Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Schadensersatz und Rückzahlung des Kaufpreises, nachdem sie den Rücktritt vom Kaufvertrag über eine Werkzeugmaschine erklärt hat.
Die Klägerin bearbeitet Metallwerkstücke, die Beklagte handelt mit Werkzeugmaschinen. Ende April/Anfang Mai 2009 trat die Klägerin wegen des Erwerbs einer CNC-Zyklendrehmaschine an die Beklagte heran. Diese unterbreitete der Klägerin am 6. Mai 2009 ein Angebot. Die Klägerin besichtigte die Maschine am 25. Mai 2009 und legte dabei die Zeichnung eines zu bearbeitenden Werkstücks vor.
Die anschließende telefonische Bestellung der Klägerin wurde von der Beklagten mit "Auftragsbestätigung" vom 28. Mai 2009 bestätigt. In diesem Schreiben heißt es eingangs: "Wir liefern Ihnen 1 Stück fabrikneue Flachbett-CNC Zyklendrehmaschine […]. Im Zustand wie in unserem Lager in St. vorhanden und von Ihnen am 25.05.2009 besichtigt. Technische Daten wie in unserem Angebot vom 6.05.2009. Inkl. folgendem Zubehör: […]."
An späterer Stelle findet sich in der "Auftragsbestätigung" unter dem Stichwort "Garantie" folgender Passus: "12 Monate auf die Maschine und 24 Monate auf die S. CNC Steuerung …" Die Klägerin reichte die "Auftragsbestätigung" nach Gegenzeichnung an die Beklagte zurück. Die Klägerin hat den Kaufpreis bezahlt.
Die Maschine wurde am 4. Juni 2009 an die Klägerin ausgeliefert. Die Mitarbeiter der Klägerin wurden in die Benutzung eingewiesen. In der Folgezeit beanstandete die Klägerin, dass die Maschine Werkstücke entsprechend der von ihr bei der Besichtigung vorgelegten Zeichnung nicht zufriedenstellend bearbeiten könne und deshalb den vorgesehenen Zweck der Serienproduktion von Achsen nicht erfülle.
Eine Überprüfung ergab, dass die Maschine von Beginn an Werkstücke nicht ordnungsgemäß bearbeiten konnte.
Von der Beklagten mehrmalig vorgenommene Nachbesserungsarbeiten führten nicht zu dem von der Klägerin gewünschten Erfolg.
Die Beklagte wies eine Verantwortung für die von der Klägerin beanstandete raue (schlechte) Oberfläche der bearbeiteten Werkstücke zurück.
Die Klägerin erklärte sodann den Rücktritt.
Hat die Klägerin einen Anspruch auf Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises?
Lösung:
I. Anspruch der Klägerin aus § 346 Abs. 1
1. Gegenseitiger Vertrag
Ein gegenseitiger Vertrag wurde in Form des Kaufvertrags gemäß § 433 geschlossen.
2. Mangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs
Fraglich ist, ob ein Mangel vorlag.
Zunächst könnte ein Mangel im Sinne des § 433 Abs. 1 Satz 1 gesehen werden.
Eine Beschaffenheitsvereinbarung kann sowohl ausdrücklich wie auch konkludent vereinbart werden.
Eine ausdrückliche Vereinbarung lag nicht vor. Die Parteien haben nicht ausdrücklich darüber gesprochen, ob die Maschine bestimmte Werkstücke fertigen kann.
Fraglich ist, ob eine konkludente Vereinbarung in der Vorlage der Zeichnung der später zu bearbeitenden Werkstücks gesehen werden kann. Allein in der Vorlage des Werkstücks kann jedoch keine Vereinbarung liegen. Hierfür wäre notwendig, dass der Verkäufer sich zu dem vorgelegten Dokument äußert. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Aus diesem Grund ist eine dahingehende Vereinbarung zwischen den Parteien nicht ersichtlich. Vorliegend war auch kein Fall des rechtserheblichen Schweigens ersichtlich.
Fraglich ist, ob ein Mangel gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nummer 1 angenommen werden kann. Dies ist aus denselben Gründen wie bei der Beschaffenheitsvereinbarung abzulehnen.
Fraglich ist, ob ein Mangel auf § 434 Abs. 1 Satz 2 Nummer 2 gestützt werden kann. Üblicherweise muss eine solche Maschine zum Herstellen von Werkstücken geeignet sein.
Ein Mangel lag damit in diesem Sinne vor.
Der Mangel lag zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vor, da die Maschine von Anfang an nicht in der Lage gewesen ist Werkstücke ordnungsgemäß zu bearbeiten.
3. Fristsetzung
Fraglich ist, ob vor dem Rücktritt eine Frist gesetzt werden musste. Es ergibt sich aus dem Sachverhalt nicht, ob die Nacherfüllung unmöglich gewesen wäre. Der Rücktrittsgrund folgt daher nicht aus § 326 Abs. 5.
Die Frist könnte jedoch gemäß § 440 Satz 1 Alt. 2 entbehrlich sein. Laut Sachverhalt sind mehrere Reparaturversuche erfolglos geblieben. Mithin ist die Nacherfüllung fehlgeschlagen. Die Frist war daher entbehrlich.
4. Ausschluss des Rücktritts wegen wirksam Haftungsausschlusses
Fraglich ist, ob der Rücktritt daher ausgeschlossen ist, da die Parteien einen Haftungsausschluss vereinbart haben.
Ein solcher Ausschluss könnte in der Klausel „wir liefern wie von ihnen (…) besichtigt“ gesehen werden.
Expertentipp
Läge eine Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Absatz 1 Satz 1 vor, so wäre der Haftungsausschluss bereits deswegen insoweit unwirksam, als die Maschine keine Werkstücke fertigen kann, wie mit dem Käufer vereinbart. Es wäre widersprüchlich, wenn der Verkäufer auf der einen Seite eine Beschaffenheit vereinbaren würde und auf der anderen Seite eine Haftung für das Nichtbestehen dieser Beschaffenheit zeitgleich ausschließen wollte.
a. Haftungsausschluss oder Waren beschreibender Hinweis?
Fraglich ist, ob überhaupt ein Haftungsausschluss vorliegt. Neben der Wendung „wir liefern wie von ihnen (…) besichtigt“, findet sich in der Auftragsbestätigung ein Abschnitt der mit dem Wortlaut „Garantie“ überschrieben ist.
Die Wendung in der "Auftragsbestätigung" - „wir liefern wie von ihnen besichtigt“ - kann angesichts der an späterer Stelle in eine gegenläufige Richtung weisenden Garantie der Beklagten nach dem insoweit maßgeblichen Empfängerhorizont der Klägerin nur schwerlich als ein Gewährleistungsausschluss verstanden werden. Es liegt näher hierin nur einen Waren beschreibenden Hinweis auf den im Zuge der Besichtigung konkretisierten und damit ausgesonderten Liefergegenstand (vgl. § 243 Abs. 2 BGB) zu sehen.
Dies kann i.E. jedoch offen bleiben, wenn der vermeintliche Gewährleistungsausschluss den in Streit stehenden Mangel aus anderen Gründen nicht erfasst.
b. Reichweite des Haftungsausschlusses?
Fraglich ist welche Reichweite der Haftungsausschluss aufweist. Die Reichweite eines Haftungsausschlusses ist gemäß § § 133,157 im Wege der Auslegung zu bestimmen.
Gewährleistungsausschlüsse, die durch die Wendung "wie besichtigt" an eine vorangegangene Besichtigung anknüpfen, beziehen sich in aller Regel nur auf bei der Besichtigung wahrnehmbare, insbesondere sichtbare Mängel der Kaufsache (BGH, Urteile vom 18. Dezember 1956 - VIII ZR 19/56, BB 1957, 238 unter 3; vom 5. April 1979 - VII ZR 308/77, BGHZ 74, 204, 210 mwN). Wird dabei zugleich der Bezug zu einer Besichtigung des Käufers hergestellt, kommt es auf die Wahrnehmbarkeit des Mangels durch ihn und nicht darauf an, ob eine sachkundige Person den Mangel hätte entdecken oder zumindest auf dessen Vorliegen hätte schließen können und müssen.
Vorliegend stehen Mängel im Streit, welche vom Käufer im Rahmen der Besichtigung nicht ohne Weiteres erkennbar waren. Aus diesem Grund ist der Mangel von vornherein nicht vom Gewährleistungsausschluss umfasst.
5. Erklärung und sonstige Voraussetzungen
Der Kläger hat den Rücktritt laut Sachverhalt erklärt (§ 349), vom notwendigen Zugang der Erklärung kann ausgegangen werden. Der Mangel war ferner nicht unerheblich gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2.
6. Rechtsfolge
Dem Kläger steht demnach ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vergütung, Zug um Zug gegen Rückgabe der fehlerhaften Maschine gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 346 I, 348, 320, 322 zu.