Der Entscheidung (BGH NJW 2018, 3598 mit Anm. Hoven sowie JuS 2019, 178 mit Anm. Eisele) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
A gelangte durch ein Loch im Zaun auf das Gelände eines Getränkehändlers. Dort entwendete er bereits zusammengepresste Plastikpfandflaschen sowie einen Kasten mit Glaspfandflaschen. Er beabsichtigte zu diesem Zeitpunkt, die Flaschen nochmals abzugeben und den Pfandbetrag dafür zu erhalten. Insgesamt betrug der Pfandwert 325,00 €.
In Betracht kommt zunächst eine Strafbarkeit gem. § 242 I StGB, indem A die Flaschen vom Gelände des Getränkehändlers entfernte.
Dann müssten die Pfandflaschen fremde bewegliche Sachen sein. Unabhängig davon, ob es sich um Individualflaschen oder aber um Einheitsflaschen handelte, waren diese für den Täter fremd, da sie nicht in dessen Alleineigentum standen und auch nicht herrenlos waren.
Expertentipp
Die Unterscheidung zwischen Einheitsflaschen und Individualflaschen wird für die Zueignungsabsicht relevant, aber noch nicht für die Fremdheit. Die Problematik, um die es nachfolgend gehen wird, sollte also dort dargestellt werden. An dieser Stelle können Sie aber durch den Hinweis auf die unterschiedlichen Flaschentypen schon einmal deutlich machen, dass Sie das Problem kennen.
Durch das Entfernen der Flaschen vom Gelände des Getränkehändlers brach A auch ohne dessen Willen dessen Gewahrsam und begründete neuen, eigenen Gewahrsam.
Der objektive Tatbestand ist damit verwirklicht.
Dies tat A auch vorsätzlich. Problematisch ist nun aber die Zueignungsabsicht, da A vorhatte, die Flaschen wieder an der Kasse abzugeben, um den Pfandbetrag zu erhalten.
Die Zueignungsabsicht setzt sich zusammen aus dem Enteignungsvorsatz und der Aneignungsabsicht. Nach der überwiegend vertretenen Vereinigungstheorie kann sie sich auf die Sache selber oder den in ihr verkörperten Sachwert beziehen.
Bei der Aneignungsabsicht muss es dem Täter mit dolus directus 1. Grades darauf ankommen, sich mit der Sache wenigstens vorübergehend eine Eigentümerähnliche Stellung anzumaßen. Dies ist hier unproblematisch.
Problematisch ist der Enteignungsvorsatz. Hier muss der Täter zumindest mit dolus eventualis den bisherigen Eigentümer aus seiner Position verdrängen wollen und zwar dauerhaft.
Hinweis
Über die Enteignungskomponente wird der strafbare Diebstahl von der grundsätzlich straflosen Gebrauchsanmaßung (Ausn.: § 248b StGB) abgegrenzt.
Fraglich ist, ob eine dauerhaft gewollte Verdrängung angenommen werden kann, wenn der Täter die Sache dem Eigentümer zurückgeben möchte.
An dieser Stelle muss nun zunächst geklärt werden, wer denn überhaupt Eigentümer der Pfandflaschen war.
Dabei ist zu differenzieren zwischen Individualflaschen und Einheitsflaschen.
Individualflaschen sind solche, die mit einer eigenen, dauerhaften Kennzeichnung versehen sind. Zumeist wird hier, wie z.B. bei Coca-Cola, der Markenname als Relief in die Flasche geprägt. Dieses Relief weist sie als Eigentum des Herstellers/Abfüllers aus. Bei diesen Flaschen wird das Eigentum an den Flaschen – anders als am Inhalt – auf den jeweiligen Vertriebsstufen nicht übertragen, es verbleibt beim Hersteller/Abfüller. Schuldrechtlich liegt eine Leihe oder ein atypischer Gebrauchsüberlassungsvertrag vor, wobei das Pfand als Barkaution den Rückgabeanspruch sichern soll (siehe dazu Hellmann JuS 2001, 353).
Einheitsflaschen hingegen werden von unbestimmt vielen Herstellern/Abfüllern verwendet und weisen keine individuellen Merkmale auf. Hier geht das Eigentum auf den jeweiligen Vertriebsstufen auf den nächsten Erwerber über. Der Kunde, der die Flasche kauft, erwirbt also gem. § 929 S. 1 BGB das Eigentum an der Flasche und überträgt es wieder an den Einzelhandel, wenn er die Flasche zurückgibt. Schuldrechtlich wird überwiegend ein Darlehnsvertrag (das Pfand ist ein Sicherungsdarlehn im Sinne einer Barkaution), teilweise ein Kaufvertrag (das Pfand ist der Kaufpreis) angenommen (siehe dazu Hellmann JuS 2001, 353).
Nun könnte man diese Differenzierung dahingestellt sein lassen, wenn man in dem Pfandgeld den in den Sachen verkörperten Wert sieht. Dies hat der BGH aber zurecht abgelehnt:
„Sachwert im Sinne dieser Theorie ist nur der nach Art und Funktion mit der Sache verbundene Wert, während der erzielbare Veräußerungserlös an der Sache vom Begriff des Sachwerts nicht erfasst wird ……Hiervon ausgehend liegt eine Zueignung des Sachwerts nicht vor, wenn der Täter beabsichtigt, das entwendete Pfandgut gegen Entgelt in das Pfandsystem zurückzuführen. Denn das Pfandgeld ist nicht der unmittelbar im Pfandgut verkörperte Wert. Es dient vielmehr lediglich als Anreiz zur Rückgabe der Pfandflaschen und wird erst durch die Verwertung im Pfandsystem erzielt …“
Damit kommt ein Diebstahl nur in Betracht, wenn sich die Zueignungsabsicht auf die Sache selber richtet.
Hier wird die obige Differenzierung nun relevant:
„Bei der Wegnahme von Einheitsflaschen ist Zueignungsabsicht zu bejahen, wenn der Täter bei zutreffender Einschätzung der Eigentumslage in der Absicht handelt, das dem Eigentümer entwendete Pfandleergut gegen Erstattung des Pfandbetrags in das Pfandsystem zurückzugeben. In diesem Fall beabsichtigt er, sich wie ein Eigentümer des Pfandleerguts zu gerieren und die Eigentümerstellung des wahren Eigentümers zu leugnen. Das gilt selbst dann, wenn er das Pfandleergut dem Händler zurückgeben will, dem er es zuvor entwendet hat. Denn die Rückgabe des Pfandleerguts gegen Entgelt an den Eigentümer schließt die Zueignungsabsicht nicht aus, wenn der Täter dessen Eigentumsrecht leugnet und eine eigene Berechtigung vortäuscht …
Bei Wegnahme von Individualflaschen, die in den Vertrieb gelangt sind, aber gleichwohl im Eigentum des Herstellers/Abfüllers verbleiben, kann es sich anders verhalten. Zueignungsabsicht liegt nicht vor, wenn der Täter – was freilich die Ausnahme sein dürfte – die Eigentumslage richtig einschätzt und durch die Rückgabe der Individualflaschen das Eigentumsrecht des Herstellers/Abfüllers deshalb nicht leugnen will, sondern dieses anerkennt … Das ist anzunehmen, wenn der Täter erkennt, dass Eigentümer der entwendeten Individualflaschen der Hersteller/Abfüller geblieben ist, und er ihm das Pfandleergut über das Pfandsystem wieder zukommen lassen möchte. In diesem Fall maßt er sich weder eine eigentümerähnliche Stellung an noch ist sein Vorsatz darauf gerichtet, den Eigentümer dauerhaft zu enteignen.“
Daraus folgt, dass an Einheitsflaschen ein Diebstahl möglich ist, an Individualflaschen hingegen bei objektiver Betrachtung nicht.
Zu beachten ist aber, dass es bei der Zueignungsabsicht nur auf die Vorstellung des Täters ankommt und nicht darauf, ob ein „Zueignungserfolg“ eingetreten ist. Es ist also zu ermitteln, welche Gedanken sich der Täter zu den Eigentumsverhältnissen gemacht hat. Der BGH führt dazu überzeugend aus:
„Geht der Täter – dies dürfte den Regelfall darstellen – indes davon aus, dass das Eigentum auch bei Individualflaschen im Vertriebsweg auf den jeweiligen Erwerber der Getränke übergeht, handelt er – wie bei der Wegnahme von Einheitsflaschen – mit der für einen Diebstahl erforderlichen Zueignungsabsicht. Nach seiner Vorstellung will er auch in diesem Fall den (vermeintlichen) Eigentümer enteignen und beabsichtigt, durch Rückgabe in das Pfandsystem sich selbst an die Stelle des wahren Eigentümers zu setzen. Damit sind sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des Diebstahls erfüllt. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Der Diebstahl ist ein so genanntes erfolgskupiertes Delikt. In objektiver Hinsicht setzt der Tatbestand lediglich die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache voraus. Die Zueignung dieser Sache ist kein Merkmal des objektiven Tatbestands; das Ausbleiben eines Zueignungserfolgs hindert deshalb die Verwirklichung des Tatbestands nicht (sog. überschießende Innentendenz….).
Unerheblich für die Tatbestandsverwirklichung ist daher, dass vom Täter entwendetes und von ihm in das Pfandsystem zurückgeführtes Individualleergut systembedingt wieder an den auf den Flaschen ausgewiesenen Eigentümer zurückgelangt, dieser also objektiv nicht enteignet wird. Ausreichend für eine Tatvollendung ist vielmehr, dass der Täter bei der Wegnahme in der Absicht handelt, über das entwendete Leergut unter Verdrängung des nach seiner Vorstellung wahren Eigentümers selbst wie ein Eigentümer zu verfügen.“
Bei den Plastikflaschen handelte es sich um Einheitsflaschen, die Zueignungsabsicht kann also entsprechend dem soeben ausgeführten bejaht werden. Bei den sich im Kasten befindlichen Glasflaschen hatte das LG nicht geklärt, ob es sich um Einheits- oder um Individualflaschen handelte und welche Vorstellung der Täter diesbezüglich hatte.
Da die erstrebte Zueignung mangels fälligem und einredefreiem Anspruch auch rechtswidrig war, was A wusste und zudem keine Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe in Betracht kommen, hat sich A bezüglich der Einheitsflaschen also jedenfalls gem. § 242 StGB strafbar gemacht.
Hinweis
Hätte A die Flaschen wie geplant an der Kasse bei dem dort tätigen Kassierer abgegeben, dann wäre noch ein Betrug gem. § 263 I StGB zu prüfen. Getäuscht hätte er bei Einheitsflaschen über seine Eigentümerstellung und bei Individualflaschen darüber, dass bzgl. dieser Flaschen der Pfandbetrag noch nicht gezahlt worden sei, ein Anspruch auf Auszahlung des Pfandbetrages also noch bestehe und der Täter zur Geltendmachung der Forderung berechtigt sei.
Die Vermögensverfügung läge in der Auszahlung des Pfandbetrages.
Bzgl. des Schadens ist zu differenzieren: Werden die Einheitsflaschen bei dem Getränkehersteller zurückgegeben, dem sie zuvor entwendet wurden, dann liegt der Schaden darin, dass er als äquivalent kein Eigentum erlangen kann, da er es schon hat. Werden die Einheitsflaschen bei einem anderen Händler zurückgegeben, kann er aufgrund von § 935 I BGB kein Eigentum erwerben. Bei den Individualflaschen kann es nicht um den Eigentumsübergang als Äquivalent gehen, da dieses beim Hersteller/Abfüller verbleibt. Hier erhält der Händler aber grundsätzlich als Äquivalent den Besitz an der Sache. Sofern die Flaschen an den bisherigen Besitzer zurückgegeben werden, zahlt dieser wie zuvor auch den Pfandbetrag für einen Besitz, den er schon hatte. Sofern sie an einen Dritten übergeben werden, erlangt dieser keinen unbelasteten Besitz, da der frühere Besitzer einen Rückgabeanspruch gem. § 1007 II BGB hat. Der Besitz ist also wirtschaftlich nicht äquivalent zum Pfandbetrag.
Sofern der Täter die Flaschen in einen Rückgabeautomaten legt und dann mit dem Pfandbon an der Kasse erscheint, liegt ebenfalls ein Betrug vor. § 263a StGB scheitert letztlich an der Unmittelbarkeit zwischen der Beeinflussung des Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs und dem Schaden (vgl. ausführlich dazu Hellmann JuS 2001, 353).