V ist Eigentümer eines Grundstücks, das mit einem dinglichen Vorkaufsrecht der im Handelsregister eingetragenen O-OHG belastet ist. Am 30. Mai 2011 schließt V einen notariellen Kaufvertrag über das Grundstück mit Drittkäufer K. Am 09.06.2011 wird die O-OHG von V über den Vertragsschluss mit K sowie über die gesetzliche Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts gem. § 469 II S. 1 BGB informiert.
Prokuristin P erklärt am 2.08.2011 im Namen der O die Ausübung des Vorkaufsrechts. Diese Erklärung weist V am 09.08.2011 zurück: P habe ohne Vertretungsmacht gehandelt. Tatsächlich war P zuvor Prokura erteilt worden, diese war jedoch erst am 11.08.2011 ins Handelsregister eingetragen worden.
Am 22.08.2011 erklärt P, er wolle nun doch der O-OHG das Grundstück verschaffen.
Der Notar hingegen, der den Kaufvertrag zwischen V und K geschlossen hat, erklärt, er wolle den Kaufvertrag zwischen V und K vollziehen. Dagegen legte die O-OHG Beschwerde nach § 15 II 1 BNotO ein. Dieser hatte das Beschwerdegericht zunächst stattgegeben und den Notar angewiesen, die Abwicklung des Kaufvertrages zu unterlassen.
Der BGH hatte sich nun mit der Rechtsbeschwerde des Drittkäufers K gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts zu befassen.
Fraglich ist nun, ob das Beschwerdegericht den Notar zu Unrecht angewiesen hat, den Vollzug zu unterlassen. Dies wäre der Fall, wenn K gegen V einen Anspruch auf Verschaffung des Grundstücks hätte. Ein solcher Anspruch könnte aus § 433 I S. 1 BGB folgen.
Durch Abschluss des notariellen Kaufvertrages ist der Anspruch zunächst wirksam entstanden. Er könnte jedoch nach § 275 I BGB ausgeschlossen sein, da die Übereignung des Grundstücks für V subjektiv unmöglich war. Das dingliche Vorkaufsrecht führt dazu, dass Zwischenverfügungen, die geeignet sind, den Anspruch der O zu vereiteln, gemäß §§ 1098 II, 883 II S. 1 BGB gegenüber O, relativ unwirksam sind. Hätte O also ihr Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt, könnte V dem K das Eigentum nicht dauerhaft übertragen.
P hat gegenüber V die Ausübung des Vorkaufsrechts erklärt. Diese Erklärung könnte der O gemäß § 164 I S.1 BGB zugerechnet werden. P hat eine eigene Willenserklärung im Namen der O abgegeben. Fraglich ist, ob sie auch Vertretungsmacht hatte. P wurde Prokura erteilt. Dass die nach § 53 I S. 1 HGB erforderliche Eintragung im Handelsregister unterblieben ist, ändert daran nichts, denn die Eintragung wirkt lediglich deklaratorisch.
Die Ausübungserklärung könnte jedoch aus anderen Gründen unwirksam sein: Gemäß § 174 S. 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft unwirksam, wenn der Bevollmächtigte keine Vollmachtsurkunde vorlegt und der Erklärungsempfänger das Geschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. P hat keine Vollmachtsurkunde vorgelegt. Problematisch könnte allerdings sein, ob V das Geschäft auch aus diesem Grunde zurückgewiesen hat: seine Erklärung könnte dahingehend zu verstehen sein, dass er nur die die fehlende Vertretungsmacht gemäß § 180 S.2 BGB beanstanden wollte.
Dazu führt der BGH jedoch aus, dass eine entsprechende Erklärung durchaus neben einer Beanstandung gemäß § 180 S. 2 BGB auch eine Zurückweisung gemäß § 174 S. 1 BGB enthalten könne, sofern aus ihr mit hinreichender Deutlichkeit hervorgehe, dass das Bestehen der Vertretungsmacht bemängelt und zugleich das Geschäft wegen der fehlenden Vorlage der Vollmachtsurkunde zurückgewiesen werden solle.
Darauf käme es jedoch nicht an, wenn die Ausübungserklärung schon nach § 180 S. 1 BGB unwirksam ist. Dazu müsste P als Vertreterin ohne Vertretungsmacht gehandelt haben. Zwar wurde die Prokura wirksam erteilt, die O-OHG könnte jedoch gemäß § 15 I HGB daran gehindert gewesen sein, sich auf das Bestehen zu berufen. Bei der Prokuraerteilung handelt es sich um eine eintragungspflichtige Tatsache, vgl. § 53 I HGB. Solange sie nicht eingetragen und bekannt gemacht ist, kann sie einem Dritten gemäß § 15 I HGB nicht entgegengehalten werden, es sei denn, dass die Erteilung dem Dritten bekannt war (sog. negative Publizität des Handelsregisters). Die Prokura war am 09.08.2011 noch nicht eingetragen. Auch hatte V keine Kenntnis von der Erteilung. Damit muss O sich so behandeln lassen, als habe die Prokura der P nicht bestanden. P hat damit als Vertreterin ohne Vertretungsmacht gehandelt.
V hat mit der Erklärung vom 09.08.2011 das Fehlen der Vertretungsmacht gemäß § 180 S. 2 BGB beanstandet. Danach ist die Ausübungserklärung der P gemäß § 180 S.1 BGB entgültig unwirksam.
Auch eine Heilung durch Erklärung des V vom 22.08.2011 kommt laut BGH nicht in Betracht.
Zu denken wäre allenfalls an eine erneute Ausübungerklärung durch O. Eine solche könnte jedoch bereits verfristet sein. Gemäß § 469 II S. 1 BGB muss das Vorkaufsrecht innerhalb von 2 Monaten ausgeübt werden. Die Frist begann mit Mitteilung an O am 10.06.2011 (§ 187 I BGB) zu laufen und endete am 09.08.2011 (§ 188 II BGB). Innerhalb dieser Frist ist die Ausübung nicht erneut erklärt worden.
Damit hat O ihr Vorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt. Der Anspruch des K gegen V aus § 433 I S. 1 BGB ist damit nicht gemäß § 275 I BGB ausgeschlossen. K hat einen Anspruch auf Verschaffung des Grundstücks.
Das Beschwerdegericht hat den Notar zu Unrecht angewiesen, den Vollzug des Kaufvertrages zu unterlassen. Damit hat die Rechtsbeschwerde Aussicht auf Erfolg.
Mehr über die Publizität des Handelsregisters lernen Sie in unserem GuKO ZR VIII sowie dem entsprechenden ExO. Einen Einblick in unser Probeskript zum Handelsrecht bekommen Sie hier. Mehr über die Anforderungen der Stellvertretung bei einseitigen Rechtsgeschäften lernen Sie in unserem GuKO ZR I sowie dem entsprechenden ExO. Einen Einblick in unser Probeskript zur Stellvertretung bekommen Sie hier.