M und F sind miteinander verheiratet und leben in einer gemeinsamen Wohnung. M schließt Mitte 2008 einen Stromlieferungsvertrag mit dem Stromversorger V. Ende 2009 trenneen sich M und F und F zieht ein halbes Jahr später aus der ehelichen Wohnung aus. V kündigt den Stromlieferungsvertrag einige Monate später wegen Zahlungsrückstandes und stellte eine Rechnung über die bisher erbrachten Leistungen aus, die sie sowohl M als auch F zukommen lässt. F begleicht die Rechnung bis auf den Betrag, der auf Leistungen entfällt, die V NACH ihrem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung erbracht hat. Hat V auch einen Anspruch auf Zahlung der ausstehenden Kosten gegen F?
Ein Anspruch auf Zahlung der ausstehenden Kosten könnte sich aus §§ 433 Abs. 2, 453 Abs. 1 iVm § 1357 Abs. 1 S. 2, HS. 2, Alt.2 BGB ergeben. V und M haben einen Kaufvertrag über die Lieferung von Strom geschlossen, §§ 433, 453 Abs. 1 BGB. Ein Zahlungsanspruch der V gegen M ist demnach entstanden. Fraglich ist jedoch, ob auch F für diese Verbindlichkeit haftet. Eine Haftung könnte sich aus § 1357 Abs. 1 BGB ergeben. Dazu müssten M und F verheiratet sein, es müsste sich um ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs handeln und die Haftung dürfte nicht gemäß § 1357 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sein. Bei Abschluss des Vertrages bestand zwischen M und F eine wirksame Ehe. Ob der Stromlieferungsvertrag zum Lebensbedarf der Familie gehört, richtet sich nach den Unterhaltsbedürfnissen der Familie, vgl. §§ 1360, 1360a BGB. Dazu gehören jedenfalls alle Geschäfte, die nach den Verhältnissen der Ehegatten zur Haushaltsführung und Befriedigung ihrer Bedürfnisse gehören. Die Versorgung eines Haushaltes mit Strom ist elementar, um eine Reihe der im Haushalt erforderlichen Tätigkeiten durchzuführen. Der Stromlieferungsvertrag stellt demnach ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs dar. Weiterhin müsste das Geschäft angemessen sein. Angemessen sind nur solche Geschäfte, die gemessen an der für einen Dritten erkennbaren Lebensführung üblicherweise selbstständig und ohne Rücksprache mit dem anderen Ehegatten erledigt werden. Wie bereits oben ausgeführt ist die Versorgung mit Strom notwendig für eine ordnungsgemäße Haushaltsführung. Auch sind die aus dem Abschluss eines Stromlieferungsvertrages resultierenden Verpflichtungen nicht so groß, dass mit einer vorherigen Absprache der Ehegatten über den Vertragsschluss zu rechnen wäre. Es handelt sich demnach um ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs. Die Voraussetzungen des § 1357 Abs. 1 BGB sind damit erfüllt. Grundsätzlich wird F durch den von M abgeschlossenen Vertrag mitverplichtet.
Eine Mitverpflichtung hinsichtlich der noch ausstehenden Raten könnte jedoch nach § 1357 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sein. Danach ist die Mithaftung des anderen Ehegatten ausgeschlossen, wenn die Ehegatten getrennt leben. M und F haben allerdings zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht getrennt gelebt. In Betracht käme jedoch, § 1357 Abs. 3 BGB dahingehend auszulegen, dass eine Mitverpflichtung des Ehegatten aus einer von dem anderen Ehegatten vor der Trennung abgeschlossenen Vertrages mit dem Zeitpunkt der Trennung oder alternativ mit dem Auszug aus der Ehewohnung endet. Diese Auslegung des § 1357 Abs. 3 BGB wird jedoch vom BGH abgelehnt: § 1357 Abs. 3 BGB schließe seinem Wortlaut nach die Mithaftung des nicht vertragsschließenden Ehegatten nur aus, sofern es sich um den Abschluss einen neuen Bedarfsdeckungsgeschäfts in der Trennungszeit handele. Bei dem Versorgungsvertrag über die Lieferung von Strom handele es sich jedoch um ein echtes Dauerschuldverhältnis; für die Begründung der daraus resultierenden Forderungen komme es allein auf den Abschluss des Dauerschuldvertrages und nicht auf die daraus hervorgehenden Einzelverbindlichkeiten an. In Betracht zu ziehen wäre weiterhin noch eine analoge Anwendung des § 1357 Abs. 3 BGB auf die Fälle von Dauerschuldverhältnissen, in denen sich die Ehegatten in der Zwischenzeit trennen. Eine Analogie erfordert eine planwidrige Regelungslücke sowie eine vergleichbare Interessenlage. Der BGH verneint hier bereits die Regelungslücke: Das Problem sei insofern geläufig, als dass es sich bei allen Bedarfsdeckungsgeschäften stelle, in denen zwischen Vertragsschluss und Leistungserbringung ein Fall des Getrenntlebens eintritt. Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung lasse darauf schließen, dass der Gesetzgeber eine automatische, nur an den Tatbestand des Getrenntlebens knüpfende Enthaftung des zuvor wirksam mitverpflichteten Ehegatten nicht gewollt habe.
Ein Ausschluss nach § 1357 Abs. 3 BGB liegt demnach nicht vor. V hat einen Anspruch auf Zahlung gegen F aus §§ 433 Abs. 2, 453 Abs. 1 IVm § 1357 Abs. 1 S. 2, HS. 2, Alt. 2 BGB.
Mehr über (den examensrelevanten Bereich) des ehelichen Güterrechts ist in unserem GuKO IX und dem entsprechenden ExO zu finden. Einen Einblick in das Probeskript gibt es hier.