Am 4.6.2012 führte der "Spiegel" an der Universität Kassel eine öffentliche Podiumsveranstaltung durch. U.a wurde dabei der Künstler Meese interviewt. Während des Interviews, bei dem Meese u.a die "Diktatur der Kunst" erwähnte, ein Bild, das er zuvor bereits häufig verwendete, führte er zwei mal kurz hintereinander den sog. "Hitler-Gruß" durch indem er seinen rechten Arm nach oben hob. "Seit 1945 ist doch nichts auf diesem Planeten passiert, keine gute Literatur, nichts. Alles völlig verwässert, alles Weichsspülprogramm." war in diesem Zusammenhang eine Äußerung von Meese. Er stellte das nach der Diskussion eine Bild der Veranstaltung auf seine Homepage, das ihn zeigt, wie er den Hitler-Gruß ausübt. Unterschrieben war das Bild mit der Zeile "Propagandagespräch". Gegen Meese wurde ein Strafbefehlsantrag gestellt.
Die entscheidende Frage war, ob das Verhalten den Straftatbestand von § 86 a StGB oder § 130 IV StGB erfüllt hat. Danach ist die Nutzung verfassungsfeindlicher Kennzeichen und Symbole oder die Billigung oder die Verherrlichung der nationasozialistischen Gewaltherrschaft strafbewehrt. Diesbezüglich stellt das Gericht klar, dass der Hitler-Gruß ein Kennzeichen von § 86 a I Nr. 1 StGB ist. Das Zeigen des Hitler-Grußes erfüllt somit den objektiven Tatbestand der Strafrechtsnorm. Die inhaltliche Motivation des Täters ist dabei zunächst nicht von Bedeutung.
Wörtlich heißt es:
"§ 86 a StGB erüllt als abstraktes Gefährdungsdelikt weder die inhaltliche Zustimmung eines Täters zu dem verwendeteten Kennzeichen noch eine konkrete Gefahr oder gar den Eintritt einer identifizierenden Wirkung der Verwendung des Kennzeichens."
Das Gericht stellt aber im Weiteren die Frage, ob die angeklagte Handlung dem Schutzzweck der Norm zu wider läuft. Dies nutzt das Gericht dafür, die Wertungen der grundgesetzlichen Kunstfreiheit zu berücksichtigen. Dem offenen Kunstbegriff folgend führt das Gericht aus:
"Bei der vom Angeklagten während der Veranstaltung gezeigten Performance handelt es sich um Kunst iSd Art. 5 Abs. 3 GG. Seiner Darstellung kann eine Vielzahl an Interpretationen entnommen werden. Nach der von der Rechtsprechung vertrenen "offenen Kunstbegriff" besteht "das kennzeichende Merkmal einer künstlerischen Äußerung darin..., dass es wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts möglich ist, die Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiter reichende Bedeutungen zu entnehmen, so dass sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt."
Insgesamt wertet das Gericht die Äußerungen als satirische Kunstperformance.
Schließlich führt das Gericht noch aus:
"Der Angeklagte hat weder den demokratischen Rechtsstaat noch den öffentlichen Frieden gefährdet. Der Angeklagte hat bei der Veranstaltung für einen objektiven Beobachter nicht den Eindruck einer Identifikation mit den Zielen des Nationalsozialismus geweckt. Er hat vielmehr mehrmals betont, jegliche Ideologie abzulehnen und hat sich für die "Diktatur der Kunst" eingesetzt. (...) Der Angeklagte wollte den Hitlergruß bewusst enttabuisieren, um zu einer inhaltlichen Auseinadersetzung zu gelangen. Vor diesem Hintergrund ist das Zeigen des Hitlergrußes durch den Angeklagten nicht strafbar."