Einer aktuellen BGH Entscheidung (NJW 2018, 2742) lag folgender Sachverhalt zugrunde: der in Frankreich lebende Täter A stand im Verdacht, regelmäßig über sein bei einer französischen Bank geführtes Konto Gelder für Dritte, die diese Gelder aus nicht näher nachweisbaren Urkundenfälschungen und Betrug generiert hatten, zu waschen. Im vorliegenden Fall sollte er durch einen gefälschten Überweisungsträger Geld von einer in Deutschland ansässigen juristischen Person erhalten. Die ausführende Bank konnte die Überweisung aber noch verhindern.
Materiell- rechtlich hatte sich A der Geldwäsche gem. § 261 I, II Nr. 1 und 2, III StGB strafbar gemacht. Der BGH war allerdings der Auffassung, dass deutsches Strafrecht im vorliegenden Fall keine Anwendung finden könne.
Expertentipp
Fraglich ist, wo Sie dieses Problem in einer Klausur, sollte es ausnahmsweise mal auftauchen, ansprechen. Das Merkmal „Anwendbarkeit deutschen Strafrechts“ wird nach h.M. als objektive Bedingung verstanden, so dass der Vorsatz des Täters sich nicht darauf beziehen muss. Möglich ist nun, es als Vorbedingung vor dem Tatbestand zu prüfen. Denkbar ist aber auch, es – wie andere objektive Strafbarkeitsbedingungen - nach dem Tatbestand zu prüfen oder gar nach der gesamten Prüfung des Delikts. Sofern keine materiell- rechtlichen Probleme bei der Prüfung der jeweiligen Norm auftauchen, sollte es als „Vor“ – Bedingung am Anfang geprüft werden.
Zu denken ist zunächst an § 3 StGB (Territorialitätsprinzip) der zusammen mit § 9 StGB gelesen werden muss. Danach ist deutsches Strafrecht anwendbar, wenn die Tat im Inland begangen wurde. § 9 StGB macht deutlich, was darunter zu verstehen ist: nämlich entweder der Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder aber der Ort, an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist.
Gehandelt hat der Täter in unserem Fall in Frankreich. § 3 käme also nur dann zur Anwendung, wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in Deutschland eingetreten wäre. Fraglich ist nun aber, was unter diesem Erfolg des § 9 zu verstehen ist.
Bei Erfolgsdelikten ist diese Frage einfach zu beantworten, da es hier einen „tatbestandlichen“ Erfolg gibt (z.B. der „Tod“ bei § 212 StGB). Bei der von A verwirklichten Straftat handelt es sich aber um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, bei welchem es keinen tatbestandlichen Erfolg gibt. Hat der BGH „den zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ früher weiter verstanden als jenen Ort, an dem die abstrakt oder potentiell mögliche Schädigung sich realisieren könnte, versteht er ihn nun wieder enger und verneint eine Anwendbarkeit des § 3 bei abstrakten und potentiellen Gefährdungsdelikten.
Damit käme eine Anwendbarkeit deutschen Strafrecht nur über § 7 I StGB in Betracht. Problematisch ist jedoch, dass das letzte Tatopfer eine juristische Person war. § 7 StGB ist aber nur anwendbar, wenn sich die Tat gegen „einen Deutschen“ richtet. Der BGH führt hierzu folgendes aus:
„Zwar schützt der hier in Betracht kommende Tatbestand des § 261 Abs. 2 StGB auch die individuellen Rechtsgüter des durch Betrug als Vortat betroffenen Geschädigten …Die Straftat wurde jedoch nicht „gegen einen Deutschen“ begangen. Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nach § 7 Abs. 1 StGB setzt als Geschädigten eine natürliche Person voraus, die Deutscher im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG ist, mithin eine Person, die die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 1 StAG) besitzt …. Diesem beschränkten Anwendungsbereich liegt das passive Personalitätsprinzip zugrunde …. an das bereits die zuvor geltende Strafvorschrift § 4 Abs. 2 Nr. 2 StGB aF anknüpfte. Unter Berücksichtigung des eindeutigen Wortlauts von Alt- und Neuvorschrift und der gemeinsamen Entstehungsgeschichte beider Strafnormen setzt die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts einen bestimmten oder jedenfalls bestimmbaren einzelnen deutschen Staatsangehörigen voraus, der durch die Auslandstat in seinen individuellen Rechten verletzt ist“
Hinweis
Mit dieser Begründung lehnte der BGH damit den Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 13a StPO ab.
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