Ein Orthopäde schließt einen Mietvertrag in einer „Praxisklinik“, also einem Gebäudekomplex in dem mehrere Facharztpraxen ansässig sind. In den Mietvertrag wird eine Bestimmung aufgenommen, die das Tätigkeitsfeld des Orthopäden beschreibt. Es wird eine weitere Klausel aufgenommen, die es dem Vermietenden verbieten soll, weitere Räume in der „Klinik“, an konkurrierende Fachärzte zu vermieten. Einige Zeit nach Vertragsschluss, werden dennoch Räume an eine Ärztegemeinschaft – mit teilweise überschneidendem Tätigkeitsfeld – vermietet. Eine weitere Zeit später, erklärt der klagende Orthopäde, ggü. dem Vermieter, die Mietpreisminderung und gibt an, künftig den Mietzins nur noch unter Vorbehalt zu zahlen. Er klagt schließlich auf Feststellung, dass der Mietzins wirksam gemindert sein und weiter: auf Rückzahlung der unter Vorbehalt vermeintlich zu viel gezahlten Miete.
Die Voraussetzungen der Minderung sind in § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelt. Danach hat der Mieter, in der Zeit in der die Tauglichkeit der Mietsache gemindert ist, nur einen geminderten Mietzins zu entrichten. Diese Minderung tritt ipso iure ein, ist also anders als im Kaufrecht, kein Gestaltungsrecht (was nichts an der Obliegenheit des Mieters ändert, den Mangel anzuzeigen, vgl. §536c Abs. 2 Satz 2 BGB), setzt aber einen Mangel voraus. Der Mangel bestimmt sich im Mietrecht (ähnlich dem Kaufrecht), in erster Linie nach der vertragsmäßigen Brauchbarkeit. Der BGH definiert den (Sach-)Mangel im Mietrecht wie folgt:
„Ein Mangel i. S. des § 536 I BGB ist die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache von dem vertraglich vereinbarten (st. Rspr.; Senat, NJW 2009, 664 [666] = NZM 2009, 124 m. w. Nachw.). Zu dem vertraglich vereinbarten Zustand der Mietsache gehören über deren physische Beschaffenheit hinaus auch die tatsächlichen Zustände und rechtlichen Verhältnisse, die mit der Mietsache zusammenhängen und ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen. Dazu gehören auch Störungen, die außerhalb der Mietsache liegen. Um eine Ausuferung des Fehlerbegriffs zu vermeiden, führen solche außerhalb der Mietsache selbst liegenden Umstände allerdings nur dann zu einem Mangel der Mietsache, wenn sie deren Gebrauchstauglichkeit unmittelbar beeinträchtigen.“ Siehe: BGH NJW 2013, 44, 45 Rn. 30.
Im Schrifttum wird teilweise vertreten, dass es sich bei Konkurrenzsituationen, nicht um originäre Leistungspflichten des Vermieters handele, sondern um leistungsbezogene Treuepflichten. Diese leiteten sich aus § 242 BGB ab und seien als vertragliche Nebenpflichten zu qualifizieren. Siehe etwa: Leo, Ghassemi-Tabar, NZM 2009, 337, 442ff.
Der BGH folgt dieser systematischen Überlegung nicht, sondern sumbsumiert (stoisch) unter seine oben aufgestellte Definition. Die Folge ist, dass in der Konkurrenzzeit dann eine geminderte Miete geschuldet wird, wenn die Tauglichkeitsminderung nicht unerheblich ist. Entscheidend sei schließlich, dass die Parteien den Konkurrenzschutz zur bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit erkoren hätten (interessant im obiter dictum: das gilt übrigens auch für nicht ausdrücklich vereinbarten Konkurrenzschutz, sog. vertragsimmanenten Konkurrenzschutz).
Zu beachten sind noch die weiteren Auswirkungen des Streites: wird nämlich die vertragswidrige Konkurrenz nicht als Sachmangel, sondern Nebenpflichtverstoß qualifiziert, müsste der Mieter (um seine Mietschuld durch Aufrechnung zu mindern) einen Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs.1 BGB haben. Dafür müsste er einen tatsächlich eingetretenen Schaden beweisen, was in der Praxis erheblich schwieriger sein dürfte, als eine „mehr-als-unerhebliche“ Beeinträchtigung der Tauglichkeit nachzuweisen.
Examenskandidaten kann empfohlen werden, sich mit der BGH Rechtsprechung zu Mietmängeln eingehender auseinanderzusetzen: Die obige Definition lässt mit seiner „Unmittelbarkeit“ einen erheblichen Wertungsspielraum, sodass hier hilfreich sein kann, zumindest die Grundlinien der höchstrichterlichen Fallgruppen zu kennen.
Wer mehr erfahren will über Mietrecht, Konkurrenzschutz und die daraus resultierenden Schwierigkeiten, der sei auf unseren GuKO ZR III, sowie unsere ExOs verwiesen. Wer sich fragt, warum der Kläger im vorliegenden Fall eine Feststellungs- und keine Leistungsklage erhoben hat, dem kann unser GuKO ZR X oder wiederum ein ExO weiterhelfen.