Für die umfängliche Lösung eines baurechtlichen Falles empfehlen wir Ihnen unsere Examensklausur „Jugendzentrum“ aus dem juracademy-Klausurenkurs im Öffentlichen Recht.
Zunächst geht das Gericht generell auf die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Bauvorhaben im Mischgebiet ein. Schauen Sie sich genau an, wie das Gericht zunächst den abstrakten Rahmen für eine konkrete Einzelfallentscheidung absteckt. Dies muss bei Ihrer Klausur auch stets der erste Schritt sein. Erst in einem zweiten Schritt folgt der Abgleich der tatsächlichen Gegebenheiten mit dem abstrakten Rahmen – hierbei müssen Sie alle Einzelheiten des jeweiligen Sachverhalts genau beachten und in das Gutachten einarbeiten.
„Ob bei der gebotenen „typisierenden“ Betrachtung eine wesentliche Störung der im Mischgebiet gelegenen Wohnnutzung droht, hängt bei Autowaschanlagen von ihrer jeweiligen Anlagen- und Betriebsstruktur sowie von der konkreten Gebietssituation ab. Je nach Größe und Umfang des Betriebs sowie der Betriebsweise und der Gestaltung der Arbeitsabläufe kann sich eine unterschiedliche Bewertung ergeben. Maßgeblich ist, ob sich die Störwirkungen, welche die konkrete Anlage bei funktionsgerechter Nutzung erwarten lässt, innerhalb des Rahmens halten, der durch die Gebietseigenart vorgegeben wird. Geboten ist dabei eine Einzelfallprüfung des Ausmaßes der zu erwartenden Störungen, wobei diese allerdings in der Regel nicht konkret und bezogen auf die gegebenen Grundstücksverhältnisse zu ermitteln sind. Vielmehr ist, vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls, in einer „typisierenden“ Betrachtung abzuschätzen, ob die zugelassene Nutzung generell geeignet ist, eine Wohnnutzung wesentlich zu stören. Insbesondere gilt es, eine Verfremdung des Gebiets zu verhindern, die schon damit beginnen kann, dass eine im Grunde in einem Mischgebiet generell unpassende – wohnunverträgliche – Nutzung zugelassen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.11.2002 – 4 B 72/02, BeckRS 2003, 20263; NVwZ 2008, 786; OVG Münster, Beschl. v. 18.6.2010 – 7 A 896/09, BeckRS 2010, 50364; VGH Mannheim, NVwZ-RR 2014, 632).“
Eine Entscheidung dieser Frage trifft das Gericht allerdings nicht. Versuchen Sie es übungsweise mal selbst – und überlegen Sie sich, welche Details in einem Sachverhalt zu einer Beeinträchtigung führen könnten und welche nicht.
Das OVG Münster leitet die Rechtswidrigkeit des Bauvorhabens stattdessen aus einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot her – und stellt dabei wesentlich auf die Vorschriften der TA Lärm ab. Merken Sie sich diesen Prüfungskniff.
Eine endgültige Bewertung des konkreten Sachverhalts nimmt das Gericht nicht vor, da es sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelte, in dem nur eine summarische Prüfung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vorgenommen wird. Es geht jedoch davon aus, dass an bestimmten Tagen die Höchstwerte überschritten werden und es zu einer hohen Auslastung der Waschanlage kommen wird – und dass es sich bei solchen Tagen nicht um „seltene Ereignisse“ im Sinne der TA Lärm eignet. Schauen Sie sich genau an, wie das Gericht mit der TA Lärm hantiert.
„Nach Nr. 6.1 Buchst. c TA Lärm gilt für Mischgebiete ein Immissionsrichtwert von 60 dB (A) tags, wobei die Genehmigung eines Vorhabens auch dann nicht versagt werden soll, wenn dauerhaft sichergestellt ist, dass dieser Wert um nicht mehr als 1 dB (A) überschritten wird (Nr. 3.2.1 III TA Lärm).
(…)
Tage, an denen künftig eine deutlich überdurchschnittlich oder außergewöhnlich hohe Zahl an Waschvorgängen zu verzeichnen ist, (lassen sich, Anm. d. Verf.) nicht als seltene Ereignisse iSd Nr. 7.2 TA Lärm bewerten. Eine überdurchschnittlich starke Auslastung einer Autowaschanlage ist kein außergewöhnlicher Zustand bei dem Betrieb einer Anlage, der als ein seltenes Ereignis angesehen werden kann. Davon abgesehen müsste die Baugenehmigung, um dem nachbarrechtlichen Rücksichtnahmegebot und dem Bestimmtheitsgebot zu genügen, näher regeln, welcher Betrieb des Vorhabens bis zu welcher Immissionsgrenze bei so genannten seltenen Ereignissen zulässig ist (vgl. Nr. 7.2 TA Lärm „ … kann eine Überschreitung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für genehmigungsbedürftige Anlagen zugelassen werden. …“). Eine solche Regelung beinhaltet die Baugenehmigung nicht.
Abgesehen davon enthält die ergänzende Stellungnahme vom 29.9.2014 nur die nicht anhand von Berechnungen nachvollziehbare Behauptung, dass sich bei einer Zahl von 376 Waschvorgängen die Beurteilungspegel in der Nachbarschaft der Autowaschanlage überschlägig um max. 2 dB (A) gegenüber den in dem Schalltechnischen Bericht angegebenen Werten erhöhen würden. Auch vor diesem Hintergrund ist es nicht iSd Nr. 3.2.1 III TA Lärm dauerhaft sichergestellt, dass die Überschreitung des hier nach Nr. 6 TA Lärm einschlägigen Immissionsrichtwerts von 60 dB (A) durch das Vorhaben und die vorhandene Vorbelastung nicht mehr als 1 dB (A) beträgt.“
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