Dem Beschluss des BGH vom 10.01.2012 (4 StR 632/11 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der spätere Angeklagte A entwendete zunächst von fremden Fahrzeugen deren Nummernschilder, befestigte sie alsdann an seinem eigenen Fahrzeug und tankte in 6 Fällen an SB – Tankstellen, ohne das Entgelt zu entrichten. In drei Fällen konnte nicht mehr festgestellt werden, ob das Tankstellenpersonal den Tankvorgang beobachtet hatte.
Durch das Entfernen der fremden Nummernschilder hat sich A zunächst gem. § 242 StGB strafbar gemacht. In Betracht kommt auch eine Strafbarkeit gem. § 274 StGB, wobei die Nachteilszufügungsabsicht diskutiert werden muss, da der Täter sicher wissen muss, dass den Eigentümern der Fahrzeuge durch die Tathandlung ein Nachteil entsteht, der aus dem Einwirken auf das Beweismittel resultieren muss. Darüber hinaus hat sich A gem. § 267 StGB strafbar gemacht, indem er die fremden Nummernschilder an seinem eigenen Fahrzeug befestigte.
Fraglich ist nun, ob das Betanken des Fahrzeuges ein Diebstahl gem. § 242 StGB oder aber ein Betrug gem. § 263 StGB ist. Einig ist man sich, dass Betrug und Diebstahl in einem Exklusivitätsverhältnis stehen, also ein und dieselbe Tathandlung niemals Diebstahl und (Sach-) Betrug zugleich sein kann. Anders als bei der Abgrenzung des § 249 zu den §§ 253, 255 StGB soll die Abgrenzung hier auch nach Auffassung des BGH nicht nach dem äußeren Erscheinungsbild vorgenommen werden. Maßgeblich ist mithin der Wille des Opfers: will dieses sich selbst schädigen, dann liegt Betrug vor. Wird das Opfer hingegen gegen seinen Willen fremd geschädigt, dann liegt Diebstahl vor. Dies hat zur Folge, dass im Rahmen des § 263 StGB eine Vermögensverfügung geprüft werden muss und im Rahmen des § 242 StGB der Gewahrsamswechsel gegen oder ohne den Willen des Gewahrsamsinhabers erfolgen muss. Das tatbestandsauschließende Einverständnis beim Diebstahl ist damit identisch mit der Vermögensverfügung beim Sachbetrug: liegt eine Verfügung vor, dann scheidet Diebstahl aus.
Fangen wir also mit der Prüfung des § 242 StGB an. A müsste zunächst eine fremde bewegliche Sache weggenommen haben. Das Benzin ist, da räumlich umgrenzt, zunächst eine bewegliche Sache. Etwas größere Mühe sollten Sie in der Klausur auf die Bejahung der Fremdheit verwenden. Grundsätzlich kommt ein Eigentumserwerb gem. den §§ 947, 948 BGB in Betracht, der jedoch regelmäßig zu verneinen sein wird, da der Tank beim Tanken leer ist (warum sonst sollte man tanken?). Eine Übereignung des Benzins beim Tankvorgang wird entweder unter Hinweis auf einen Eigentumsvorbehalt oder aber mit der Begründung, dass die Einigung über den Eigentumsübergang erst an der Kasse erfolge, abgelehnt. Damit liegt ein taugliches Tatobjekt vor.
Dieses Benzin müsste der Täter nun weggenommen haben. Der Gewahrsamswechsel erfolgt in dem Augenblick des Tankens, da der bisherige Gewahrsamsinhaber – Tankstellenpächter – keine ungehinderte Sachherrschaft mehr ausüben kann, sobald sich das Benzin im Tank des Kunden befindet. Fraglich ist jedoch, ob dieser Gewahrsamswechsel gegen oder ohne den Willen erfolgte. Durch das Bereitstellen und Aktivieren der Zapfsäule in dem Moment des Hineinsteckens des Zapfhahns in die Tanköffnung könnte der Tankstellenpächter über das Benzin verfügt haben, womit ein tatbestandsausschließendes Einverständnis zu bejahen und der Diebstahl zu verneinen wäre. Da der innere Vorbehalt des Täters nicht nach außen in Erscheinung tritt und er zudem den Tankvorgang ordnungsgemäß ausführt, muss ein solches Einverständnis angenommen werden. Auch ein in personam den Tankvorgang ausführender Tankwart würde dem vermeintlichen Kunden mit Freunden den Tank füllen. Damit liegt aber eine täuschungsbedingt vorgenommene Selbstschädigung und keine gegen den Willen erfolgende Fremdschädigung vor. § 242 StGB scheidet aus.
A hat sich aber gem. § 263 StGB strafbar gemacht. Getäuscht hat er über die innere Tatsache seiner Leistungsbereitschaft, sofern er vom Tankstellenpersonal beobachtet wurde, liegt auch ein entsprechender Irrtum in Gestalt des sachgedanklichen Mitbewusstseins vor. Die Vermögensverfügung ist in dem Aktivieren der Zapfsäule oder dem Dulden des Tankens zu sehen. Der Vermögensschaden liegt in dem Besitzverlust an dem Benzin ohne im Gegenzug das Entgelt zu erhalten. Sofern eine Beobachtung nicht nachgewiesen werden kann, hat sich der Täter gem. §§ 263, 22, 23 StGB strafbar gemacht, der eine Strafbarkeit gem. § 246 StGB verdrängt.
Näheres hierzu finden Sie in unserem GuKO SR III sowie in den ExO`s. Einen Einblick in das Kursmaterial erhalten Sie unter http://www.juracademy.de/web/skript.php?id=37141