Der BGH (Urteil v. 27.04.2016, 4 StR 592/16) musste sich mit folgendem Sachverhalt befassen:
A und S beschlossen, nachts einen Taxifahrer um sein Geld zu bringen. Zu diesem Zweck stieg A auf dem Beifahrersitz und S auf der Rückbank hinter T ein. Nachdem T auftragsgemäß beide zu einer Spielhalle in einer menschenleeren Straße gefahren und sein Taxi, allerdings ohne Ziehen der Handbremse, angehalten hatte, packte A ihn von hinten und zog seinen Kopf zu sich während S ihm ein Messer an den Hals hielt und die Herausgabe der Geldbörse verlangte. T weigerte sich und konnte, als drei Personen aus der Spielhalle traten, sich aus dem Griff des S befreien und das Taxi verlassen. Aufgrund des Gerangels begann der Wagen zu rollen. A und S erkannten, dass sie die Tat nicht würden fortsetzen können und flohen.
In einem solchen Fall würde es sich in einer Klausur empfehlen, nicht direkt mit § 316a StGB zu beginnen, da dann im subjektiven Tatbestand ausführlich die Raub- oder Erpresssungsabsicht geprüft werden müsste. Sinnvoller ist es, mit Raub oder räuberischer Erpressung zu beginnen und bei dieser Prüfung dann auch den „Klassiker“ der Abgrenzung beider Taten zueinander zu diskutieren. Vorliegend kommt nur Versuch in Betracht, da die Täter ohne die Geldbörse flohen. Aufgrund der offensichtlich nicht eingetretenen Vollendung sollten Sie auch direkt mit der Prüfung des Versuchs beginnen.
Nun würde sich in einer Klausur nun die Frage stellen, mit welcher Norm man beginnt: §§ 249, 22 StGB oder §§ 253, 255, 22 StGB?
Nach der Vorstellung der Täter sollte die Geldbörse den Tätern durch das Opfer übergeben werden, was dazu führen würde, dass der BGH direkt in die §§ 253, 255, 22 StGB einsteigen würde, da er die Normen nach dem äußeren Erscheinungsbild auf Konkurrenzebene abgrenzt. Auch die Lit. würde mit der Norm starten, die dann am Ende auch verwirklicht wäre, was tatbestandlich davon abhängt, ob nach der Vorstellung der Täter das Opfer über die Geldbörse verfügt hätte. Da er keine Hüterstellung zur Sache gehabt hätte und mit dem Messer ein lebensbedrohendes Mittel eingesetzt werden sollte, erscheint fraglich, ob sich die Täter eine „freiwillige“ Vermögensverfügung vorgestellt haben. Dass das Opfer tatsächlich wehrhaft war und glaubte, er hätte eine Möglichkeit, den Gewahrsamsverlust zu verhindern, sagt nichts über die Vorstellung der beiden Täter aus. Hier dürfte im Ergebnis sicherlich beides (Vermögensverfügung +/-) vertretbar sein. Sofern man davon ausgehen wollte, auch nach der Vorstellung der Täter wäre die Mitwirkungshandlung des Opfers eine Vermögensverfügung gewesen, empfiehlt es sich, mit §§ 253, 255, 22 StGB zu beginnen und diese zu bejahen.
Eine versuchte räuberische Erpressung kann damit bejaht werden. Aufgrund des Umstands, dass beide glaubten, den Erfolg nicht mehr herbeiführen zu können, kommt auch durch die Flucht kein Rücktritt in Betracht. Es liegt ein fehlgeschlagener Versuch vor, der nicht rücktrittsfähig ist. Der Versuch ist auch qualifiziert gem. § 250 II Nr. 1 StGB.
Einen Gedanken sollten Sie auch auf die Prüfung des § 239a StGB verwenden. Beide Täter haben T nach dem Anhalten des Taxis in ihre Gewalt gebracht. Zudem hatten sie eine Erpresssungsabsicht. Allerdings wollten die Täter das Bemächtigen nicht „Ausnutzen“. Da das Nötigungsmittel der Erpressung zugleich auch das Bemächtigungsmittel des § 239a StGB ist, fehlt die stabile Bemächtigungslage, die erforderlich für eine Restriktion des § 239a StGB ist.
Kommen wir damit nun endlich zum § 316a StGB. Zunächst wäre zu prüfen, ob T ein geeignetes Tatobjekt ist. Das ist der Fall, wenn er Kraftfahrzeugführer ist. Nach gängiger Definition ist „Führer eines Kraftfahrzeuges …., wer das Fahrzeug in Bewegung zu setzen beginnt, es in Bewegung hält oder allgemein mit dem Betrieb des Fahrzeugs oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist.“ (BGH a.a.O.) Nun stand das Fahrzeug des T allerdings, als A und S ihren Angriff auf seine körperliche Integrität starteten. In den Fällen des Anhaltens wird in der Regel zwischen einem verkehrsbedingten Anhalten (z.B. vor einer roten Ampel) und einem nichtverkehrsbedingten Anhalten unterschieden. Bei ersterem liegt unproblematisch die Kraftfahrzeugführereigenschaft noch vor. Allerdings kann auch bei einem nicht verkehrsbedingten Halten selbige im Einzelfall noch bejaht werden. Dazu führt der BGH aber folgendes aus:
„Bringt ein Kraftfahrer sein Fahrzeug nicht verkehrsbedingt zum Stehen, bleibt er solange Führer des Kraftfahrzeugs, wie er sich noch im Fahrzeug aufhält und mit dessen Betrieb oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist. Dies ist regelmäßig erst dann nicht mehr der Fall, wenn er sein Fahrzeug zum Halten gebracht und den Motor ausgestellt hat“
Im vorliegenden Fall spricht der Umstand, dass T die Handbremse nicht zog und das Taxi später zu rollen begann, dafür, dass T das Taxi mit dem Fuß abbremste und somit noch mit dem Betrieb des Taxis beschäftigt, ergo also auch noch Kraftfahrzeugführer war.
Nun muss aber noch die Frage geklärt werden, ob der Angriff auf die körperliche Integrität „unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs“ geschah. Dazu der BGH wie folgt:
„Die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs werden ausgenutzt, wenn der Fahrzeugführer im Zeitpunkt des Angriffs noch in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er gerade deshalb leichter zu einem Angriffsobjekt eines Überfalls werden ….Dies kann auch bei einem nicht verkehrsbedingten Halt der Fall sein, wenn verkehrsspezifische Umstände vorliegen, die zu einer Beeinträchtigung der Abwehrmöglichkeiten des angegriffenen Fahrzeugführers geführt haben“
Ob hierzu allein der Umstand ausreicht, dass T evtl. das Fahrzeug noch mit dem Fuß abbremsen musste, ist in Anbetracht des hohen Strafrahmens des § 316a StGB fraglich. Sofern keine weiteren Anhaltspunkte genannt sind (laufender Motor, Automatikgetriebe im Dauerbetrieb etc) kann dieses Tatbestandsmerkmal auch abgelehnt werden.
Da das Landgericht sich gar nicht mit § 316a StGB auseinandergesetzt und dementsprechend auch nicht alle erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen getroffen hatte, hat der BGH das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.
Abschließend sei angemerkt, dass natürlich noch eine gemeinschaftlich begangene Körperverletzung gem. §§ 223, 224 I Nr. 4 StGB in Betracht kommt durch das Ziehen des Kopfes nach hinten.