatbestandsmerkmals „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ siehe Ernst (SVR 2011, 241 [beck-online]).
Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie auch in unseren ExO`s und im GuKO ZR. Eine Leseprobe aus unserem Skript finden Sie hier: http://www.juracademy.de/web/skript.php?id=37341.