Der Entscheidung des BGH (5 StR 66/03 - abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der an einer aufsteigenden Muskellähmung erkrankte O, der nur noch Mund und Zunge bewegen konnte, hatte den Entschluss, sterben zu wollen, gefasst. Da er diesen Entschluss nicht selber umsetzen konnte, wandte er sich an den gutgläubigen und naiven Krankenpfleger K, der ihm dabei - ohne es zu wissen - behilflich sein sollte. Er erklärte K, dass er eine masochistisch geprägte sexuelle Phantasie habe, wonach K ihn ausgezogen und in zwei Müllsäcke verpackt, bei winterlichen Temperaturen um Null Grad in einen Müllcontainer legen sollte. Zusätzlich sollte er O, der zur Atemunterstützung an ein Beatmungsgerät angeschlossen war, den Mund mit einem Klebeband zukleben, in welches nur ein kleines Loch geschnitten werden sollte. Auf Nachfragen des K versicherte O, dies schon öfter gemacht zu haben. Außerdem sei seine Bergung aus dem Container am Nachmittag durch einen Freund sicher. K ging daraufhin wie von O gewünscht vor. Entgegen der Zusage des O wurde dieser aber nicht aus dem Container geholt sondern verstarb dort infolge entweder Unterkühlung oder aber Luftmangels.
Die Jugendkammer des LG Hamburg hatte K frei gesprochen. In der Entscheidung des BGH ist zu den Entscheidungsgründen des LG folgendes zu lesen:
"Das zu Tode führende Geschehen sei wegen der gemeinschaftlichen Tatherrschaft des Angeklagten und des Opfers nicht mehr als Beteiligung an einer Selbstgefährdung, sondern als einverständliche Fremdgefährdung zu werten. Die Gefährdung sei ausschließlich von dem Angeklagten, wenn auch auf alleinige Veranlassung des Geschädigten, ausgegangen, der sich dieser im Ergebnis lediglich ausgesetzt habe. Allerdings ergebe eine wertende Betrachtungaller Umstände, daß die einverständliche Fremdgefährdung entsprechend der Auffassung von Roxin (NStZ 1984, 411, 412) „unter allen relevanten Aspekten“ einer Selbstgefährdung gleichstehe. Dafür spreche die umfassende und sorgsame Planung des Geschehens durch das Opfer, die besondere, von Überforderung, Naivität, Vertrauensseligkeit und unzureichender Vorbereitung geprägte Situation des Angeklagten und dessen vorherrschendes Bestreben, alle Wünsche des Schwerstbehinderten zu erfüllen. Der Angeklagte sei letztendlich dazu benutzt worden, den Selbsttötungsplan zu verwirklichen, ohne darüber informiert gewesen zu sein. Damit sei die Zurechnung des Handelns des Angeklagten zum objektiven Tatbestand ausgeschlossen."
Der BGH hat diesen Freispruch aufgehoben und führt folgendes aus:
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist als Folge des Grundsatzes der Selbstverantwortung des sich selbst eigenverantwortlich gefährdenden Tatopfers anerkannt, daß gewollte und verwirklichte Selbstgefährdungen nicht dem Tatbestand eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts unterfallen, wenn das mit der Gefährlichkeit bewußt eingegangene Risiko sich realisiert. Wer lediglich eine solche Selbstgefährdung veranlaßt, ermöglicht oder fördert, macht sich nicht wegen eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts strafbar.... Maßgebendes Kriterium zur Abgrenzung strafloser Selbstgefährdung ist in diesen Fällen somit – wie auch bei
der Anwendung des § 216 StGB anerkannt – der Sache nach die Trennungslinie zwischen Täterschaft und Teilnahme...Diese Grundsätze sind auch bei dem hier vorliegenden Fall eines vom Angeklagten verursachten Tötungserfolges bei eigenverantwortlicher Planung und Durchführung nach den Wünschen des sich selbst Gefährdenden zugrundezulegen. Danach ist in wertender Betrachtung zu entscheiden, ob der Angeklagte im Vollzug des Gesamtplans des zum Tode führenden Geschehens über die Gefährdungsherrschaft verfügte oder als Werkzeug des Suizidenten handelte ... Letzteres wäre angesichts der eigenhändigen Ausführung der Gefährdungshandlungen durch den Angeklagten nur anzunehmen, falls der Lebensmüde den Angeklagten über das zum Tode führende Geschehen getäuscht und ihn mit Hilfe des hervorgerufenen Irrtums zum Werkzeug gegen sich selbst gemacht hätte (vgl. BGHSt 32, 38, 41 zur spiegelbildlichen Situation einer Täuschung des
sich selbst Tötenden "SiriusFall"..). So liegt es hier aber nicht. Der Angeklagte wurde über die konkreten Umstände der von ihm allein verursachten extremen Gefährdung nicht getäuscht. Zwar hatte der Suizident erklärt, er habe solches Tun schon öfter veranlaßt. Diese Äußerung begründete aber keinen Irrtum des Angeklagten hinsichtlich der konkreten Tatumstände. Der Angeklagte hat seine Gefährdungshandlungen bewußt vorgenommen und dabei in extremer Weise im Widerspruch zu jedem medizinischen Alltagswissen gehandelt, indem er die wesentlich reduzierten Atmungsmöglichkeiten weiter verringerte und das spätere Opfer lediglich mit Plastik eingekleidet gefährlicher Kälte preisgab. Auch die Vorspiegelung des Lebensmüden, von einem (unbekannten) Dritten am Nachmittag gerettet zu werden, begründet keinen die Tatherrschaft des Angeklagten in Frage stellenden Irrtum. Die darin enthaltene Aussicht, es werde alles gut gehen, beseitigt nicht das Bewußtsein von den über Stunden wirksam werdenden Gefährdungen, zu denen der fehlende Einsatz des Beatmungsgeräts und die naheliegende Gefahr einer weiteren Verringerung der Atmungskapazität durch einen auf die Brust des Lebensmüden auftreffenden Müllsack zu zählen waren, auch vor dem Hintergrund eines bewußt herbeigeführten verringerten Entdeckungsrisikos....Der Senat verkennt nicht, daß die bestehende Rechtslage es einem vollständig bewegungsunfähigen, aber bewußtseinsklaren moribunden Schwerstbehinderten – wie hier – weitgehend verwehrt, ohne strafrechtliche Verstrickung Dritter aus dem Leben zu scheiden, und für ihn dadurch das Lebensrecht zur schwer erträglichen Lebenspflicht werden kann. Dieser Umstand kann aber nicht ein auch in Art. 1 Abs. 1 GG angelegtes Recht auf ein Sterben unter menschenwürdigen Bedingungen begründen (vgl. BGHSt aaO, 285; BGHSt 42, 301, 305). Die dafür erforderlichen Voraussetzungen einer indirekten Sterbehilfe...sind vorliegend nicht gegeben. Ein verfassungsrechtlich verbürgter Anspruch auf aktive Sterbehilfe, der eine Straflosigkeit des die Tötung Ausführenden zur Folge haben könnte, ist dagegen nicht anerkannt (vgl. BVerfGE 76, 248, 252; Tröndle/Fischer aaO Rdn. 17 m. w. N.)."
Der BGH hat den Fall damit zur erneuten Verhandlung zurück verwiesen an das LG Hamburg. In Betracht kommen sowohl die §§ 223, 227 StGB als auch bei Verneinung eines Körperverletzungsvorsatzes § 222 StGB.
Nähere Ausführungen dazu finden Sie in useren ExO`s sowie im GuKO SR II. Einen Auszug aus dem Skript finden Sie unter http://www.juracademy.de/web/topic.php?id=12533.